Bild oder Fotografie?

  • Ich denke, dass man die Bildbearbeitung nicht von der digitalen Fotografie trennen kann - sonst wären schon S/W-Bilder ein unerlaubtes Stilmittel. Aus meiner Sicht wird es tricky wenn Montagen dazukommen, also Elemente zu sehen sind, die mit dem "Foto" nicht's zu tun haben. Nicht dass auch diese Bilder ihre Daseinsberechtigung hätten, aber in meinen Augen sind das eben keine Foto's mehr.

    Yakumo Mega-Image 34 - Konica Minolta Dimage A200 - Konica Minolta Dynax 5D - Canon PowerShot G3 X

    • Offizieller Beitrag

    @Ponti: Daher meine Grenzziehung auf 'Lightroom-Ebene'. Wobei die Frage von Frank ja eher dahin ging, ob und warum es eine solche Grenze überhaupt braucht und wofür sie von Bedeutung ist.


    Ich erlaube mir mal einen schnellen Exkurs: Ich zeichne auch. Nicht so oft wie ich fotografiere aber immerhin. Beim Zeichnen besteht ein wesentliches Stilmittel im Weglassen. Man muss weglassen, sonst wird man nicht fertig. Und sieht nichts mehr. Trotzdem, nein: gerade deshalb sind diese Bilder authentisch. Dokumentarisch. Um ein griffiges Beispiel zu nennen ohne jetzt irgend ein Gekritzel von mir zu zeigen, denkt einfach an Zeichnungen aus Gerichtssälen.


    Das Verändern von Bildinhalten muss den dokumentarischen Charakter eines Bildes nicht untergraben. Es setzt jedoch etwas voraus, was uns gesellschaftlich gerade zwischen den Fingern zu zerrinnen scheint: Den Konsens darüber, was Tatsachen sind. Und wichtiger noch: Das Vertrauen in die Aufrichtigkeit desjenigen, der ein Bild ausarbeitet und zeigt. Und natürlich kommen uns diese Fundamente nicht ohne Grund abhanden.


    Für mich versteckt sich irgendwo in dieser Verunsicherung eine Erklärung für all unsere Sehnsucht nach dem 'Echten', dem 'Unverfälschten', dem 'Analogen'. Nach Kameras mit Film und Schallplatten. Nach Bildern ohne Bildbearbeitung. Nach einer Abgrenzung. Aber das macht die Abgrenzung nicht notwendigerweise richtig und wichtig.


    Zurück zum Weglassen: Lightroom bietet durchaus einen Reparaturstempel. Damit eliminiere ich störende Bildelemente, die nur ablenken und nichts zur Bildaussage beitragen. Das mache ich oft. Trotzdem halte ich meine Bilder nicht für verfälscht. Nur für ausgearbeitet. Dem müsste man widersprechen, wenn man nur Bilder 'ooc' für 'legitim' hält. Oder wenn man mich nicht kennt oder meiner Aufrichtigkeit misstraut.

  • @le spationaute


    Ich meine, Du sprichst da ein paar sehr wichtige Dinge an.


    Nur mal ein paar lose Gedanken dazu:


    Ein allgemeiner Wunsch nach verlässlicher Authentizität könnte durchaus mit ein Grund sein, weshalb ooc Fotos bei manchen Menschen eine andere Form von Wertigkeit genießen, als mehr oder weniger stark bearbeitete Fotos. Andererseits scheint die pure Wahrheit auch kein allzu großes Interesse zu erzeugen, wenn man sich mal überlegt, welche Scheinwelt wir uns selbst geschaffen haben, in der wir leben.


    Kann es also sein, dass das wahre Thema sich gar nicht um die Frage dreht, ob es ein Foto oder ein Bild (weil mehr oder weniger stark bearbeitet) ist, sondern eher darum, ob die Präsentation noch authentisch ist? Daran würde sich für mich allerdings sofort die Frage anknüpfen, was Authentizität denn eigentlich ist? Wenn ich z.B. eine interessante Fassade von einem Haus mit moderner Architektur ablichte und nun einmal ein ooc Foto davon zeige und einmal ein Bild, wo eine intensive Bildbearbeitung die Fassade vergleichsweise abstrakt darstellt (z.B. ein Spiel mit Licht und Farbe), dann wäre zwar der Bildeindruck unterschiedlich, das Haus und dessen Fassade wären aber dennoch real und somit im Grunde genommen authentisch. Man könnte eine Analogie beim Menschen sehen: ein Mann, der morgens mit müden Augen aus dem Bett kriecht und zerknittert mit zerzaustem Haar vor dem Spiegel steht und der sich, kaum wieder zu erkennen, eine halbe Stunde später im schicken Anzug, Hemd und Krawatte, hochglanzpolierten Schuhen und perfekt gestyltem Haar auf den Weg macht. Authentisch? Es ist immer noch derselbe Mensch ...


    Wie kann es also sein, dass wir uns einerseits so sehr nach Authentizität sehnen, andererseits aber alles dafür tun, unsere Scheinwelt mit all ihren Statussymbolen, Modebewusstsein, Schönheitsidealen usw. aufrecht zu erhalten? Kann man sagen, dass das ein Grund dafür sein könnte, weshalb z.B. ein ooc Foto manchmal im Vergleich zu einem geschönten und idealisierten Bild des gleichen Motivs den Kürzeren zieht und dass das bei einigen für Unmut sorgt?


    In der Malerei und beim Zeichnen haben wir zumindest von Anfang an eine Entscheidung zu treffen, ob (und wie weit) sich das Werk an der Realität anlehnen soll oder auch nicht. Bei einem Foto ist das anders, es zeigt zunächst genau das, was der Realität entspricht (es sei denn, die abgebildete Realität war zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits ein Fake). Der Fotograf nimmt dabei Einfluss auf Brennweite, Bildausschnitt, Schärfeebene, Schärfentiefe, Perspektive. Bis zu diesem Punkt könnte man also davon ausgehen, dass das Bild 1:1 die Realität widerspiegelt. Doch auch das stimmt nicht so ganz, denn um sicher sein zu können, dass auch wirklich die Realität dargestellt wird, müßte man mehr sehen, als nur den Ausschnitt, den der Fotograf ausgewählt hat. Schließlich könnte es ja sein, dass etwas Wichtiges, das in direktem Zusammenhang mit dem gezeigten Motiv stand, aussen vor gelassen wurde.
    Und nun kommt auch noch EBV hinzu, angefangen von leichten Korrekturen bis hin zu intensiver Retusche und Manipulation.
    Bei einem gemalten/gezeichneten Bild wäre das vermutlich kein so großes Thema, denn wer würde schon erwarten, dass das Ergebnis absolut "authentisch" zu sein hat. Aber bei einem Foto scheint das anders zu sein ...





    Mit liebem Gruß
    Frank

    Der Augenblick ist jenes Zweideutige, darin Zeit und Ewigkeit einander berühren. Kierkegaard

  • Nun ist ja jede bildliche Darstellung auch jeweils eine Vereinbarung zwischen Erschaffer und Betrachter.


    Streng genommen beachte ich das mit als ersten Punkt wenn ich ein Bild mache.
    Ich stelle mir die Frage "was ist hier los?" und versuche sie mit Erfahrungswerten besetzt zu beantworten.
    Kinder haben mir viel geholfen, einen möglichst unverstellten Blick auf Bilder zu trainieren.
    Neutral gibts dabei leider nicht.
    Betrachten ist immer subjektiv.


    Nichts Neues also so weit aber ergibt sich daraus nicht erst der Ansatz zur Beantwortung der Eingangsfrage?
    Erst wenn ich weiß, wer das Bild ansieht, bin ich überhaupt in der Lage manipulativ zu agieren.
    Dann drängt sich natürlich auch gleich der Schluss auf, daß ich durchaus ein und dasselbe Bild
    unterschiedlich einsetzen kann. Einmal ist es nur ein Bild, das andere Mal manipuliert es.


    Ich gehöre zu denen, die generell Bilder aus der Kamera bevorzugen. Das betrifft aber nur meine eigenen
    Bilder. Der Hintergrund ist auch ein eigener, ich versuche für mich bestimmte Verfahrensweisen
    einzuhalten um auf möglichst kurzem Weg zum Ziel zu kommen. Das ist für mich spannend und
    bequem zugleich und gibt mir ziemlich viel Unabhängigkeit von der Technik.