Olympus E-420 Erfahrungsbericht

  • Ihr Lieben,
    eine der preiswertesten Möglichkeiten zum Erwerb einer nahezu kompletten DSLR-Erstausstattung stellt bekanntlich die Olympus E-420 im Doppelzoomkit dar. Grundsätzlich als Einsteigermodell in das von Olympus konsequent gepflegte Four/Thirds-System positioniert, ist die Kamera - genauso wie ihre Vorgänger E-400 und E-410 - aber noch mehr: sie ist die kleinste und leichteste DSLR auf dem Markt, die einzige, die auf einen ausgeformten Handgriff verzichtet und somit die einzige SLR des digitalen Zeitalters, die optisch und taktil den Charme einer analogen Kamera der 70er Jahre versprüht. Bestückt mit dem 25er Pancake (entspricht dank Cropfaktor 2 der klassischen Standardbrennweite) verschwindet die E-420 locker in einer Jackentasche und wird so zur anspruchsvollen Immerdabei. Leider ist die E-420 aber auch so ziemlich die einzige aktuelle DSLR, die ohne Bildstabilisierung auskommen muss.


    Ungewöhnlich für eine Einsteigerkamera ist dabei der Funktionsumfang. Die Einstell-, Feinjustier- und Personalisierungsmöglichkeiten sind exzessiv und bei manch anderem Hersteller selbst in der Semipro-Klasse nicht in dieser Form vorhanden. Schade, dass die immerhin gedruckte Anleitung dem weniger versierten User wenig Hilfestellung bei der Konfiguration bietet.


    Äußerlich sind nur geringe Unterschiede zur E-410 auszumachen: das Display ist auf 2,7" angewachsen und weist bei ausgeschalteter Hintergrundbeleuchtung einen silbrigen Glanz auf, lässt sich in diesem Zustand aber immer noch ablesen. Zur Helligkeitsregulierung kam sogar eine Farbkalibrierung hinzu! Die Beschriftungen auf dem Gehäuse sind nun blau statt grün, was Menschen mit Rot/Grün - Sehschwäche helfen soll. Die rückwärtigen Tasten sind schwarz statt silbrig, die linke Pfeiltaste bekam eine "Fn" - Markierung spendiert. An der Kamerafront befindet sich ein ausgearbeiteter Gummiwulst, der die Griffigkeit zwar geringfügig erhöht, meiner Meinung nach aber etwas aufgesetzt wirkt. Mehr Platz für den Akku gibt’s dadurch nicht. Der verwendete BLS-1 mit 720 ma. glänzt nicht gerade mit Ausdauer.


    Mehr Unterschiede treten bei den inneren Werten zu Tage. Die Menüstruktur wurde derjenigen der E-3 angepasst, insgesamt 6 Reiter sind nun allein für die Custom-Funktionen zuständig!
    Die E420 unterstützt jetzt die drahtlose Steuerung systemkompatibler Blitzgeräte.
    Im Lifeview-Modus kam ein Kontrast-AF mit 11 wählbaren Messfeldern hinzu, der bislang aber nur mit den beiden Kitobjektiven und dem Pancake funktioniert. Ich muss zugeben, dass ich nicht auf dem aktuellen Stand bin, was Firmwareupdates anderer Zuiko's zur Adaption an den Kontrast-AF betrifft. Alternativ kann aber - dann mit Spiegelgeklapper - der übliche Phasenvergleich-AF genutzt werden bzw. ein Hybrid-AF, der zuerst ohne Dunkelphase auf dem Sensor scharfstellt und unmittelbar vor der Belichtung per Phasendetektion den Feinschliff erledigt.
    Im Lifeview steht nun auch die bei Kompaktknipsen obligatorische - halt! Mir fällt gerade die EOS 5D mk. II ein - Face-Detection zur Verfügung. Wer's braucht...


    Wesentlich sinnvoller sind da schon die einblendbaren Gitterlinien, Histogrammvarianten und die kleinen Vorschaubilder, die unterschiedliche Einstellungen wie Weißabgleich vor der Aufnahme simulieren. Das animiert dazu, fluffig an allen Reglern zu drehen.


    Der aber bedeutendste Unterschied zur E-410 liegt im Sensor. Der neue Life-Mos von Panasonic sitzt hinter einem stärkeren AA-Filter und wurde augenscheinlich auch in der Auslesung modifiziert. Was der E-420 etwas abgeht - selbst bei hochgeregelter interner Schärfe - ist die crispe Knackigkeit der Aufnahmen einer E-410, vorausgesetzt, bei dieser wurde die exzessive Rauschunterdrückung inklusive ! der internen Nachschärfung heruntergeregelt.


    Dafür wirken die Bilder der E-420 insgesamt weicher, nachbearbeitungsfreundlicher und sanfter im "roll-off". Die Auflösung ist quasi gleich geblieben, der (nach wie vor) schwache Dynamikumfang wurde jedoch dezent erhöht und clipping tritt weniger abrupt auf. Ebenso sorgt der dickere AA-Filter für etwas besseres Rauschverhalten.
    Manche E-410 (und E-510) User schwören auf die etwas härtere Bilddarstellung ihrer Kameras. Zu bedenken ist jedoch, dass die E-410 deutliche Eingriffe in die Bildparameter erfordert - die bei ISO 100 vorteilhaft ausgeschaltete Rauschunterdrückung z.B. sollte oberhalb ISO 400 tunlichst etwas höher geregelt werden. Die E-420 dagegen schüttelt quasi aus dem Ärmel gute Bilder/Jpegs, die selbst durch einen sorgfältigen RAW-Workflow kaum zu toppen sind. Unterstützt wird sie dabei von einer weiteren Neuerung: SAT, der automatischen Kontrastanpassung, die im Aufnahmemenü unter "Gradation Auto" per default eingeschaltet ist. Und bei höheren ISO oberhalb 400 besser ausgeschaltet wird... (deutliche Zunahme von Rauschen durch nachträgliche Schattenaufhellung)


    Nach wie vor klein ist der Sucher, ungewöhnlich (und suboptimal) die rechtsseitige Anzeige, spartanisch die zu entdeckenden AF-Messfelder - es sind 3, das mittlere davon ein Kreuzsensor. Objektverfolgung bei Hochformataufnahmen? Fehlanzeige - aber Sport ist sicher nicht die Paradedisziplin einer Taschen-Oly.


    Ein Traum ist die Bedienung. Das fehlen dezidierter Direktzugriffstasten wird gar nicht bemerkt. Nahezu alle - auch exotische Parameter - lassen sich mit 2, 3 Tastendrücken direkt vom brillanten Info-Screen aus anpassen. Das ist konsistent, konsequent, logisch, schnell und bequem. So sehr, dass Z.B. Nikon und Sony dieses Bedienungskonzept mittlerweile kopieren
    Ein Ärgernis dagegen die Fn-Tastenfunktion. Will man den manuellen Weißabgleich per Graukarte vornehmen, so muss zuerst die Fn-Taste hierzu programmiert sein. Dann aber hat man keine Schärfentiefenvorschau, die sonst live auf dem Display oder wahlweise im Sucher zu kontrollieren ist. Warum gibts keinen anderen Weg (per Auslöser?), den manuellen Weißabgleich vorzunehmen??
    Mit angenehmer Rückmeldung und satten Klicks funktionieren dafür das Modusrad und das rückwärtige Einstellrad, beide neuerdings mit einer Diamant-Struktur.


    Da sämtliche technischen Daten überall im Netz zu finden sind, beschränke ich mich auf etwas Praxis.
    Verarbeitung und Haptik der Kamera liegen auf oberem Klassen-Niveau. Die Güte des (knarzfreien) Kunststoffs, die beflockte Oberfläche, die echte Gummierung von Vorder- und Rückseite des Bodys lassen Konkurrenzprodukte von Sony oder Canon etwas beschämt in der Ecke stehen. Und auch die beiden Kitobjektive haben Hochwertigkeit abbekommen: sie glänzen mit feststehenden Frontlinsen, breiten Fokusringen (freilich elektronisch) und beigelegten Gegenlichtblenden.
    Allerdings gehört das Kit-Tele (4,0-5,6 40-150mm) zwar zu den leichtesten seiner Art, ist aber leider ziemlich zerbrechlich und wirkt alles andere als solide. Wer mit einer Oly-DSLR fotografiert, hat immer den etwas begrenzten Dynamikumfang im Kopf, ganz gleich ob berechtigt oder nicht. Wie auch immer, auch andere Kameras mit weitaus größerem Sensor sollten eher auf die Lichter belichten. Die E-420 belichtet grundsätzlich etwas knapp, dennoch könnte eine leichte Minus-Korrektur von 1/3 Blende fast Standard sein. Aber nur fast - denn Situationen mit selbst leichtem Gegenlicht erfordern ein Gegensteuern, um nicht in farbvernichtender Dunkelheit zu versaufen. Gefühlt bin ich der Ansicht, dass die Olympus-Mehrfeldmessung nicht zu den Belichtungssichersten zählt. Kein Vergleich zumindest mit der relativen Problemlosigkeit bei Nikon.
    Ein sehr angenehmes Feature ist die schaltbare AE-L-Taste, die sich mit der Option "Spot Hi" belegen lässt, und mit der man blitzschnell auf die Lichter messen kann.


    Die E-420 gehört zu den DSLR's, mit denen Lifeview Spaß macht und praktisch auch ohne Stativ nutzbar ist. Ein Quell der Freude hierbei ist unter anderem der Schwarz-Weiß-Modus mit simulierten Kontrastfiltern. So unsinnig eine manuelle Scharfstellung mit dem Sucher erscheint, so präzise ist sie auf dem Display mit verschiebbarer 10x-Lupe möglich. Die Auslöseverzögerung bei Kontrast-AF ist in der Praxis weit weniger störend, wie sie sich liest. Natürlich sollte man bei bewegten Motiven jedoch die konventionelle Methode per (dioptienkorrigierbarem) Sucher bevorzugen.


    Zu den hochklassigen Features der E-420 zählen feinst abstimmbare Weißabgleichsfunktionen, einstellbare Spiegelvorauslösung, 2 komplette und auswählbare Einstellungs-Sets und das eingangs schon genannte Custom-Menü, das jeden Nerd mit Freude erfüllt!
    Selbst die Kompressionsstufen der unterschiedlichen Jpeg-Größen lassen sich auswählen, das Verhalten fast jeder Funktion / jedes Bedienungselements lässt sich umkehren.


    Fazit: Die Olympus E-420 ist nicht nur eine ernsthafte Alternative für Bridge- und Micro-FT-Kameras, sondern schlichtweg eine ernsthafte und vielseitige Spiegelreflexkamera. ;)
    manolo