"Fotografieren lernen heißt Sehen lernen"

    • Offizieller Beitrag

    Es gibt genügend Beiträge, die sich mit der Aufnahmetechnik, ihren Regeln und Fehlern oder mit der Bildbearbeitung befassen. Und wer in Foren liest, wird irgendwann "alles" darüber wissen.
    Ich möchte hier den Blick auf die Bildgestaltung lenken. Es heißt so schön: "Der Fotograf macht das Bild, nicht die Kamera."
    Was denkt sich also der Fotograf, wenn er ein Bild aufnimmt oder hinterher, wenn er ein Bild als besonders gelungen ansieht?
    Es geht also um Fragen wie
    - Motivwahl
    - Blickwinkel
    - Richtiger Ausschnitt
    - Reduzierung auf das Wesentliche
    - Bildaussage
    - Wirkung von grafischen Elementen (Flächen, Linien)
    - Wirkung von Farben
    - Wirkung von Schärfe und Unschärfe
    - Räumliche Wirkung
    - Beachtung des Lichts
    - Beziehung zwischen Vorder- und Hintergrund
    - Beziehung zwischen den Bildobjekten
    ...
    Ich wähle dieses Thema nicht, weil ich darin besonders gut wäre, sondern ich möchte im Gegenteil in dieser Richtung dazulernen und erwarte interessante Beiträge. Wer also meint, ihm sei ein Bild unter einem bestimmten Aspekt besonders gelungen (egal ob absichtlich oder zufällig), der könnte es anderen als Beispiel präsentieren zusammen mit seinen Überlegungen. Mein Vorschlag: Wer hier einen Beitrag einstellt, mag sich bitte (pro Beitrag) auf ein Thema/Stichwort als Überschrift beschränken und die Ausführungen anhand eines oder mehrerer Bildbeispiele belegen. Die Ausführungen sollten möglichst beim gewählten Thema bleiben, wenn man auch die verschiedenen Aspekte nicht unbedingt ganz auseinander halten kann.

    • Offizieller Beitrag

    Der Hintergrund bei einem Tierporträt




    Möven sind ein beliebtes Urlaubsmotiv, ich weiß nicht, wieviele ich schon aufgenommen habe. Diese ist mir besonders gelungen, und ich meine, es liegt am Hintergrund. Standard-Mövenbilder sind entweder Teleaufnahmen vor unscharfem Himmel oder Möve sitzend auf Boot/Rehling/Pfahl mit mehr oder weniger drumherum. Hier ist die Möve freigestellt durch Schärfe und das Fehlen anderer Objekte im Vordergrund. Trotzdem wirkt sie erst vor dem Hintergrund. Er zeigt die Weite ihres Lebensraums, und das aus Möven-Perspektive. Die Unschärfe ist so moderat, dass man die Landschaft noch betrachten kann. Das Auge wandert zwischen Tier und Küste hin und her. Der Wind sowohl in den Federn wie in der Gischt macht das Bild lebendig und schafft eine zusätzliche Verbindung zwischen Vorder- und Hintergrund.


  • Ich hab hier mal drei Vergleichsbilder für zwei Sachverhalte. Die sollen auf keinen Fall irgendwie "gut" sein oder einen guten Aufbau haben, sondern wurden wirklich nur auf die Schnelle zum Zeigen gemacht und das "Motiv" war zu dem Zeitpunkt halt gerade da. :)


    In erster Linie geht es um die perspektivische Wirkung verschiedener Brennweiten. Viele nutzen unterschiedliche Brennweiten ja nur, um einen Ausschnitt zu wählen, um (bei WW) genug aufs Bild zu bekommen, um (bei Tele) Dinge aus der Distanz ranholen zu können usw.
    Man sollte aber unbedingt auch mal damit experimentieren, wie verschiedene Brennweiten das gleiche Motiv unter Beibehaltung des Maßstabs ins Licht setzen. Dazu muss man natürlich je nach Brennweite den Standort ändern. Und nur der Standort, nicht die Brennweite, bestimmt die Perspektive.


    Hier also der gleiche Gegenstand annähernd im gleichen Maßstab mit drei Brennweiten:





    Man sieht deutlich, wie sich der Raum mit steigender Brennweite zusammenzieht, Tiefenwirkung verlorengeht und das Objekt viel enger mit der Umgebung zusammenrückt. Im Weitwinkelbereich bekommt das Hauptmotiv deutlich mehr Gewicht, während sich die "Wertigkeit" von Vorder- und Hintergrund im Telebereich immer mehr annähert.


    Außerdem kann man noch einen zweiten Sachverhalt erkennen, nämlich den, dass die Tiefenschärfe nicht (direkt) von der Brennweite, sondern nur von Blende und Abbildungsmaßstab abhängt.
    Die Blende und der Abbildungsmaßstab sind bei den drei Varianten annähernd konstant, und auch die Tiefenschärfe ist fast gleich geblieben, wie man ganz gut an der Unschärfe der Bäume und Autos im Hintergrund sehen kann.

    • Offizieller Beitrag

    Danke für diese ersten Beiträge!
    Tri-X: dass der Unterschied in der Wirkung so krass ist, war mir nicht bewusst. Hier geht es ja auch um das Verhältnis zwischen Vordergrund und Hintergrund, das sich durch die Wahl der Brennweite verändert.
    romerike berge:

    Zitat

    Warum muss man ein Bild erklären?


    Vielleicht habe ich mich ungenau ausgedrückt: Mir geht es weniger um die Erklärung eines Bilds als um die Wahl eines Themas der Bildgestaltung, das du anhand eines Bildes erläuterst. Deswegen auch die Bitte, ein Thema drüber zu schreiben. Bei dir könnte es vielleicht "Hervorheben eines Motivs durch Nässe" lauten. (?)

  • Zitat von "bertram"


    Tri-X: dass der Unterschied in der Wirkung so krass ist, war mir nicht bewusst.


    Und das waren nichtmal so große Brennweitensprünge. Auf KB bezogen etwa 24mm, 50mm und 85mm. Wenn man extremere WW- und Telebrennweiten benutzt, kann man den Effekt noch deutlich verstärken.

    • Offizieller Beitrag

    Schaut Euch einfach meinen Avatar an. Ohne ein 15 mm (äq.) - Objektiv kann man aus einer Kuh keinen Kopffüssler machen ;)

  • ungewöhnlicher Blickwinkel


    Hier: tiefe Kameraposition mit geringer Entfernung zum Motiv
    Nachdem ich ambitioniert eine ganze Reihe von Bildern mit der DSLR aus verschiedenen Positionen und Brennweiten etc. geschossen habe (mit den Ergebnissen jedoch nicht so recht zufrieden war), habe ich lustlos noch ein Bild in tiefer Position mit der Samsung S1050 im Supermakro-Modus (ab 1 cm Entfernung) gemacht. Und genau das ist mein persönliches Foto des Tages geworden. Das hat u.a. mit der Dungfliege zu tun, die sich sehr wirkungsvoll auf den Pilz gesetzt hat.


    Diese Position bringt hier Pilzgruppe und das Moos so zur Geltung, dass auf mich alles größer wirkt als es in Wirklichkeit ist.

    • Offizieller Beitrag

    Der Hingucker
    Es gibt immer wieder mal Bilder, die mir zwar gefallen, denen aber das i-Tüpfelchen fehlt, um sie vergrößert an die Wand zu hängen: ein Hingucker, neudeutsch "eye catcher". Bei diesen ist es mir gelungen:





    Wenn man so etwas bei der Aufnahme schafft, ist es ideal. Bei der Blüte hat der künstliche Wassertropfen mit kleiner Blendenöffnung für den Sterneffekt gesorgt, das Bild wäre ohne ihn nur halb so gut. Aber ich habe auch schon mal hinterher nachgeholfen, wenn es sich angeboten hat: Das bunte Segelboot habe ich aus einer anderen Aufnahme eingefügt.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    wenns gefällt...


    :)
    Der Segler kam ein paar Minuten nach der Aufnahme genau an der Stelle vorbei und ich hab ihn mit Tele aufgenommen. Für eine Gesamtaufnahme aber den entscheidenden Zeitpunkt verpasst (Objektivwechsel), der Vordergrund sollte ja auch passen. Das heißt, der "Schwindel" hält sich doch sehr in Grenzen.


  • auch wenn ich nicht unbedingt was sinnvolles beitragen kann, so möchte ich doch mal mitteilen, dass ich dieses Threadthema richtig gut finde.

    • Offizieller Beitrag

    Reduzierung auf das Wesentliche
    Durch Variation des Standorts und des Bildwinkels hab ich viel weggelassen.






    Irgendwo hab ich mal gelesen, der beste Kamera-Standort für ein Motiv liegt höchstens 1m von dir entfernt. Da ist was dran, auch wenn es mal 5m sein können. Deswegen bewege ich mich nach rechts oder links und variiere die Höhe der Kameraposition, um den besten Aufnahmestandort zu finden, und befreie das Motiv von unnötigem Drumherum.

    • Offizieller Beitrag

    Ich hoffe, man darf auch mal ohne eingestellte Bilder was zum Foto sagen...


    Mir fehlt etwas Platz nach rechts bei dem zweiten Bild.
    Gefällt mir bei deinem ersten Bild besser...