Zeig/diskutiere Dein Street-Bild

  • Arie: 2 sehr gelungene Aufnahmen!
    Ohne näher darauf eingehen zu wollen, sind die rechtlichen Aspekte je nach Land teilweise sehr unterschiedlich. In den USA gibt es beim Aufenthalt in öffentlichen (im Gegensatz zu privaten) Bereichen kaum relevante Einschränkungen, in Frankreich spielt der individuelle Aspekt einer Person die entscheidende Rolle: Gruppe ja, Einzelperson nein.


    @Claudia: die Spiegelung ist klasse, sie schafft Raum und gleichzeitig Diskretion. Das SW Bild hat eine sehr ansprechende Bildgestaltung, schöner Schatten!

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

  • Wie schon mehrfach bemerkt, hat das Thema offensichtlich verschiedene Facetten. Ich versuche mich mal mit einer kleinen Typologie. Da sehe ich


    1.) Alltagsszenen und Dokumentarisches: Bilder, die das Leben irgendwo zeigen, wie es halt ist. Ob exotisch oder next door, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Hauptzweck dieser Bilder ist die Darstellung von typischen Szenen: "So läuft das hier". Hierzu zählen meines Erachtens u.a. Bilder von Märkten oder Berufsausübung, von Veranstaltungen und Umzügen, vom Straßenbild (sic!) einer Gegend.


    2.) Architektur und auffällige Strukturen: das ist offenbar so eine Modewelle in der "Street-Fotografie": Rolltreppen oder Wendeltreppen mit ein oder mehreren Mennekes drauf, Linien aller Art, Schattenspiele, Silhouetten, gestreifte Röcke gehen über den Zebrastreifen usw.. Die Bilder erzählen nicht unbedingt eine Story, und sie weisen allenfalls zufällig auf einen besonderen Ort hin - ihr Zweck scheint mir eher eine bestimmte Ästhetik zu sein, ein Spiel mit Formen, Kontrasten und Abstraktion.


    3.) Typen und Gesichter aller Art: hierunter fallen für mich die indischen Yogis, Obdachlosen, Menschen mit irgendwie auffallenden Gesichtern, spontane Portraits, Sportler im Moment des Sieges oder der Niederlage, usw.. Die Aussage geht hier mehr in Richtung Darstellung eines individuellen Charakters oder auch Schicksals: Siehe, ein Mensch!


    4.) Der ganz besondere Moment: hierzu zähle ich besondere Begegnungen, Kontraste, Widersprüche, Witziges und Nachdenkliches - Momente eben, die es so nur einmal gibt. Das sind die Fotos, die entweder "funktionieren" oder eben nicht. Dazu zählen u.a. Plakate und Schilder die einer Situation eine unerwartete Bedeutung verleihen, skurrile oder einfach witzige Augenblicke, Bilder bei denen man sich Gedanken machen kann, auch solche bei denen Fragen offen bleiben (woher, wohin, warum dort, ...). Auch sozialkritische Bilder fallen oft in diese Kategorie.


    Weitere ?!?


    Für mich war "Street" bisher eher eng gefasst im Sinne von 4.), aber die Diskussion lehrt mich, dass man das wohl auch weniger eng sehen kann.

  • Zitat von "Subjektiv"

    Wie schon mehrfach bemerkt, hat das Thema offensichtlich verschiedene Facetten. Ich versuche mich mal mit einer kleinen Typologie. ...
    Weitere ?!? ...
    Für mich war "Street" bisher eher eng gefasst im Sinne von 4.), aber die Diskussion lehrt mich, dass man das wohl auch weniger eng sehen kann.


    Jetzt sind wir wieder bei der Theorie. :|


    Deinem Gesagtem kann ich mich sehr gut anschließen. Die von dir benannten Facetten, die du in unterschiedliche Typen aufteilst, sind meinem Verständnis nach eher die "Bühnendeko". Sie können zwar den menschlichen Akteur in verschiedenen Szenen zeigen, es geht aber vor allem um den Mensch, und primär weniger um die Szene, in der der Akteur auftritt.


    Es ging hier auch schon mal um Reisefotos, Exotik usw., was mMn leider etwas vom Thema abgelenkt hat. Du hast jetzt weitere "Typen" benannt, die mMn alle zutreffend sein können. Sicher gibt es noch viele andere. Wichtig ist aber (für mich), das diese "Bühnendeko" im Hintergrund bleibt, eine Szene allenfalls erklärt oder untermalt. Sie darf nicht im Vordergrund stehen und nicht Selbstzweck werden, sonst verlassen wir (nach meinem Verständnis) den Genre. Sie ist das Beiwerk. Ich habe auch schon den Begriff "Streetlife" gelesen, der der quasi synonym zu "Street Photography" verwendet wurde. "Leben im öffentlichen Raum". Die Bühnendeko ist die Darstellung des "öffentlichen Raumes", der Bildinhalt bezieht sich aber auf das Leben darin. Das Leben ohne ein passendes Bühnenbild kann aber durchaus schnell langweilig werden :pink: . Was ist ein Schauspieler auf einer leeren Bühne ;) ?


    Fotografieren ist für mich in erster Linie ein visuelles Memo, ganz persönlich, das ich auch nicht unbedingt weiterzeigen muss. Dazu gehört der Bereich "Street" ganz wesentlich, da man ja ständig die Wege anderer Menschen kreuzt. "Street" ist Teil meines Erlebens. Das beinhaltet aber auch eine gehörige Portion Voyeurismus, der aber völlig anonym ist. Ich möchte nämlich nicht wissen, was macht Herr X oder Frau Y, sondern ich möchte wissen, welche Facetten kann menschliches Dasein als solches beinhalten oder produzieren. Und die alles entscheidende Frage ist dann letztlich, wie platziere ich mich in diesem sozialen Konstrukt. Das bleibt dann dem Betrachter überlassen.

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

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  • Zitat von "aeirich"


    Jetzt sind wir wieder bei der Theorie. :|


    Ja, aber das macht ja auch Spaß :D . Oder geht es hier nur darum, ein paar Bilder einzustellen, und Du "bewertest" die dann ...? :ugly:


    Zitat von "aeirich"

    Die von dir benannten Facetten, die du in unterschiedliche Typen aufteilst, sind meinem Verständnis nach eher die "Bühnendeko". Sie können zwar den menschlichen Akteur in verschiedenen Szenen zeigen, es geht aber vor allem um den Mensch, und primär weniger um die Szene, in der der Akteur auftritt. ... Wichtig ist aber (für mich), das diese "Bühnendeko" im Hintergrund bleibt, eine Szene allenfalls erklärt oder untermalt. Sie darf nicht im Vordergrund stehen und nicht Selbstzweck werden, sonst verlassen wir (nach meinem Verständnis) den Genre. Sie ist das Beiwerk.


    Das ist jetzt nicht nur theoretisch, sondern philosophisch ... :roll: Ich stimme Dir ja zu: wenn ich Gesichter formatfüllend aufnehme, ist das eher Portrait als Street - trotzdem scheint es für einige (auch im Netz) zum Genre "Street" zu gehören. Warum Du ein Yellow-cab nahezu ohne menschliche Akteure dann noch unter Street einordnest, erschließt sich mir andererseits nicht. Auch Hochhäuser in Pfützen zeigen m.E. weniger den Menschen, sondern eher die Szene (wobei ich das Bild trotzdem prima finde - es geht mir hier nur ums Verständnis von Street). Umgekehrt wären dann Handwerker der klassische Fall von Street, zeigen sie doch primär den Menschen - vor dem Hintergrund einer Szene.


    So, damit es nicht zu "trocken" theoretisch bleibt, hier noch ein wenig Spielmasse (stör' Dich mal nicht zu sehr an der Exotik - das ist ein sehr subjektives Kriterium):

  • Subjektiv: :thumbup: , aber zum Universalbewerter von Streetbildern möchte ich hier sicher nicht aufsteigen :shock: , aber Spass beiseite, prima Bilder von dir.
    Die Plakate auf Bild 2 und 4 find ich toll. Bild 2 gefällt mir am besten, das sehr ähnliche Gangbild des Passanten und der Person auf dem Plakat, beide in gegensätzliche Richtung, das ist klasse!


    Sinn und Zweck dieses Threads waren letztlich auch Aspekte zur Technik und den Kriterien, die ein "gutes" Streetbild ausmacht. Wie kann man sich selbst verbessern?

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

    Einmal editiert, zuletzt von aeirich ()

  • Street ist für mich primär das spontane (mit der Kamera) reagieren auf eine zwischenmenschliche Situation.


    Das kann was charmantes sein (mündliches Einverständnis zur nichtkommerziellen Veröffentlichung eingeholt)



    oder auch mal was, naja, spezielleres.



    Die technische Bildqualität spielt da meiner Meinung nach weniger eine Rolle. Ich zücke meistens die Kompaktknipse, die ich immer und überall dabei habe. Die Kulisse sollte allerdings stimmen, z.B. das Fahrrad, das aus Bild 2 heraus fährt.


    Von besonderem Wert sind solche Fotos für mich nicht, dazu haben sie zu wenig (bzw. nichts) mit meinem Leben zu tun. Man nimmt sie halt mit wenn sie witzig sind. :)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von "manolo"

    Von besonderem Wert sind solche Fotos für mich nicht, dazu haben sie zu wenig (bzw. nichts) mit meinem Leben zu tun. Man nimmt sie halt mit wenn sie witzig sind. :)


    So viel Gold in zwei Sätzen. Mit meinem Leben haben Orte zu tun, Wahrnehmungen, Stadt. Die Passanten nehmen dabei die Rolle der Maßstabsfiguren ein, die man als Architekt in seine Pläne einzeichnet. Ich hab die in meinen Entwürfen immer auch mal 'seltsame' Sachen machen lassen und im gleichen Sinne freue ich mich über besondere menschliche Situationen. Im MIttelgrund steht für mich aber die Straße (der Raum, die Architektur, die Stadtlandschaft, das urmane Stilleben, das Detail, die Komposition, das Licht, der Schatten, die Farbe....), der Ort. Mein Ort.


    Ich erlebe immer wieder Tage, an denen ich mit dem erklärten Willen durch die Stadt laufe, jetzt ein paar klassischen Starßenfotos zu machen und ich komme ohne Auslösung nach Hause. Wenn es nichts mit meinem Leben zu tun hat, tu' ich mich einfach schwer. Klar, mit dem Reiz des Neuen wird's dann wieder einfacher aber sonst?

  • Zitat von "manolo"

    Street ist für mich primär das spontane (mit der Kamera) reagieren auf eine zwischenmenschliche Situation.
    Von besonderem Wert sind solche Fotos für mich nicht, dazu haben sie zu wenig (bzw. nichts) mit meinem Leben zu tun. Man nimmt sie halt mit wenn sie witzig sind. :)


    Auch eine Auffassung. Mir fehlt bei diesem Verständnis ein wenig die Abgrenzung zum puren Voyeurismus: warum soll ich andere Leute bei intimen Handlungen oder auf dem Klo fotografieren? Street hat wohl immer einen Aspekt von Voyeurismus, aber der sollte m.E. nicht der einzige Grund für ein Foto sein. Wenn die Situation wirklich besonders witzig, originell oder sonstwie bemerkenswert ist, dann kann ich Deinen Ansatz nachvollziehen. Oder wenn es die besondere Stimmung eines Ortes, einer Zeit oder einer Szene abbildet. Doch die reine "zwischenmenschliche Situation" - warum sollte die für Außenstehende von Interesse sein? Und muss es zwangsläufig "zwischenmenschlich" sein? Ein einzelner Mensch in einer Szene kann doch auch schon ganz spannend sein, oder? Da haben wir wohl unterschiedliche Auffassungen - was aber den Reiz des Strangs hier ausmacht.

  • Von einer kleinen Tour in Stuttgart. Üblicherweise nehme ich in Städte eher etwas weitwinkliges mit, heute war das Pana 45-150mm (allein) dabei. Ein Tele lässt einen mehr zum Beobachter werden, bei einen WW hingegen ist man selbst mehr in die Szene integriert, man ist "näher" (was man ja tatsächlich auch meist ist).

  • Da hab ich doch noch eins zum Diskutieren: ist das nun Street oder nicht? Gemäß der von aeirich oft zitierten Definition schon, denn es ist ja indirekt der Hinweis auf Menschen da (das Licht in den Fenstern). "Öffentlicher Raum" ist es dagegen nicht grade - ich hoffe ich habe den Abstand so reichlich gewählt, dass ich niemandes Privatsphäre verletze. Gemacht habe ich das Bild während einer Dienstreise - wobei mir der Kontrast zwischen mir (im Hotel und am Computer sitzend) und "denen" (zu Hause und den Feierabend genießend) so richtig deutlich wurde. Nein, es war kein Neid im Spiel, nur dieses Gefühl von ewig unterwegs sein. Also: Street, oder nur eine persönliche, fotografische Tagebuch-Notiz?

    • Offizieller Beitrag

    Ich bin Dir dankbar für dieses Bild, denn es beweist vor allem eines: dass Schubladendenken (uns/einen) auch nicht weiter bringt. Spontan würde das wohl kaum jemand als Streetfoto bezeichnen. Trotzdem passen die von aerich mehrfach zitierten Definitionen eigentlich. Viel spannender als dieses Korsett ist aber Deine Erklärung. Wobei es noch schöner wäre, wenn man diese Begleitumstände z.B. im Vordergrund sehen könnte oder wenn es eine kleine Bildserie wäre. Ich zeig nachher noch, was ich damit meine, OK?

  • Zitat von "Subjektiv"

    ... der von aeirich oft zitierten Definition schon ...


    Hoffentlich wurde ich da nicht als Erbsenzähler verstanden :mrgreen: Es geht mir nicht per se um die Zuordnung zu einer bestimmten Schublade, sondern ganz einfach um Bilder, die eine Aussage haben und gefallen, so wie den Meisten hier. Nur manchmal werfen wir mit Begriffen um uns und es können Missverständnisse entstehen, weil jeder eine etwas andere Vorstellung von diesen Begriffen hat. Wenn alle "dank einer Definition" unter einem Begriff das Gleiche verstehen, erleichtert das die Kommunikation... ;)


    Zum Bild von Subjektiv sehe ich das wie Stefan.

    lg, Achim

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    • Offizieller Beitrag

    @aerich: Ich schrieb ja extra 'zitiert' ;)


    Das ist mein Bild 'Work-Life-Balance' als Ergänzung zu meinem Kommentar zu Subjektiv:

  • Wenn ich für mich ein kleines Résumé zu diesem Thread ziehen darf, möchte ich sagen, dass sich meine Betrachtensweise etwas geändert und weiterentwickelt hat, worum ich natürlich dankbar bin.


    Aus einem "dont le sujet principal est une présence humaine, directe ou indirecte, dans des situations spontanées et dans des lieux publics" ist für mich persönlich, etwas abweichend, eher geworden ein "dont le sujet principal est la vie dans des situations spontanées ..". Aus der menschlichen Anwesenheit ist etwas abweichend davon "Leben" geworden, und ich habe mich etwas mehr zum genüsslichen, etwas aufmerksameren Betrachter verändert.


    Vielleicht hat sich in diesen Zusammenhang auch mein Fotografierverhalten entwickelt und ich würde doch eher mal zu einer etwas längeren Brennweite greifen. Mehrfach, und durchaus mit relativem Erstaunen, habe ich jedoch festgestellt, dass Streetbilder einem nicht fotografieinteressierten Publikum schwieriger zu vermitteln sind. Bekannte schauen sich gerne einfache Urlaubsbildchen an, aber Aufnahmen zu diesem Genre stoßen eher auf Ablehnung. Vielleicht greift dann doch zu sehr die subjektiv erlebte Alltagssituation im Sinne eines "Heimatfilms".

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

  • @aerich:


    Ein Urlaubsbild zeigt oft eine schöne Landschaft, exotische Städte, da können die meisten etwas damit anfangen. Zudem lässt es den Betrachter in gewisser Weise an deiner Reise teilnehmen (grad für Bekannte natürlich interessant) - selbst wenn das Ganze vielleicht unspektakulär fotografiert ist.
    Ein Streetbild muss dagegen einfach mehr bieten, damit es den (durchschnittlichen?) Betrachter anspricht, das muss schon wirklich eine Geschichte erzählen, eine Stimmung vermitteln.


    Dafür kann das gut gemachte Streetbild finde ich leichter etwas Neues werden, das man so noch nicht gesehen hat (etwa in der Landschaftsfotografie ist das ziemlich schwierig - den einsamen Baum oder den Sonnenuntergang hat man doch schon recht oft gesehen).


    Dazu kommt natürlich noch, dass viele "Bekannte" sich einfach wenig mit Fotografie auseinandersetzen und für sie mit einem Foto eher Dokumentation als Kunst assoziieren.