Thomas Leuthard schmeißt hin!

  • Fein. Erst werde ich darüber belehrt, dass ich keine Ahnung vom Fotografieren habe und nur die blank polierte Oberfläche wahrnehme, dann werde ich darüber aufgeklärt, dass ich Fotos konsumiere wie ein McDonalds Kunde, der einfach alles frisst, was ihm vorgelegt wird.

    Eben. Wobei ich das, was VisualPursuit sagen will, aber sogar im Grundsatz nachvollziehen kann. Um ein anderes Beispiel zu nutzen: Als Schlagzeuger nehme ich das "Getrommel" anderer natürlich anders war als jemand, der nie selbst gespielt hat. Ich weiß, was Sechzehntel sind, ich weiß, was Triolen sind und ich weiß, was z.B. Jeff Porcaro bei "Rosanna" geleistet hat. Wobei es durchaus auch Sachen gibt, bei denen ich nicht mehr weiß, was da abgeht.
    Das Gesagte zur professionellen Sichtweise gilt natürlich für alle Bereiche - ein Maurer sieht eine Wand anders als ein Buchhalter.


    Aber VisualPursuit macht in meinen Augen zwei (recht große) Fehler:
    1. Dass er DICH als Beispiel für den "Laien" gewählt und angesprochen hat. Denn du bist nun gerade nicht jemand vom Typ "knips und weg".
    2. Ich halte die professionelle Sichtweise auf Werke grundsätzlich (auch) für problematisch. Das ist das, was ich mit meiner Antwort oben ausdrücken wollte. Das Ziel eines Fotos ist das Publikum. Wenn es dem gefällt, dann IST es gut. Es spielt keine Rolle, wie raffiniert er Blitze eingesetzt hat oder ob die Beleuchtung ausschließlich natürlichen Ursprungs war. Ich selbst habe lange gebraucht, um das für mich im Bereich Musik/Musikgeschmack zu realisieren. D. h., auch wenn der Interpret Dieter Bohlen heißen sollte und er die Gabe hat, etwas bei den Hörern auszulösen, dann ist es GUT. Zugegebenermaßen ist das so ziemlich das andere Extrem zur Sichtweise VisualPursuits und nicht jedem unbedingt unmittelbar sympathisch. Und zuweilen habe ich auch selbst Probleme mit dieser Betrachtungsweise.
    Daher lautet für mich die wichtigste Regel zum Bewerten eines Fotos: der erste Eindruck isses, dann lange nichts, dann vielleicht ein bisschen drüber nachdenken. Aber nicht unbedingt und nicht zu viel. Wobei es natürlich verschiedene Kategorien von Fotos gibt - für "bedeutungschwangere" Fotos kann das natürlich nicht gelten.


    edit: @VisualPursuit ich sehe gerade, in deinen letzten Beiträgen siehst du nun deine Sichtweise nicht mehr als unbedingt "überlegen" an. Von daher relativiert sich meine Aussage zu Punkt 2 natürlich deutlich.

  • ...
    Bin gespannt, was noch kommt. Immerhin ist das doch eine ganz amüsante Diskussion. Ich habe Humor und ein dickes Fell - also lasst Euch nicht stören. :mrgreen: ...


    Humor und dickes Fell sind doch "musthave" hier ;)


    Hat sich zu einem interessanten thread entwickelt :thumbup:


    Zum Spinnenbild sage ich aus meiner ganz anderen naturnahen Perspektive und in weitgehender Übereinstimmung mit ghooostys
    Beschreibung zur Straßenfotografie daß ich es überhaupt nicht besonders finde. Die Idee Spinne auf Asphalt finde ich grundsätzlich nicht schlecht. Aber in situ hätte ich persönlich wohl auf ein Bild verzichtet sofern sich mit einem Einbezug
    der Umgebung nicht noch weitere gestalterische Elemente ergeben hätten.

  • D. h., auch wenn der Interpret Dieter Bohlen heißen sollte und er die Gabe hat, etwas bei den Hörern auszulösen, dann ist es GUT.

    Das Prädikat "Gut" bedarf einer strikten Kategorisierung seiner selbst.
    Ich möchte daher dein konkretes Beispiel korrigieren.
    Es wird massenhaft vom anspruchslosen Publikum konsumiert.
    Denke an den Spruch mit der Sch**e und den millionen Fliegen.
    Es ist kein ganz neues Phänomen, dass Verfügbarkeit im Überfluss zur Degeneration Fähigkeiten des Empfindens von Feinsinnigem führt.
    Gilt eben so für die Gastronomie, für die Musik, die Literatur, den Journalismus (bestes Beispiel: die unzähligen Blogs)

  • Als Schlagzeuger nehme ich das "Getrommel" anderer natürlich anders war als jemand, der nie selbst gespielt hat.
    Ich weiß, was Sechzehntel sind, ich weiß, was Triolen sind und ich weiß, was z.B. Jeff Porcaro bei "Rosanna" geleistet hat.


    Na guck, da nähern wir uns doch an. Für jemand anders ist das banal,
    denn irgendwie wird da ja auch getrommelt.


    Nichts anderes habe ich gesagt.


    Die Ausgangsfrage war wie man nach kurzer Durchsicht eines Portfolios
    zu einem Urteil gelangen könne.


    Genau so eben. Man verfügt über mehr Wissen zu Hintergründen, Techniken,
    kultureller Vorgänger.



    1. Dass er DICH als Beispiel für den "Laien" gewählt und angesprochen hat. Denn du bist nun gerade nicht jemand vom Typ "knips und weg".


    Ich hab ihn nicht konkret ausgewählt, er hat selbst gesagt daß ihm manche Bilder
    banal vorkommen. Mein Ansatz war dann zu vermitteln daß gefühlte Banalität
    keineswegs tatsächlich banal sein muss.


    Der sonnige Eindruck im Bild mit den drei Jungs in der Schänke spiegelt die
    Leichtigkeit des Augenblicks wider. Es transportiert genau die Stimmung die
    man dem potentiellen Gast als Anreiz den Laden zu besuchen zeigen möchte.


    Und es ist banal, weil es Sehgewohnheiten bedient, ohne Brüche oder Kanten
    Vertrautheit und Geborgenheit schafft. Banal aus Sicht des Betrachters.
    Hochprofessionelle Arbeit jedoch in der Herstellung, deren Komplexität dem
    Laien verborgen bleibt.



    Das Ziel eines Fotos ist das Publikum. Wenn es dem gefällt, dann IST es gut.


    Das ignoriert daß das Publikum keine graue, einförmige Masse ist.
    Auch ich bin als Betrachter Teil des Publikums.



    Es spielt keine Rolle, wie raffiniert er Blitze eingesetzt hat oder ob die Beleuchtung
    ausschließlich natürlichen Ursprungs war.


    Doch - die spielt es in dem Moment in dem ein Kunde auswählen muss welchen
    Fotografen er bucht. Der eine kann die gewünschte Stimmung transportieren,
    der andere nicht.



    Ich selbst habe lange gebraucht, um das für mich im Bereich Musik/Musikgeschmack zu realisieren.
    D. h., auch wenn der Interpret Dieter Bohlen heißen sollte und er die Gabe hat, etwas bei den
    Hörern auszulösen, dann ist es GUT.


    Und wenn Titten zu sehen sind steht in der Model-Kartei in Kommentaren drunter
    "Tolle Idee, gut umgesetzt". Das wäre dann auch GUT. oder?



    edit: @VisualPursuit ich sehe gerade, in deinen letzten Beiträgen siehst du nun deine Sichtweise nicht mehr als unbedingt "überlegen" an.


    Habe ich im ganzen Thread noch nie so gesehen, deswegen gebe ich mir penetrant
    soviel Mühe zu betonen daß die Rezeption ANDERS und nicht BESSER ist.


    Ich hab ja auch nicht geschrieben daß Subjektiv keine Ahnung hat,
    die Formulierung ist bewußt daß wir andere Sprachen sprechen.

  • Anstatt reflexhaft zu beißen, würde ich das zu meinen Argumenten Gesagte mal durchdenken.

    Leute, ich hab das mit dem Humor schon so gemeint wie geschrieben, und nein: ich bin nicht beleidigt. Ich beiße auch nicht, ich schnappe nur ein bisschen zurück - will halt auch nur spielen. Ich denke, ich hab VisualPersuit in der Sache auch ganz gut verstanden, auch wenn ich seine Vergleiche stellenweise ein wenig "gewagt" finde. Aber wenn ich "austeile" (und das habe ich :twisted: ), muss ich auch einstecken können. Jedenfalls: mir geht es gut dabei, ich hoffe den anderen Beteiligten auch.


    Ich hab ihn nicht konkret ausgewählt, er hat selbst gesagt daß ihm manche Bilder
    banal vorkommen.

    Lass mal, das stimmt schon, ich habe mich an der Stelle (gerne) eingemischt. Außerdem bin ich tatsächlich kein Profi, nicht mal ambitionierter Amateur, sondern knipse in meiner kargen Freizeit aus Spaß an der Freud, weil mein Beruf eher weniger kreativ angelegt ist. Insofern bin ich vielleicht für diese Diskussion auch ein geeigneter Gegenpol zu Profis und engagierten Amateuren. (O.k., wenn Amateur "Liebhaber" bedeutet, zähle ich mich auch dazu ;) .)


    Und inhaltlich - ganz unabhängig von T.L. - eine ganz interessante Debatte, find ich. Es geht um die schwierige Frage, wie in der Kunst (hier: Fotografie) die Spreu vom Weizen zu trennen ist, wie sich Bewertungskriterien und Geschmäcker in einer Gruppe (= Forum?) herausbilden, um unterschiedliche Herangehensweisen an ein Kunstwerk. Finde ich angenehm zweckfrei und echt spannend.


    Nur weiter ... ! :winke:

  • Der Umgang mit unterschiedlicher Rezeption kann auch ganz schön frustrierend sein.


    Man legt etwas auf den Tisch von dem man voll und ganz überzeugt ist und
    bekommt "kann ich auch" zu hören, oder "beeindruckt mich nicht".


    Es braucht einiges an Nervenstärke bis man versteht daß sie es a) nicht könnten
    wenn es darauf ankäme aber b) nicht wissen daß sie es nicht können, und daß
    c) der Verzicht auf billige Reize gerade mit einem Kompliment belohnt wurde.


    Ich hatte mal einen Anruf von einem Kunden, der eine Blitzanlage mieten wollte,
    und fragte ob ich ihn kurz einweisen könnte. Klar, kann ich.


    Von Stative ausklappen über Softbox zusammenstecken, Bedeutung aller Knöpfe
    und Tasten bis hin zu grundsätzlichen Sets bekam er in satt zweieinhalb
    Stunden einen Grundkurs verpasst - der hatte noch nie zuvor einen Studioblitz
    angefasst.


    Dann Lieferschein geschrieben, Geräte übergeben, Rückgabe abgesprochen......
    Er bedankte sich sehr herzlich für die wirklich hilfreiche Einweisung und für
    meine Zeit. Und als er in's Auto stieg sagte er noch über die Schulter
    "Da kann ich ja heute abend beruhigt den Studiokurs bei <$Fotohändler> geben."


    Uff. Salto rückwärts.


    Der Workshop war ausgebucht.

  • ja, so platt wie ich es formuliert habe, ist eine solche Antwort richtig und legitim. Aber: auch bei der besten denkbaren Förderung und Sensibilisierung wird kaum aus jedem Dieter-Bohlen-Fan über Nacht ein Free Jazz Liebhaber werden können.




    OK, ich verstehe jetzt einen weiteren Gesichtspunkt deiner Aussage, die ich vorher so nicht erfasst hatte: Angenommen, es gibt zwei ähnliche Fotos der Kneipenszene, das eine ist das mit dem Blitz - ein zweites wäre entstanden mittels natürlicher Belichtung durch die Sonne an der Stelle. Dann würde ich zum Ergebnis kommen, beide finde ich gleich gut - du würdest nicht nur das Foto, sondern durch Erkennen der Entstehung auch gleichzeitig das POTENTIAL der involvierten Fotografen bewerten, möglicherweise mehr als die Fotos selbst.

  • Dann würde ich zum Ergebnis kommen, beide finde ich gleich gut - du würdest nicht nur das Foto,
    sondern durch Erkennen der Entstehung auch gleichzeitig das POTENTIAL der involvierten Fotografen
    bewerten, möglicherweise mehr als die Fotos selbst.

    Ja, genau.


    Es wird noch diffiziler weil gar nicht gewünscht ist daß ein "normal verständiger Betrachter"
    hinter die Fassade blickt. Dem soll vermittelt werden "Komm zu uns und trink einen Wein,
    ist total gemütlich hier".


    Der Laden fühlt sich tatsächlich hell und freundlich an, aber durch den Helligkeitskontrast
    zwischen drinnen und draussen bei gleichzeitig eher kleinen Fenstern ist das fotografisch
    genau andersherum. Die Aufgabe war nun die Wohlfühlstimmung zu transportieren, nicht
    den Betrachtern zu vermitteln daß ich ein toller Fotograf bin.


    Ein unter professionellen Gesichtspunkten herausragendes Foto muss für den Normalbetrachter
    banal sein. Die Bewunderung für die Leistung des Fotografen darf davon nicht ablenken.

  • Ich denke mal, dass mit den zwei unterschiedlichen Sprachen zwei Unterschiedliche Herangehensweisen gemeint sind.
    Auf der einen Seite geht es wohl eher um die Handwerkskunst, die als bezahlter Fotograf nun mal essenziell ist, da man sonst Probleme hat seine Kunden für die eigene Arbeit zu begeistern.


    Auf der anderen Seite geht es wohl eher darum, Kunst zu schaffen. Wobei letzteres so ein ganz eigenes Thema ist, zu dem wohl so ziemlich jeder seine ganz eigenen Vorstellungen hat und die Mehrheit der meist selbst ernannten Künstler ohnhin daran scheitert.

  • Natürlich nicht, es ging mir um deine Bildbeispiele und die "Banalität". Man sieht den Bildern nicht die handwerkliche Kunst an, unter anderem daher wirken sie banal. Allerdings sollte Kunst nach meinem Verständnis nicht banal sein.

  • Man sieht den Bildern nicht die handwerkliche Kunst an, unter anderem daher wirken sie banal.


    Das ist tatsächlich mein größtes Problem. Ich bin daher in letzter Zeit dazu übergegangen
    immer wieder auch "Normalverbraucherfotos" zum Vergleich zu schiessen.


    Der Idealzustand ist natürlich wenn noch weitere Fotografen am gleichen Set
    arbeiten und der Kunde die Bilder von allen zu sehen bekommt.


    Am Samstag hat mir die Assistentin der Geschäftsleitung eines sehr guten
    Kunden gesagt daß sie gehalten ist meinen Urlaub im Kalender der Geschäftsleitung
    einzutragen, damit nicht versehentlich große Dinge gestartet werden ohne daß ich
    verfügbar bin. "Wenn Du nicht verfügbar bist, dann buchen wir keinen Fotografen.
    Der Chef hat gesagt er gibt kein Geld aus wenn er nicht weiss daß es funktioniert".


    So was geht natürlich ein wie Öl.


    Das ist allerdings auch ein Kunde mit einem hochprofessionellen Team.
    Die können "Bilder lesen" und sie haben oft verglichen.



    Allerdings sollte Kunst nach meinem Verständnis nicht banal sein.


    Sagst Du so. Die Banale Grande aus den Bechers und ihren Epigonen erhebt die
    Banalität zur Kunst.

  • Ich liebe solche Sätze - ich verstehe sie nicht, aber ich liebe sie :mrgreen:

    Das ist viel schlichter als Du glaubst.


    Der Blitz ist auf eine manuelle Teil-Leistungsstufe von 1/128 seiner maximalen Leistung eingestellt.
    Das heisst er blitzt immer mit der gleichen Leistung, und das was ich eingestellt habe ist sehr wenig.
    Es reicht aber, weil ich eine sehr hohe Sensorempfindlichkeit eingestellt habe, und der Blitz sehr nah
    am Motiv ist. Auf dem Blitz ist dann ein Folienfilter #207 der Firma Lee befestigt. Dieser vereinigt
    die Funktion eines Full CTO-Filters mit der Funktion eines ND-Filters. Das CTO in Full CTO steht für
    Color Transition Orange. Der Filter konvertiert die Lichtfarbe des Blitzes also von Tageslicht auf rund
    3200 Kelvin - das entspricht der Lichtfarbe gewöhnlicher Halogenlampen. ND steht für "Neutral density"
    = Neutraldichte. Ein zusäzlicher Grau-Anteil, der das Licht noch eine Blende weiter reduziert.


    Die Lampen im Raum werden mit 20W MR16 Halogenbrennern befeuert. Das Blitzlicht passt mit
    dem Filter farblich zum Halogenlicht, es gibt also keine Diskrepanz zwischen Raumlichtfarbe und
    Blitzlichtfarbe.


    Du siehst, sprechenden Menschen wird geholfen. Wenn noch irgendetwas unklar geblieben ist frag nach.
    Es gibt keine dummen Fragen, ich werde gern antworten.