Knick in der Optik oder wie entsteht eigentlich eine Spiegelung?

  • Ich habe mal eine physikalische Frage ... das hat im Prinzip nicht unbedingt was mit fotografieren zu tun, passt aber doch insgesamt zur Thematik.


    Ich habe vor ein paar Wochen diese beiden Fotos aufgenommen




    Das Motiv ist ein Detail des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma.
    Inmitten eines Wasserbeckens befindet sich ein Dreieck auf dem frische Blumen liegen.
    Die Fotos sind ggf. etwas gerade gerückt, aber keinesfalls inhaltlich manipuliert, ich habe sie genau so aufgenommen.


    Ich habe diese Fotos im Prinzip wegen der Spiegelungen aufgenommen, aber wenn ich mir die Bilder jetzt angucke, dann stelle ich mir die Frage, wie es eigentlich dazu kommen kann, dass sich die Blüten im Wasser spiegeln?


    Speziell beim ersten Bild empfinde ich die Spiegelung als unnatürlich, da die Blumen mittig auf dem Stein liegen.


    Hat jemand des Rätsels Lösung und kann mir dies erklären?


    :?:

    • Offizieller Beitrag

    Hmm, ja, das sieht tatsächlich verblüffend aus. Da es nicht unserer Seherwartung / -gewohnheit entspricht, würde ich mal raten, dass hier keine 'Normal'-Brennweite zum Einsatz kam. Obwohl Du ja für mich ein bisschen eine Weitwinkelspezialistin bist, tippe ich hier auf ein Tele?!


    Letztlich eignet sich Dein zweites Foto als Erklärhilfe. In einer Spiegelung sehen wir mit der Regel Einfallswinkel = Ausfallswinkel. Wenn der Einfallswinkel sehr flach ist (Teleobjektiv, relativ ferner Standpunkt...), ist das auch der Ausfallswinkel und wir sehen viel von dem, was nur wenig oberhalb des Spiegels in Verlängerung der (gepiegelten) Sehlinie liegt.


    Und dann scheint mir da noch was anderes im Spiel zu sein. Läuft an diesem Stein das Wasser nach unten ab? Ich habe den Eindruck, die Wasserfläche ist leicht gewölbt. Ein leichter Linseneffekt. Kann das sein?

    • Offizieller Beitrag

    Ich hab dir das mal aufgezeichnet:



    Die Wasseroberfläche spiegelt die Lichtstrahlen. Dabei halten sich diese an das Reflexionsgesetz: Einfallswinkel = Reflexionswinkel.
    In der Zeichnung siehst du das Lichtbündel, das von einem Punkt P der Blume auf dem Umweg zur Wasseroberfläche anschließend ins Auge fällt. Für unser Auge scheint das Lichtbündel aber vom Punkt P' unterhalb des Steins zu kommen. Wegen des Reflexionsgesetzes ist dieses (virtuelle) Spiegelbild P' des Punktes P einfach das geometrische Spiegelbild, liegt also senkrecht gegenüber der Spiegelfläche im gleichen Abstand wie P. Würde der Stein in der Zeichnung weiter nach rechts reichen, so käme das gezeichnete Lichtbündel nicht bis zur Wasserfläche und du könntest demnach auch P' nicht sehen.

  • Obwohl Du ja für mich ein bisschen eine Weitwinkelspezialistin bist, tippe ich hier auf ein Tele?!


    ... Wenn der Einfallswinkel sehr flach ist (Teleobjektiv, relativ ferner Standpunkt...), ist das auch der Ausfallswinkel und wir sehen viel von dem, was nur wenig oberhalb des Spiegels in Verlängerung der (gepiegelten) Sehlinie liegt.


    ... Ich habe den Eindruck, die Wasserfläche ist leicht gewölbt. Ein leichter Linseneffekt. Kann das sein?

    Ja, beide Aufnahmen habe ich mit über 400mm (entsprechend KB) aufgenomen:
    Aufnahme 1: 432mm
    Aufnahme 2: 405mm


    Deine Erklärung klingt logisch ...


    Ja, am Rand scheint ein Überlauf zu sein ... aber eine gewölbte Wasserfläche dürfte da eigentlich nicht sein, das Wasser fließt - wenn überhaupt - ganz langsam ab ... es ist im Prinzip ein stehendes Gewässer ... diesen Effekt würde ich ausschließen.

    • Offizieller Beitrag

    Stefans Überlegung mit dem flachen Winkel ist schon auch richtig: Das Tele täuscht eine Nähe vor, die nicht vorhanden ist. Man meint also, steiler auf die Wasseroberfläche zu schauen als es der Fall war. Wenn du ohne Tele so nah ran gehst, dass der Stein den gleichen Bildwinkel einnimmt wie auf dem Bild, dann könntest du das Spiegelbild bestimmt nicht sehen.

  • Vielen Dank für diese sehr anschauliche Erklärung!


    Das deckt sich mit meiner Erfahrung, dass man umso mehr von einer Spiegelung aufs Foto bekommt, je dichter man der Wasserfläche ist. :smile:;)


    Liebe Claudia,
    hier kann ich mir doch die Bemerkung nicht verkneifen, dass ich die Zeichnung von Bertram in der Mittelstufe im Physikunterricht das erste Mal gehört/gesehen zu haben scheine .... Aber meine Klassenkameradinnen hassten Physik, dabei kann ein bißchen Physik manchmal so nützlich sein



    In einem anderen Punkt sind Frauen den Männern über: Sie machen die "gelungeneren" Bildkompositionen !!!


    Deine Bilder gehören - nach meiner Meinung - zu den besonders gut gelungenen !!

    Olympus TG4
    Olympus OM-D E-M5 Mark II, E-M1.1, Oly f=4-5,6/9-18, Oly f=2,8/12-40, Pana 2,8/35-100, Pana 4-6,3/100-400,
    verschiedene ältere Metz-Blitzgeräte,
    Manfrotto-Stativ mit Manfrotto Neiger

  • @ Thomy: Du solltest schnell nen Brief an das Nobelpreiskommitee betreffs Aberkennung des Preises von Marie Curie schreiben. Sie kann gar keine Physikerin sein, sie ist eine Frau. Und meine ehemalige Physiklehrerin muss seinerzeit auch geschummelt haben... :pink::duck:

    Es gibt ja nicht nur gute Fotograf-INNEN, ebenso wenig nur und aussschließlich gute Physiker ;)
    Naja, und das mit der Physik - ich kenne da auch einige Männer mit Hilfebedarf ....


    Nur in meiner Schulklasse (12 Mitschüler-INNEN) war keine. Das war halt keine repräsentative Stichprobe. :(


    Oder etwas allgemeiner: Keine Regel ohne Ausnahme :)

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