Fuji FinePix HS20EXR
Vorwort
Im Januar hatte ich bereis das "Vorgängermodell" HS10 in der Hand. Und wäre nicht die Ankündigung für die HS20EXR durch den Äther geflattert, hätte ich sie wohl behalten. HS10 und HS20EXR haben viele Ähnlichkeiten, daher werde ich einige Aussagen aus meinem HS10-Erfahrungsbericht direkt übernehmen.
Das Warten auf die HS20EXR war hart. Doch es ging mir nicht alleine so. Inbesondere im DSLR- und im Finepix-Forum wurden Neuigkeiten in Liveticker-Manier gepostet. Bilder von Testknipsern aus Polen und Japan wurden zerpflückt und auf jedes noch so kleine Artefakt hin untersucht. Selten habe ich eine Kamera erlebt, die bereits vor ihrem Erscheinen dermaßen kritisch betrachtet wurde.
Nun ist sie seit knapp zwei Wochen verfügbar und es ist schlagartig ruhiger geworden. Zum Einen, weil die ersten Besitzer nun mehr Zeit mit Fotografieren als mit Posten verbringen. Zum Anderen, da man merkt, dass die Bildqualität nicht sooo unterirdisch ist, wie es in den Threads teilweise proklamiert wurde.
Wer sich das Lesen des Reviews sparen will, der kann >>>hier<<< meine ersten Ergebnisse mit der Kamera sehen. Das Album werde ich in den nächsten Wochen noch mit weiteren Bildern füllen.
Für alle anderen und vor allem für diejenigen mit Interesse an dieser Cam: Viel Spaß beim Schmökern. Ich habe versucht, meine Ausführungen möglichst neutral zu halten, was mir wahrscheinlich nicht immer gelungen ist. Die Bildqualität sollte jeder für sich selbst, z.B. anhand der vorliegenden Testfotos beurteilen.
Gehäuse und Handling
Die Kamera liegt gut in meiner Hand. Es gibt eine Menge Knöpfchen und Taster, um auf die wichtigsten Bildparameter schnell zugreifen zu können. Aber wie immer in solchen Fällen vermisst man dann doch die eine oder andere Funktion. Das Wichtigste ist aber im Direktzugriff.
Gegenüber der HS10 wurde der Blitz etwas gekürzt, sodass das Zoomen nun wesentlich ungestörter funktioniert.
Die Anfassqualität ist mittelmäßig. Hier scheint eine Menge billiges Plastik verbaut worden zu sein. Die Klappen schließen zwar sauber und haben (noch) kein Spiel aber man hat immer Angst, etwas abzubrechen. Schlecht gelöst ist die Position des Stativgewindes, welches zudem nur aus Kunststoff ist: Es sitzt so dicht am Batteriefach, dass die Batterien bei einer montierten Stativ-Schnellwechselplatte nicht getauscht werden können. Außerdem sitzt es nicht auf der optischen Achse. Hier werde ich mir wohl einen kleinen Adapter bauen müssen.
Das Display ist nach oben (90°) und unten (ca 50°) klappbar und macht ein gutes Bild. Der EVF ist dagegen eher mittelmäßig und außerdem leicht farbstichig. Er erlaubt keine präzise Fokuskontrolle und ist schlecht gegen einfallendes Licht abgeschirmt
Chip
Der Chip ist klein und hat zu viele Pixel. Damit folgt er dem aktuellen Marketingtrend=Pixelwahn und das führt natürlich auch zu gewissen Problemen bei der Bildqualität. Hotpixel konnte ich trotzdem auch bei 30 Sekunden Belichtungszeit nicht feststellen. Dieses Problem scheint es heutzutage nicht mehr zu geben.
Es handelt sich um einen sogenannten EXR-Sensor, bei dem die Pixel diagonal angeordnet sind und jeder Pixel immer doppelt vorkommt. Wenn man es genau nimmt, sind es keine 16MPixel, sondern ein 2x8MPixel. Diese Pixel können in drei verschiedenen EXR-Modi dann unterschiedlich verrechnet werden:
- EXR-HR: Hohe Auflösungn ergibt ein 16MPixel Bild
- EXR-DR: Dynamikumfang ergibt ein 8MPixel Bild mit erhöhtem Dynamikumfang
- EXR-SN: Rauscharmut ergibt ein 8MPixel Bild mit verringertem Rauschen
Die Signalversärkung bis zum Faktor 128 ("ISO12800") funktioniert gut und erlaubt es, auch in mittelmäßig beleuchteten Räumen noch verwacklungsfreie Fotos zu schießen. Gute Ergebnisse liefern die Einstellungen ISO100-800, ISO1600 ist grenzwertig. Hier wirken die Fotos schon ziemlich vermatscht. Ab ISO3200 nimmt das Rauschen stark zu, dem die Rauschunterdrückung der Kamera allerdings entgegenwirkt. Das Ergebnis sind "grobkörnige" Bilder mit wenig Details. Ein besseres Ergebnis erzielen der EXR-SN Modus, der dann allerdings auf 8MPixel zurückschaltet
Die Kamera verfügt mit dem EXR-DR-Modus über die Möglichkeit, eine Dynamikerhöhung um den Faktor 200, 400, 800 oder 1600 Prozent zu aktivieren. Hierfür muss jedoch mindenstens ISO400 erlaubt werden. Hiermit können in schwierigen Lichtsituationen (z.B. Gegenlicht oder in Innenräumen, wo durch ein Fenster die Sonne hereinscheint.) wirklich noch einige Details herausgearbeitet werden.
Die Modi EXR-SN und EXR-DR nutzen jeweils nebeneinander liegende gleichfarbig gefilterte Sensoren des Chips und fassen deren Informationen zusammen, sodass sich die Bildauflösung auf höchstens 8MPixel verringert.
Eine weitere Option, um das Fotografieren im Dunklen zu Erleichtern ist der Advanced Modus Pro Lo-Light. Hier werden in schneller Folge vier Bilder hintereinaner aufgezeichnet und miteinander verrechnet. Bewegte Motive können damit aber nicht erfasst werden (Zumindest ergibt dies ein sehr interessantes Ergebnis! ).
Der kleine Chip bedingt eine hohe systemimmanente Schärfe. Anders gesagt: Es ist kaum möglich, mit dieser Kamera Objekte vor dem Hintergrund gut freizustellen. Die Kamera bietet, um dieses Problem zu umgehen, noch den Advanced Modus Pro Focus. Dieser macht mehrere Bilder hintereinander und zeichnet den Hintergrund dann entsprechend weich, um den Vordergrund freizustellen. ZU einem Aha-Erlebnis hat mir dieser Modus bisher allerdings noch nicht verholfen...
Objektiv
Das Objektiv mit dem grandiosen Brennweitenbereich von 24-720mm (KB-äquiv.) ist ja von vornherein schonmal eine technische Meisterleistung. Physikalische Gesetze können trotzdem nicht ausgehebelt werden. Chromatische Abberationen produziert das Objektiv deutlich (gut sichtbar im Sucher!). Diese werden vom internen Bildprozessor allerdings rückstandslos entfernt. Weitere Fehler wie Vignettierung und Verzeichnung werden ebenso recht erfolgreich durch den Bildprozessor herausgerechnet. Dies geht natürlich nicht spurlos an der Bildqualität vorbei. Im Weitwinkelbereich und insbesondere in Verbindung mir höheren ISO-Werten kann man häufig verwaschene Stellen erkennen, wo es eigentlich gestochen scharf sein müsste. Aber auch dieser Effekt ist nur bei einer Darstellung ab 1:1 am Monitor erkennbar. Für Ausbelichtungen spielt er eine eher untergeordnete Rolle.
Gerade bei langen Brennweiten merkt man, dass die Bildstabilisierung wirklich gut funktioniert. Für 720mm (KB) benötigt man dann aber doch 1/250s. Und bei Blende 5-5,6 am langen Ende, muss das Wetter dafür schon gut sein!
Blitz
Der Blitz ist gegenüber der HS10 in seiner Leistung etwas beschnitten worden. Die Automatik lässt ihn außerdem zu dunkel leuchten - im Menü kann man die Intensität anheben. Bei mir steht er jetzt dauerhaft auf +2/3.
Ansonsten wurde die gute Blitzsteuerung der HS10 übernommen. Selbst bei relativ nahen Aufnahmen werden die Motive nicht "totgeblitzt". Gesichter überstrahlen nicht, sondern behalten sehr angenehme, natürliche Hauttöne. Es fast unmöglich, rote Augen zu bekommen (und das ohne Vorblitz!). Nur bei sehr nahen Frontalaufnahmen und bei starker Vergrößerung ist noch ein leichter Rotschimmer in den Augen zu erkennen.
Funktionen
Schön sind die verschiedene Serienbildfunktionen, die es in dieser Form bei Fuji aber schon seit 8 Jahren gibt. Sie sind schneller geworden - bis zu 11 Bilder pro Sekunde sind nun möglich.
Die Panorama-Funktion erzeugt überraschend gute Panoramen, allerdings bei reduzierter Auflösung. Möchte man ein High-Quality-Panorama für großformatige Ausbelichtung kommt man über saubere Handarbeit mit Einzelbildern und "handvernäht" nicht herum.
Eine witzige Spielerei sind die High-Speed-Filme: Hier sind Geschwindigkeiten bis 320fps (ca. 10fache Geschwindigkeit) möglich. Diese werden zu Filmen mit 30fps zusammengesetzt. Also eine Sekunde gefilmt ergibt einen Film mit gut 10 Sekunden Länge. Nett zum Experimentieren, aber mehr als ein Gadget ist es - auch aufgrund der stark reduzierten Auflösung - nicht.
Es gibt noch unzählige nette Kleinigkeiten (Durchsuchen der Fotos nach bestimmten Gesichtern, Bild-in-Bild bei Serienaufnahmen, Verwaltung von "Fotobüchern") aber ich will den etwaigen Käufern nicht die Freude der Überraschung nehmen.
Sonstiges
In den Belichtungsmodi "A" (Zeitautomatik bzw. Blendenvorwahl) und "S" (Blendenautomatik bzw. Zweitvorwahl) ist eine maximale Belichtungszeit von 4 Sekunden möglich. Das ist - gerade für die Zeitvorwahl zu wenig. Im manuellen Modus "M" können bis zu 30 Sekunden und auch Bulb "B" eingestellt werden. Höhere Belichtungszeiten erhöhen die Neigung zum Rauschen. Möglicherweise hat Fuji aus diesem Grund die Begrenzung auf 4 Sekunden gewählt.
Bei manueller Fokussierung hilft die "Fokuskontrolle", indem sie den zentralen Bereich des Bildes vergrößert darstellt. Das ist zwar eine gute Idee - in schlechten Lichtverhältnissen aber leider kaum nutzbar. Grund: Die "Verstärkung" des Bildes wird während des Fokussierens zurückgenommen und man sieht quasi nur einen schwarzen Bildschirm. Fokussieren unmöglich. Das ist aus meiner Sicht nur ein Bug und könnte leicht per Firmware verbessert werden.
Bei prozessorintensivem Gebrauch (Filme, High-Speed-Serienaufnahmen, aktivierte Gesichtserkennung, ...) warnt die Kamera mit einem Symbol vor einer Temperaturerhöhung. Im Handbuch steht dazu:
ZitatTemperaturwarnung
Die Kamera schaltet sich automatisch aus, bevor ihre Temperatur bzw. die Akkutemperatur über den eingestellten Grenzwert
steigt. Bilder, die bei angezeigter Temperaturwarnung aufgenommen werden, können ein größeres Maß an „Rauschen“ (Flecken) aufweisen. Schalten Sie die Kamera aus und lassen Sie sie abkühlen, bevor sie wieder eingeschaltet wird.
Am ersten Tag hatte ich diese Warnung recht häufig. An den nächsten Tagen, an denen ich eher "normal" fotografiert habe, kam diese Meldung nur noch einmal.
Best Practices
Ich fotografiere meist in der Programmautomatik: ISO100 und Bildgröße L (16MP, fine) fest voreingestellt.
Für schwierige Lichtsituationen weiche ich aus auf
- EXR-SN mit Auto-ISO3200, Bildgröße M (8MP, fine) (Wenn in Innenräumen ohne Blitz fotografiert werden soll.). Das habe ich so auf den Benutzerspeicher "C" gelegt.
- EXR-DR mit Auto-ISO1600, DR1600%, Bildgröße M (8MP, fine) (Bei starken Lichtunterschieden, z.B. Innenräume, wo durch ein Fenster die Sonne hereinscheint.). Das ist meine Standardeinstellung im "EXR"-Modus.
Somit kann ich mit drei Einstellungen des Modus-Wahlrads 90% der Standardsituationen abdecken. Für die restlichen müssen dann entsprechend die Modi A, S und M herhalten.
Vollautomatiken würde ich bei dieser Kamera nicht empfehlen (weder die "normale" Automatik als auch die EXR-Automatik), da diese schnell zu Bildern mit suboptimaler Qualität führen können.
Den Blitz habe ich auf +2/3 voreingestellt, da er fast immer zu wenig aufhellt.
Gesichtserkennung habe ich wegen des oben erwähnten Temperaturproblems (und weil die Funktion irgendwie albern ist) generell deaktiviert.
Beurteilung
Pro
- Manueller 30xZoom
- Gute Bildqualität bis ISO1600
- Großes, klappbares Display
- TTL-Blitzschuh
- Filtergewinde (58mm)
- Interessante Features
- Mignon-Akkus (4xAA)
Contra
- Freistellen von Objekten vor dem Hintergrund kaum möglich
- Position des Stativgewindes
- Mittelmäßiger EVF
Fazit
Selten habe ich mit einer Kamera so viel Spaß beim Fotografieren gehabt! Der Funktionsumfang ist beachtlich und könnte Einsteiger (die nicht bereit sind, sich intensiv einzuarbeiten) schnell überfordern. Wenn man die fotografischen Grundlagen kennt und ambitioniert an die Sache herangeht, bietet einem diese Kamera tolle Möglichkeiten, auch in schwierigen Situationen noch gute Fotos zu machen.
Die Kamera macht bei ISO100 und oberhalb von 30mm (KB) Brennweite detailreiche und sauber aufgelöste Fotos. Im Weitwinkelbereich müssen Verzeichnungen herausgerechnet werden, was an den Rändern zu Unschärfe und "Matsch" führen kann. Höhere ISO-Werte steigern die Chance auf matschige Details. Die EXR-und Advanced-Modi können in Extremsituationen noch einiges herausholen. Eine perfekte Bildqualität sollte man dann jedoch nicht mehr erwarten. Für Ausbelichtungen reicht es aber allemal!
Wer eine aktuelle Bridgekamera mit überragendem Zoom sucht, kommt an der HS20EXR kaum vorbei. Sie hat ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis, daher von mir eine klare Kaufempfehlung!
Für die, die bis hierher durchgehalten haben, nochmal der Link zu meiner Testbild-Galerie:
Fuji Finepix HS20EXR bei Picasa
Ach ja: Und diese Kamera werde ich nun wirklich behalten!
Grüße,
Euer Icebear