Legenden sterben nicht. Fotofachmessen leider schon. Oder: Gedanken zum "vorläufigen" Ende der Photokina...

  • Ich glaube, das "vorläufige" Ende der Photokina war hier noch kein Thema?


    https://www.heise.de/news/Koel…s-ausgesetzt-4973197.html



    Meiner bescheidenen Meinung nach war es das für diese Messe. Unendlich schade, verbinde ich doch sehr schöne Erinnerungen mit ihr. Während meiner Ausbildung durfte ich als kleiner Azubi meinen Chef, den Leiter einer Fotoabteilung im Einzelhandel aber eben auch sehr gut in der Branche vernetzten, gelernten Fotografen auf die Messe begleiten und wirklich an allen Verhandlungen und Präsentationen der tollen neuen Kameras teilnehmen. Das damals schon fragwürdige APS Format, Kodaks noch grandioser gefloppter Disc-Film, Sonys Mavica mit 1,44 Zoll Diskette (!!!) für ca. 4.000 DM UVP und Olympus erste Ernst zu nehmende Digitalkameras... war eine tolle Zeit. Nicht zu vergessen die Nürnberger Rostbratwürste auf dem Stand von Braun (nicht die Rasiererfirma :mrgreen:) So viel Spaß hatte ich danach auf keiner Messe mehr, das war dann immer nur ein Knochenjob.


    Was habt Ihr denn für Erinnerungen an die Messe?

  • Der Wechsel auf jährlichen Turnus hätte bereits die Messekosten für die Aussteller verdoppelt.

    Dazu noch die Terminverschiebung nur sechs Monate nach der letzten Messe eine neue anzusetzen

    hat den Langmut der Finanzchefs fast aller Firmen überstrapaziert.


    Ein Jahr auszusetzen und im Jahr danach auf Mai vorzuziehen hätte noch funktionieren können,

    auch wenn man über den Mai streiten kann. Kameras werden zu Weihnachten gekauft, im

    Sommer wird der Urlaub finanziert. Meiner Ansicht nach unglücklich gewählt.


    Die Photokina ist als Fachmesse und Ordermesse gestartet. Tatsächlich hatte ich auf der letzten

    erstmalig seit langem mal wieder den Eindruck daß sich mehr Hersteller als sonst große

    Mühe gegeben hatten die Messe für ihre Neuvorstellungen zu nutzen.


    Das ging jedoch unter in plumpen Amateurbespassungen und vielen Sinnlosigkeiten.


    Die Chinahalle im Keller statt in einer der leeren Hallen mit Tageslicht, die Stände zu

    klein und zu teuer. Wenn man nicht genug Aussteller zusammenkriegt, dann senkt

    man die Quadratmeterpreise und macht die Stände größer und attraktiver. Passierte nicht.


    Die Ausstellungen wurden massiv reduziert, die greifvögel und der Globus als Wahrzeichen

    fielen weg, die exorbitanten Preise für gruseligen Messefrass blieben. Eintrittspreise wurden

    erhöht, dafür wurden die Karten praktisch verschenkt. Psychologisch ungeschickt.


    Nicht die Umstände oder der schwächelnde Fotomarkt hat die Photokina getötet.

    Das hat die Messeleitung ohne fremde Hilfe hinbekommen.

    • Offizieller Beitrag

    Vorweg gesagt: ich habe die Photokina immer 'verpasst'. Die einzige Messe, die ich seit über 15 Jahren nie auslasse, ist die BAU in München. 2021 fällt sie aus. Corona. An das ersatzweise geplante, hybride Format glaube ich nicht.


    Wenn ich spazieren gehe, kann ich es praktisch nicht vermeiden, unsere Stuttgarter Messe unter dem Horizont zu sehen. Sie streckt sich gemeinsam mit dem Flughafen vor der Kulisse der schwäbischen Alb aus. Ich habe schon zur Bauzeit leise Zweifel gehabt, ob Messen in der digitalen Welt noch eine Berechtigung haben. Oder erst recht? Als Ersatz für den zunehmend unter Druck geraten sein Einzelhandel?


    Ich glaube, das war die Motivation für die neue 'Kina': Den Herstellern eine Bühne geben, unabhängig von den schwächelnden niedergelassenen Händlern. Aber das scheint nicht zu genügen. Es braucht auf einer Messe auch Neuheiten. Und da hat das erratische Verlegen des Termins nicht geholfen. Die Hersteller tanzen nicht nach der Pfeife der Photokina.


    Der Vertrieb von Fotoapparaten und Zubehör ist längst im Netz verankert. Der Boom der digitalen Fotografie und der Boom des Internethandels setzten zu sehr ähnlichen Zeitpunkten ein. Offenbar funktioniert der Vertrieb über das Netz hier auch sehr gut.


    Andere Produkte (z.B. Bauprodukte oder Wohnwägen, Möbel) brauchen Messen vielleicht dringender. Für den Fotomarkt halte ich Veranstaltungen wie Zingst mittlerweile für wichtiger. Weg vom klassischen Messebetrieb, hin zu Workshops, Vorträgen, Treffpunkten, die dann lediglich messeartig flankiert werden. Diesen Schritt hat Köln nicht geschafft und gibt jetzt zu früh auf, statt an sich zu arbeiten.


    Nach so einem Abgang wird es Jahre und neue Köpfe brauchen, um den traditionsreichen Namen wiederzubeleben. Falls das überhaupt klappt.

    www.stefansenf.de
    Ich moderiere in grün, der Rest ist nur meine Meinung ;)
    Ricoh Theta V | Pentax KP, 10-17, 18-300, 15, 21, 35, 55, 70 und Lensbaby | Samsung NX1000 und NX300 mit 16, 16-50, 20-50 und Altglas

  • Mir ging es hier weniger um die Ursachenforschung - dafür haben wir ja glaube ich schon den Kameraweltmarkt, auch wenn die Gründe wie Ihr richtig schreibt vielfach "hausgemacht" waren. Ich wollte hier eher mal hören, ob Ihr Anekdoten von bzw. über die Messe zu erzählen habt. Ging aus meinem Startbeitrag nicht klar hervor ;)


    Wie gesagt, bei mir sind es viele gefloppt Systeme und Würstchen :lol:

  • Ich sehe eine Photokina nicht mehr in Köln.

    Auch hier in Düssseldorf stirbt die Nowea langsam dahin. Die Zeit leerer

    seelenloser Großraumhallen für Messen ist vorbei, die Leute wollen auch

    Atmosphäre und allgemeinen Wohlfühlfaktor.


    Wer würde sich die Chinahalle in den depressiven Messekeller zurückwünschen?

    Die langen, funktionslosen Wege?


    Unweit von hier gibt es das Areal Böhler, ein ehemaliges Stahlwerk, auf

    dessen Gelände Voestalpine immer noch Europas größte Anlage

    für Edelstahlwärmebehandlung betreibt. Da sind in verschiedenen Hallen

    Eventlocations mit verdammt guter Atmosphäre entstanden, die der

    Messe Düsseldorf komplett den Rang ablaufen. Dazu sitzt auf dem

    Gelände Broich Premium Catering, der mehrfach zum Caterer des Jahres

    gewählt wurde. Was man da bekommt bläst den Ölner Messefrass mit

    Anlauf durch die Wand, und man kann sich gemütlich setzen, um es zu

    verdrücken.


    Ähnlich fällt der Vergleich der P&A im LaPaDu zur Messe Köln aus.

    Die P&A wird jetzt unversehens zur wichtigsten Fotoveranstaltung

    Deutschlands.


    Weniger Standbau, mehr Effizienz, deutlich geringere Kosten.

  • Photokina war für mich immer ein Forentreffen (mit Usern eines anderen, pentaxaffinen Forums - Stefan weiß, welches ich meine), das Treffen am Pentaxstand incl. dem Besuch hinter den Kulissen, wo sich die Chefs von Pentax Deutschland (bzw. DACH) mit uns trafen, uns Neues zeigten und uns sogar das (Vorserie) in die Hand gaben, was vorne am Stand teilweise nur in Vitrinen präsentiert wurde, weil es erst nach der Messe offiziell auf den Markt kam. Kina war auch das Fachsimpeln mit den Forenkollegen an den Ständen oder beim Essen danach.


    Und Kina war der große, große Markt für alles, was neben der Kamera mit den Objektiven zum Fotografieren wichtig ist, die Tasche, das Stativ, der Blitz, die Möglichkeiten der Ausbelichtung und und und ... Kein Fotohändler kann diese Auswahl bieten und bei der Suche im Netz kommen auch nur immer die großen der Branche auf den Bildschirm, die kleinen Nischenhersteller fand man eher und sehr kompakt auf der Kina. Außerdem konnte man (fast alles) ausprobieren, die Tasche beladen, um zu sehen ob sie für die vorgesehene Kombi passt, die Objektive, die man sich wünschte, anflanschen, Stative mit der Kamera bestücken, um zu sehen ob und wie es wackelt und natürlich auch mal bei einem anderen, der eigenen Fototasch fremden System nach Herzenslust rumprobieren.


    Ich werde nie vergessen, wie mir ein alter Herr die von ihm konstruierten Gimbal-Heads ausführlich erläuterte und mir insbesondere seinen Doppel-Teleneiger (z.B. für Kamera und Spektiv) näher brachte. Erst im Nachhinein erfuhr ich, dass dies Alfred Krappel war, ein Diplomingenieur, ehemaliger Leiter der Entwicklungstechnik bei BMW und dort auch für die Formel-1-Abteilung tätig, der aus Passion für die Tierfotografie und -beobachtung in seiner Freizeit exzellente Neiger bastelte und diese später über die Firma eki vertrieb - eine Legende unter den Wildlifern. Dort lernte ich auch die Gimbals von Dietmar Nill (ein weiterer Bastler) kennen, von denen ich einen heute selber verwende.


    Und dann waren da noch die Fotoausstellungen, nicht alle gelungen, nicht alle mein Geschmack, aber ein wichtiger und wesentlicher Teil der Kina. Auch das ein Erlebnis, als ein Fotograf (Besucher) alle Aktaufnahmen einer Ausstellung (wessen Werk weiß ich nicht mehr) ablichtete, die überaus gelungenen Portraits an den Stellwänden jedoch keines Blickes würdigte. Ja, auch den Spannern hat diese Messe was geboten :mrgreen:

    Gruß
    Peter


    [ô]  PENTAX K-1 / PENTAX K-3 / PENTAX K-30 - Objektive siehe Profil

  • Nein, die Photokina ist tot. Am ehesten sehe ich noch daß die Photopia in Hamburg

    einen Teil dessen übernimmt, was früher die Photokina war.


    Man darf nicht übersehen daß die Photokina früher eine Ordermesse war, auf der

    vorwiegend Fachpublikum reine Fachinformationen bekam, und auf denen die großen

    Händler ihre Orders für mehrere Monate platzierten.

    Diese großen Händler gibt es so nicht mehr, in Deutschland sind von früher Hunderten

    nicht mehr als ein Dutzend solcher Händler und Ketten übrig geblieben.

    Die gehen nicht mehr zu Messen, die Hersteller kommen zu ihnen.


    Übrig bleiben die Amateure. Und die wollen dann auch kaufen, Schnäppchen machen

    und unterhalten werden. Dazu passt die Bilge in Köln nicht, die gruseligen Unterwelten,

    in denen man die chinesischen und indischen Händler vergraben hatte.


    Die anderen Events (Zingst, P&A, Oberstdorf) sind... Events.

    Usertreffen, Workshops, Ausstellungen.


    Aber keine Fachmessen.

    Fachmessen sind vorwiegend B2B, Events sind reine B2C Bespassung.


    Von all denen ist Hamburg die geeignetste Kulisse. Zentral gelegen,

    noch am ehesten mit Messecharakter, und mit dem Design der

    gestapelten Seefrachtcontainer allen anderen deutlich überlegen,

    was die Optik angeht. Ausserdem wetterfest, was bei P&A, Zingst,

    Oberstdorf ein massiver Showstopper sein kann.


    Dazu kommen die exorbitanten Standpreise, die auf der Photokina

    verbraten wurden. Das wollen (und können) sich kaum noch Hersteller

    leisten.


    Also nein - die Photokina kommt nicht wieder.

  • VisualPursuit : :danke: für die ausführliche Antwort!


    Ich habe die letzten Photokinas ab 2008 erlebt und sehr genossen.

    Für mich war es interessant, was es auf dem Imaging-Markt alles gibt.

    Viele Produkte anfassen und teilweise ausleihen zu können, ohne Kaufinteresse heucheln zu müssen.

    Interessante Vorträge und Ausstellungen in großer Zahl.

    Fotokumpels treffen und vieles mehr.


    Auf der Photo & Adventure in Duisburg war ich erst einmal 2017 und habe Dich ja auf dem Rückweg getroffen.

    Die P & A ist eine schöne, kleine Messe mit Vorträgen und Mitmachveranstaltungen.

    Sie hat mir als Ergänzung zur Photokina gut gefallen, kann die Pk für mich aber nicht ersetzen.

    Die P&A wird vom Photokina-Ende m.E. sehr profitieren.

    Ich werde dieses wieder hingehen, rechne aber mit einem hohen Ansturm, da es für viele das erste Fotoevent seit langer Zeit sein wird.

    Von mir eingestellte Bilder dürfen bearbeitet und bei dft gezeigt werden.