Sehgewohnheiten

  • "Sehgewohnheiten", ein Thema, über das ich mir schon lange Gedanken mache. Was ist damit eigentlich gemeint und warum ist es so oft ein Thema, wenn es darum geht, ein Bild zu beurteilen, dessen Motiv sich in einer Weise präsentiert, die nicht einer typischen/natürlichen "Sehgewohnheit" entspricht?


    Das Thema ist gar nicht so leicht zu greifen, da es als Ausgangspunkt eigentlich eine Definition bräuchte, die allgemein anerkannt wird. Doch wie könnte eine solche anerkennbare Definiton lauten?


    Wenn ich z.B. ein Bild mit Weitwinkel, Super-Weitwinkel oder gar als Panorama aufnehme, wenn ich ein Bild aufnehme, das von vorne bis hinten knackscharf ist, wenn ich zur Korrektur von Verzerrungen mit diversen Projektionen arbeite (Panorama, Fisheye usw.), stürzende Linien begradige, perspektivisch bedingte Schrägen/Verkrümmungen eliminiere, Farben manipuliere, Belichtungsreihen verarbeite (Tonemapping) und und und ..., dann habe ich im Ergebnis eigentlich immer ein Bild, das vielleicht technisch einem Ideal angenähert ist, das aber mit großer Wahrscheinlichkeit keiner typischen Sehgewohnheit mehr entspricht.


    Mir scheint es, dass "Sehgewohnheiten" immer ein Thema sind, wenn es darum geht, Bilder zu bewerten und zu beurteilen. Doch wenn eben diese "Sehgewohnheiten" nicht klar definiert sind, dann ist jede Diskussion um "falsch" oder "richtig" eigentlich von vornherein zum Scheitern verurteilt. Am Ende ist es wieder eine rein persönliche Geschmacksfrage, um die man dann streiten kann oder auch nicht.


    Schade finde ich es, wenn Motive/Fotos/Bilder daran scheitern, dass die Darstellung nicht den Erwartungen an typische "Sehgewohnheiten" entspricht. Ist das wirklich etwas, das man dem Ersteller anlasten kann, ist es etwas, das man dem präsentierten Werk anlasten kann, ist es etwas, das man dem Kritiker anlasten kann, ist es vielleicht eine Frage der Zielgruppe?



    Ich bin nicht sicher, welche Frage ich eigentlich stellen möchte/sollte, weil ich mir nicht sicher bin, welche Definition und welche Bedeutung typische "Sehgewohnheiten" in der modernen Fotografie eigentlich haben und inwiefern sie bei der Bewertung und Beurteilung von Bildern relevant sind. Vielleicht läßt sich das in diesem Thread ja gemeinsam herausfinden ... :smile:




    Mit liebem Gruß
    Frank

    Der Augenblick ist jenes Zweideutige, darin Zeit und Ewigkeit einander berühren. Kierkegaard

    Einmal editiert, zuletzt von Picturehunter ()

  • :smile::smile:


    Entweder liegt die Antwort schon in Deiner Frage oder es gibt keine.


    Sehgewohnheiten sind so unterschiedlich wie Menschen. Gut daß es da keinen Konsens gibt.
    Ich bin mit meinen Bildern hauptsächlich wo anders unterwegs als hier. Weil meine Sehgewohnheiten
    eben anders sind.


    Das ploppt ja auch in anderen threads mal auf und ich nehme an daß auch das Dich zu diesem Gedanken
    veranlasst hat. Auf jeden Fall ein gutes Thema :daumenhoch:


    Meine 5ct

  • Tja... schwer!
    Bei mir selber habe ich beobachtet, dass von vorne bis hinten knackscharfe Bilder, wie sie z.B. von Digi-Knipsen mit Winz-Sensor kommen, unnatürlich vorkommen. Allerdings nicht mehr so doll wie noch vor zehn Jahren, ich gewöhne mich also langsam dran. Allerdings finde ich bei Portraits und auch bei Landschaft eine schöne Gliederung in Vordergrund, Motiv und Hintergrund immer noch ästhetischer!
    Dann die Perspektivengeschichte, völlig entzerrt sehen Häuser für mich einfach künstlich aus.
    Für beides gibt es Anwendungsfälle wo es sein muss, da ist dann halt die Frage wofür das Bild sein soll. Und das ist der Punkt wo ich mich als Fotograf fragen sollte, was will ich mit dem Bild erreichen, wen ansprechen, was darstellen. Wer ist meine Zielgruppe.
    Wenn meiner Zielgruppe, was bei mir als Hoppy-Knipser meist ich bin, das Bild gefällt, dann habe ich es richtig gemacht :)


    Schöne Grüße
    Stefan

  • Sehgewohnheiten sind so unterschiedlich wie Menschen

    Ich glaube, dass du das ev. ein wenig anders gemeint hast, aber wenn man deinen Satz wörtlich nimmt, kann das nicht stimmen. Die meisten Menschen auf der Erde haben ein ähnliche Körpergröße und damit einen mehr oder weniger vergleichbaren Blick auf ihre Umgebung - daraus entstehen letztendlich Sehgewohnheiten die für jedem mehr oder weniger gleich sein dürften.


    In einem Drohnen-Thread hier war vor kurzem ein Bild von einem endlaubten Baum von oben, was wie eine Nervenzelle unterm Mikroskop aussah - für mich ein sehr gelungenes Beispiel, wie Sehgewohnheiten durchbrochen werden können, weil die meisten von uns Bäume nicht aus 12m Höhe in direkter Draufsicht betrachten ;)

    Yakumo Mega-Image 34 - Konica Minolta Dimage A200 - Konica Minolta Dynax 5D - Canon PowerShot G3 X

  • ein ähnliche Körpergröße und damit einen mehr oder weniger vergleichbaren Blick auf ihre Umgebung - daraus entstehen letztendlich Sehgewohnheiten die für jedem mehr oder weniger gleich sein dürften

    Da verwechselst Du jetzt Sehgewohnheiten und Perspektive ;)

  • Das ploppt ja auch in anderen threads mal auf und ich nehme an daß auch das Dich zu diesem Gedanken
    veranlasst hat.

    Absolut, ich kenne das ja auch von meinen eigenen Bildern, wo "Sehgewohnheiten" immer wieder mal Teil der Kritik sind.


    Interessant finde ich dabei, dass das Thema nicht nur Laien (damit meine ich eben alle diejenigen, die einfach gerne Bilder anschauen, ohne selbst mit Fotografie etwas am Hut zu haben) betrifft, auch Fotografen, ob nun Amateur, Semi - oder Vollprofi, haben so ihre "Probleme" mit "Sehgewohnheiten".


    Doch was wird eigentlich genau kritisiert, wenn es z.B. heißt:

    • da fehlen mir stürzende Linien
    • die stürzenden Linien hätte ich begradigt
    • der Turm kippt
    • das Bild bzw. Teile des Motivs wirken verzerrt (dazu vielleicht ganz interessant ist dieser Thread: Warum verzerrt ein Weitwinkel)
    • usw. usf.


    Ich bin dann manchmal geneigt zu sagen: hey, das ist nun mal so, ich kann es nicht ändern! Doch das ist irgendwie wenig befriedigend, genau deshalb interessiert es mich, was die anderen hier unter dem Begriff "Sehgewohnheiten" verstehen und wie es sie sowohl bei der Arbeit mit der Kamera als auch bei der Beurteilung von Bildern anderer Fotografen beeinflusst.


    Da ich gerne Weitwinkel- und Panoramaaufnahmen mache, kenne ich das Problem mit Verzerrungen und unnatürlich wirkenden Blickwinkeln nur zu gut. Sobald ein Motiv, bedingt durch Brennweite, Perspektive, Projektion usw., anders dargestellt wird, als man das mit den eigenen Augen sehen kann, kommt es manchmal zu Irritationen beim Betrachter. Während die einen regelrecht begeistert von der Wucht einer Perspektive sind, stören andere sich ungemein an damit einhergehenden Folgen (s.o.). Die Kritik, die dann kommt, mag zwar das persönliche Empfinden zum Ausdruck bringen, kann aber nur bedingt konstruktiver Natur sein, denn genau an dieser Stelle treffen eben "Sehgewohnheiten" und damit einhergehende Erwartungen auf ungewohnte Perspektiven und Blickwinkel.


    Jetzt könnte man anfangen zu diskutieren, ob das Bild oder die Sehgewohnheiten des Kritikers das "Problem" sind, wenn Kritik im Raum steht.
    Habe ich denn als Fotograf überhaupt Möglichkeiten zu verhindern, dass mir"Sehgewohnheiten" von Betrachtern in Form von Kritik quasi zum Verhängnis werden (um es mal stark zu übertreiben)? Was kann ich mit einer Kritik anfangen, die etwas zum Gegenstand macht, das ich nicht wirklich beeinflussen kann? Physik und "Sehgewohnheiten" sind halt wie sie sind.


    Mir scheint es, dass "Sehgewohnheiten" auch etwas sehr Limitierendes an sich haben können, oder ist es doch nur eine Frage des persönlichen Geschmacks? Und wenn es um "Geschmack" geht, welchen Sinn macht es dann, einen z.B. perspektivisch bedingt schiefen Turm oder stürzende Linien zum Gegenstand konstruktiver(?) Kritik zu machen?



    Viele EBV Programme haben mittlerweile ein ganzes Arsenal an Werkzeugen, um Bildelemente zurecht zu dengeln. Manchmal kann man Kritik ja fast schon vorher ansagen und ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich versucht bin, auch extreme Bildwinkel/Perspektiven an typische Erwartungshaltungen/Sehgewohnheiten anzupassen, so gut es eben geht, damit ein z.B. schiefer/verzerrter Turm o.ä. mir nicht das ganze Bild ruiniert. Wirklich begeistern kann mich das allerdings nicht, denn es ist eigentlich nichts anderes als "Symptombekämpfung". "Sehgewohnheiten" dagegen halte ich für ursächlich, und genau da würde ich viel lieber ansetzen wollen, nur wie?





    mit liebem Gruß
    Frank

    Der Augenblick ist jenes Zweideutige, darin Zeit und Ewigkeit einander berühren. Kierkegaard

  • Irgendwann stellt sich die Frage für wen Du fotografierst.
    Bilder zeigen heisst ja auch einen Konsens suchen.


    Ein Problem vieler Künstler ist, daß sie irgendwann anfangen Erwartungshaltungen zu bedienen.
    Ich kann das selbst gut nachvollziehen. Meine besten Bilder haben keine oder wenig likes.
    Weil sie nur meiner Erwartungshaltung entsprechen. Andererseits weiß ich schon etwa was
    gut ankommt bei Betrachtern.


    Ich versuche deshalb meine Bilder in einem mir möglichst passenden Umfeld und Kontext zu
    zeigen.

  • Irgendwann stellt sich die Frage für wen Du fotografierst.
    Bilder zeigen heisst ja auch einen Konsens suchen.


    Ein Problem vieler Künstler ist, daß sie irgendwann anfangen Erwartungshaltungen zu bedienen.

    Absolut! :daumenhoch:


    Ich sehe immer wieder mal Einträge von Fotografen in diversen Foren, wo es heißt: hier ist nicht die richtige Zielgruppe für meine Bilder, deshalb zeige ich sie hier nicht (mehr).
    Es kann gut sein, dass sich daran nichts ändern lässt und alles andere ein Kampf gegen/mit Windmühlen wäre. Aber ist es nicht auch eine Form von "Flucht", wenn ich meine Bilder nur dort zeige, wo sie auch die gewünschte (und vielleicht auch berechtigte) Anerkennung finden? Ich persönlich würde mir schon irgendwie wünschen, mit meinen Bildern auch "Sehgewohnheiten" zu beeinflussen. In der Weise, dass der Betrachter genau das bei sich selbst hinterfragt, wenn da etwas ist, das irritierend wirkt. Dialog und neu dazu lernen statt platter Kritik.


    Ich hatte neulich ein schönes Erlebnis, wo ich beim Fotografieren von einer Gruppe Touristen angesprochen wurde. Weder die Szene noch das Licht schienen plausibel zu sein für das, was ich da machte. Ich hatte dann für ein paar Minuten ein sehr aufmerksames Publikum, als ich das Thema Mischlichtveränderung im Verlauf der blauen Stunde und die Auswirkung von Langzeitbelichtung auf die Farben erläutern konnte. Anhand von Beispielbildern vergleichbarer Motive konnte ich verständlich machen, warum die Lichtsituation, die für das Auge nicht unbedingt so schmeichelhaft schien, geradezu perfekt für die Aufnahme war. Das ganze hatte also einen Lerneffekt und dürfte zumindest das Verständnis für bisher unbekanntes Terrain beeinflusst haben.


    Und genau so entwickeln sich doch auch Sehgewohnheiten (ist doch auch irgendwie ein dynamischer Prozeß), mit reiner Kritik am irritierenden Bild entwickelt sich dagegen rein gar nichts ...




    Mit liebem Gruß
    Frank

    Der Augenblick ist jenes Zweideutige, darin Zeit und Ewigkeit einander berühren. Kierkegaard

  • Ich stelle mal eine kleine Liste von "Seh-Geschmacksrichtungen" vor:


    - Horizonte müssen immer waagerecht sein, auch wenn sie das in Natur keineswegs immer sind.
    - Analoges gilt natürlich für vertikale Strukturen
    - Sensorflecken, Hot Pixel u.a. technische Unzulänglichkeiten werden gnadenlos mit der Lupe gesucht und angeprangert. Auch wenn sie mit der eigentlichen Bildaussage rein gar nichts zu tun haben.
    - Stürzende Linien dürfen nur bei starken Perspektiven auftreten. Schwach stürzende Linien müssen rechtwinklig gemacht werden. Und nach unten stürzende Linien sind ganz doof. Ebenso wenig dürfen z.B. Menschen oder andere aufrechte Bildelemente am Bildrand "stürzen". WW Aufnahmen sind daraufhin zu korrigieren.
    - Der Horizont darf nicht in der Mitte liegen. Und eigentlich müssen entweder die Drittel-Regel oder der goldene Schnitt messtechnisch nachweisbar sein. Nichts sonst!
    - Kontraste müssen knackig sein.
    - Zumindest das Hauptmotiv muss rasiermesser-scharf sein.
    - Farbstiche sind ganz bäh.
    - Rauschen oder Körnigkeit sind per definitionem schlecht.
    - Formen dürfen sich möglichst nicht überschneiden.
    - Farben sollten möglichst kräftig sein. (Ausnahmen in seltenen Fallen erlaubt, hight key und so)
    - Schatten müssen noch durchzeichnen, Lichter dürfen nicht ausfressen.
    - S/W und unscharf sind "künstlerisch wertvoll" und in der einschlägigen Community per se besser. Egal, was für einen Stuss sie darstellen.


    Wahrscheinlich ist das nur ein Zehntel der bewusst oder unbewusst postulierten Gewohnheiten. Ich habe ganz bewusst solche aufgelistet, die man zu Analog-Zeiten / im Dia schlicht nicht korrigieren konnte. Manch ein Dia hat man dann halt weggeworfen, aber es gibt auch viele ganz hervorragende Fotos, die solche "Fehler" enthalten. Die hat man vor 20 Jahren mit Recht als großartige Bilder empfunden, heute würden die gleichen Bilder von jedem kleinkarierten Foto-Stammtisch gnadenlos verrissen.


    Ich selbst "unterwerfe" mich auch vielen der o.g. Gewohnheiten. Und finde sie - subjektiv - tatsächlich ästhetischer als ihre Nichtbeachtung. Doch ich bin mir darüber im Klaren, dass solche Ansichten nichts weiter sind als eine Mode. Vielleicht denken wir in fünf Jahren ganz anders darüber, wer weiß?


    Deshalb meine ich, man sollte sie als das sehen, was sie sind: Gewohnheiten! Und sie gelegentlich herausfordern, denn sie sind keineswegs ewig oder "wahr".

  • Schon die Tatsache, dass "wie auf dem Foto" eine gewöhnliche Redewendung ist (ungefähr 1.820.000 Ergebnisse wenn man danach googelt, vielleicht nur ein Teil davon bezieht sich auf die gekauften Produkte u.ä.) zeigt mir, dass man schon längst die Sachen und Situationen sucht und "schön" findet, die "wie auf dem Foto" aussehen. Und woher weißt man, wie etwas "wie auf dem Foto" aussieht? – Aus dem Einheitsbrei.


    Natürlich finde ich das unnatürlich. Die besten Fotos, die ich kenne, entsprechen den Sehgewohnheiten nicht. Ich habe mich schon erwischt, dass meine Fotos schlechter werden, wenn ich versuche, die Wünsche irgendeiner Zielgruppe zu bedienen.

    Aber ist es nicht auch eine Form von "Flucht", wenn ich meine Bilder nur dort zeige, wo sie auch die gewünschte (und vielleicht auch berechtigte) Anerkennung finden?

    Wenn Du Anerkennung suchst, zeig sie dort, wo Du Anerkennung findest; wenn Du Kritik suchst, dann wieder dort... Und wenn Du Glück hast, kommt auch mal eine konstruktive Kritik (ich meine nicht objektiv, sondern in dem Sinne, dass Du etwas damit anfangen kannst).


    Ich persönlich würde mir schon irgendwie wünschen, mit meinen Bildern auch "Sehgewohnheiten" zu beeinflussen. In der Weise, dass der Betrachter genau das bei sich selbst hinterfragt, wenn da etwas ist, das irritierend wirkt. Dialog und neu dazu lernen statt platter Kritik.

    Mal abgesehen davon, dass diejenigen, die bereit sind, die eigenen Sehgewohnheiten zu hinterfragen, zu den bedrohten Arten gehören... Ich denke, wenn etwas auf einem Bild von einem "Autorität" (sagen wir, Bresson, Adams, Ray... wähle Dir irgendeinen selbst aus) auf einen Amateurfotografen "irritierend wirkt", fragt er sich vielleicht, wieso und warum. Aber wer ist @Picturehunter und wieso sollte er besser wissen? Um die anderen zu beeinflussen müsstest Du ein Influencer, Meinungsbildner, eben ein Beeinflusser sein, wenigstens in der entsprechenden Gruppe. Bist Du das?

  • Ich bin mir nicht sicher, ob ich all diese Punkte auch den "Sehgewohnheiten" zuordnen kann. Vieles davon kann man in Fachbüchern und Fachzeitschriften als typische Vorgabe nachlesen, in Kursen/Seminaren wird das oft so vermittelt, in Foren diskutiert und gefordert. Da die meisten Amateure und Hobbyfotografen vermutlich Autodidakten sein dürften, ist es auch nicht verwunderlich, wenn dann all diese Dinge "wie in Stein gemeißelt" zum Thema werden. Mit Sehgewohnheiten verbinde ich jedoch vor allem das Sehen mit den Augen im Vergleich zu den Bildern, die fotografiert und bearbeitet präsentiert werden.


    Beim Fotografieren komme ich häufig in Kontakt zu den verschiedensten Leuten, vom Profi bis zum reinen Smarty-Knipser querbeet. Und gerade die "Knipser" (was keineswegs abwertend gemeint ist!) sind eher diejenigen, die sich am wenigsten von o.g. Aspekten einengen lassen. Dass ein Bild vielleicht nicht ganz gerade ausgerichtet ist, einen leichten Farbstich hat, Schatten etwas absaufen oder Lichter etwas ausgebrannt sind, interessiert dabei die wenigsten. Aber die Motive sind es, an denen sich diese Leute erfreuen. Und ich habe wirklich tolle Sachen zu sehen bekommen, trotz kleiner technischer Mängel. Die Amateure dagegen sind oft diejenigen, die sich vor allem um die technischen Details sorgen und o.g. Punkte bald wichtiger nehmen als das Motiv selbst.


    Sehgewohnheiten sind für mich etwas, das mit "sehen lernen" zu tun hat. Je mehr man "sehen" lernt, desto umfangreicher und komplexer werden Sehgewohnheiten. Dazu gehören natürlich auch Phantasie, räumliches Denkvermögen und Vorstellungskraft, sowohl beim Fotografieren als auch beim Betrachten. Das gilt ganz besonders für extreme Bildwinkel und Perspektiven, die man so mit den eigenen Augen nicht sehen kann (Stichwort Panorama u.ä.).




    Mal abgesehen davon, dass diejenigen, die bereit sind, die eigenen Sehgewohnheiten zu hinterfragen, zu den bedrohten Arten gehören...

    Genau das ist halt ein Punkt, den ich für sehr wichtig halte. Woran liegt es denn, dass eigene Sehgewohnheiten als so selbstverständlich und allgemein gültig erachtet werden? Ist es Ignoranz, ist es tatsächlich die Flut an Mainstream Bildern, die sich alle mehr oder weniger gleichen, sinken die allgemeinen Ansprüche, ist es der Einfluss von Medien?


    Wenn ich sage, dass ich mir mehr Dialog wünschen würde zwischen den Bildern und den Betrachtern/Kritikern, dann meine ich das nicht im Sinne von "aktiv beeinflussen", wie es Meinungsbildner tun, sondern im Sinne von "es darf bzw. soll ruhig ge- und hinterfragt werden". Deshalb hatte ich das Beispiel mit den Leuten geschildert. Dabei geht es ums Sehen und verstehen, nicht um mich als Fotografen. In einer Welt, in der es vielen (wenn nicht gar den meisten) wichtiger zu sein scheint, wer etwas sagt als was jemand sagt, ist es natürlich nicht ganz einfach ...



    Mit liebem Gruß
    Frank

    Der Augenblick ist jenes Zweideutige, darin Zeit und Ewigkeit einander berühren. Kierkegaard

  • Gewohnheit ist ein Lerneffekt - auch beim Sehen.


    Dabei muss man unterscheiden, was das Auge sieht und was das Gehirn sieht. Mit dem Auge sehen ist eher ein rein physikalischer Effekt, der weitestgehend durch Linse und die Netzhaut beschrieben werden kann. Das Gehirn interpretiert und setzt letztendlich das Bild zusammen, das wir wahrnehmen.


    Das Bild das wir sehen ist - anders als bei einer Kamera - keine statische Momentaufnahme. Das Auge bewegt sich während des Sehens ständig hin und her, fokussiert verschiedene Punkte (wenn man nicht gerade etwas anstarrt). Das Gehirn setzt daraus ein Gesamtbild zusammen. Erkennen kann man dies recht gut, wenn man einen bestimmten Gegenstand über längere Zeit tatsächlich anstarrt und dabei mal bewusst versucht zu analysieren, was man neben dem fixierten Punkt und im Randbereich des Sehfeldes alles erkennt und vor allem, wie gut man es erkennt. Starre ich auf ein Buch im Bücherregal, kann ich den Titel gut lesen, aber die Titel der Bücher, die nur 20cm daneben stehen kann ich nicht mehr erkennen, ohne den Blick von dem Buch abzuwenden. Genausowenig kann ich bei einer Reihe von Gegenständen, die sich alle auf einer Linie hintereinander befinden, alle Gegenstände gleichzeitig scharf sehen. Randschärfe beim Sehfeld? Vergiss es. Ein Objektiv mit den Leistungen des Auges würde sich vermutlich niemand kaufen, das wäre in etwa ein 50mm 1.0 Objektiv auf KB bezogen, bei dem man die Blende nicht verändern kann, das allerdings von einer Nahdistanz weniger cm bis unendlich fokussiert werden könnte, dabei aber eine so starke Bildfeldwölbung hätte, dass man nur einen kleinen Bereich in der Mitte scharf erkennen könnte.


    Lernt man beim Sehen nicht durch Fixierung mehrerer Punkte nebeneinander und in verschiedenen Schärfeebenen im Gehirn ein Bild breiter Fächerung oder mit durchgehender Schärfe zu generieren, ist ein Abbild einer solchen Szene halt ungewohnt. Das Lernen und die sich daraus ergebenden Gewohnheiten werden dabei durch die Erfahrungen des Lebens geprägt, der Mensch lernt (dauerhaft) nur das, was für sein Überleben wichtig ist. Und was er dafür braucht hängt nicht nur von der Umwelt sondern durchaus auch vom gesellschaftlichen Kontext ab, in dem er sich bewegt. Ungewohntes ist aber für alle Menschen etwas, was sie nicht mögen. Das ist ein Überlebensinstinkt, der die Wachsamkeit erhöht, wenn man auf ungewohntem Terrain ist.


    Dabei verändert der Mensch auf Dauer auch seine Sehgewohnheiten, schon weil er dies durch natürliche Prozesse bedingt tun muss. Da ist zum Beispiel in den jungen Jahren das Wachstum, was die Augen ständig auf eine andere Ebene hebt. Erlebt man als Kind eine Umwelt und sieht die während der weiteren Wachstumsphase nicht wieder, staunt man als Erwachsener darüber, dass alles so viel kleiner aussieht, als man es in Erinnerung hat, wenn man an den Ort seiner Kindheit zurückkehrt. Ähnliches gilt bei der altersbedingten Veränderung des Auges. Durch nachlassende Sehkraft ist man viel eher gezwungen, Punkte länger zu fixieren, um sie richtig zu erkennen. Die Wanderung des Auges erfolgt nicht mehr so schnell, das Gehirn bekommt nicht mehr so viele Informationen, um Bilder so aufzubereiten, wie das in jüngeren Jahren mit besseren Augen noch möglich war. Da diese Prozesse (Wachstum und Alterung) sehr langsam vonstatten gehen, merkt man von der Änderung der Sehgewohnheiten nichts. Allerdings kann man durch "akademisches" Lernen durch die Betrachtung von Bildern (und deren Diskussion) auch seinen Horizont erweitern (ich verweise einfach mal auf die Diskussion in meinem Thread Der weiße Reiher, wo ich den "Lobhudeleien" der Kritiker zum Schluss doch noch etwas abgewinnen konnte).


    Ich finde unterschiedliche Sehgewohnheiten durchaus als Bereicherung - sonst bräuchte ich auch keine Fotos in ein Forum einstellen. Wenn alle die gleichen Erfahrungen gemacht und somit die gleichen Gewohnheiten entwickelt hätten, würden alle die gleichen Bilder mögen. Dann gäbe es tatsächlich ein richtig oder falsch bei der Gestaltung eines Bildes, eine Diskussion wäre überflüssig.


    Und Frank, ich habe oft zu deinen Bildern etwas geschrieben und Änderungsvorschläge unterbreitet. Nicht, weil ich sie schlecht fand, sondern weil meine Sehgewohnheiten offensichtlich anders sind. Und ich habe in einigen Threads die Diskussionen mit dir genossen, weil ich durch deine Aussagen "akademisch" dazugelernt habe - auch wenn ich deine Sicht nicht einfach 1:1 übernehmen werde. Aber im Hinterkopf sind mir einige deiner Aussagen hängen geblieben und ich schließe nicht aus, dass es in Zukunft einzelne Situationen geben wird, in denen ich nach deinen Ausführungen mein Fotografierverhalten von meinen Gewohnheiten völlig abweichend ändern werde.


    Im Übrigen ist für mich das Fotografieren auch eine Form der Kunst (wenn auch zunächst eine sehr dokumentarische, denn das Original muss beim Schöpfungsakt vorhanden sein). Kunst ist für mich die Schaffung des Abbildes einer Wahrnehmung - bloß dass die Phantasie uns Menschen befähigt, eben nicht nur dokumentarisch ein Abbild zu schaffen, sondern darüber hinaus zu gehen, zu abstrahieren, auch Gefühle mit einzubringen oder vom gewohnten Blickwinkel abzuweichen.

    Gruß
    Peter


    [ô]  PENTAX K-1 / PENTAX K-3 / PENTAX K-30 - Objektive siehe Profil

  • An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen Kommentatoren bedanken, die sich die Zeit genommen haben, sich diesem nicht ganz einfachen Thema zu widmen und die diesen Thread mit vielen konstruktiven Gedanken bereichert haben! :daumenhoch::daumenhoch::daumenhoch:


    Sehgewohnheiten unterliegen zweifellos einer ganzen Reihe von Einflüssen, dazu kommen Erfahrung und die Individualität, die bei jedem Einzelnen entsprechend unterschiedlich ausfallen. Ein Schubladendenken ist daher kontraproduktiv, der Blick über den Tellerrand hinaus und der Mut, neues bzw. unbekanntes Terrain zu betreten, den eigenen Anspruch und den Mainstream kritisch zu hinterfragen, all das und vieles mehr kann einem im wahrsten Sinne die Augen öffnen.


    Sehgewohnheiten sind trotz Dynamik aber auch etwas, das man im Alltag vielleicht nicht unbedingt "überdenkt" oder gar bewußt beachtet. Aus eigener Erfahrung kann ich bisher sagen, dass sich meine Seh(an)gewohnheiten in all den Jahren, die ich nun schon fotografiere, teilweise sehr verändert aber auch weiterentwickelt haben. Ganz besonders der konstruktive und manchmal auch kritische Austausch bezüglich gezeigter Bilder hat sicherlich dazu beigetragen, es ist genau dieser Dialog, den ich persönlich so sehr schätze und auch für wichtig halte. Nicht selten findet dieser Dialog auch direkt vor Ort beim Fotografieren statt, eine wunderbare Gelegenheit, um herauszufinden, ob und wie andere die anvisierten Motive sehen. Schon so manches Mal wurde ich z.B. gefragt, was ich denn da fotografieren würde (die Leute haben da einfach nichts gesehen), und es ist gar nicht so leicht, das dann nachvollziehbar zu erklären (z.B. Langzeitbelichtung oder Belichtungsreihen inkl Panorama usw.), mit fertigen Beispiel-Bildern wird das schon etwas anschaulicher.


    Und im Grunde genommen geht es mir genau so wie diesen Leuten, weshalb dieses Forum für mich so eine Art "golden nugget" ist. Hier gibt es viele viele Bilder zu sehen und ich möchte einfach mal behaupten, dass die meisten davon sich auf einem sehr hohen Niveau bewegen. Man kann den Bildern die Erfahrung und den fotografischen Blick der Fotografen regelrecht ansehen. Nicht die Ausrüstung oder persönliche Fan-Gemeinden sind es, die hier im Vordergrund stehen, sondern die Bilder selbst. Kritik erlebe ich hier vor allem konstruktiv und interessiert, nicht tadelnd oder belehrend. Damit wird das gezeigte Bildmaterial, auch in Hinsicht auf die Themenvielfalt, zum Anschauungsunterricht für mich, es ist so viel mehr, als nur Bilder gucken!


    Als Fotograf (und vielleicht mit einem künstlerischen Anspruch) hat man sicherlich irgendwann auch einen eigenen Stil entwickelt, den man favorisiert. Manche Werke haben diesen Charakter, dass man gleich ahnt, von wem sie gemacht worden sein könnten. Auch das ist sicherlich eine Sichtweise der Dinge, präsentiert durch die Augen des jeweiligen Künstlers. Manche Motive werden dadurch betont, andere werden dadurch erst zu Motiven.


    Hier werden so viele tolle Bilder gezeigt, wo ich immer wieder innerlich den Hut ziehe und mir denke: wow, wirklich gut gesehen, interessant fotografiert und gekonnt bearbeitet und präsentiert. Da werden so viele Ideen umgesetzt, auf die man erstmal kommen muß, die man erstmal "sehen" muß.



    Wenn gesagt wird, dass auch meine Gedanken den einen oder anderen interessieren, dann freut mich das wirklich sehr, das ist ein tolles Feedback. Und ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und mich bei allen Usern bedanken, die hier ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Sehgewohnheiten präsentieren, teilen und weitergeben. Auch für die Kritik möchte ich mich herzlich bedanken! Manchmal tut es weh, wenn die persönliche Begeisterung nicht immer in gleichem Maße geteilt wird. Aber ich möchte sagen, dass ich mir jede Kritik zu Herzen nehme und auch zum Anlaß, mich kritisch zu hinterfragen. Schon so manches Feedback hat mich dazu bewegt, das eine oder andere zu verändern, Ansprüche neu zu bewerten, neues auszuprobieren und altes loszulassen. Und die schönen Bilder, mit denen Ihr Eure Sicht der Dinge präsentiert, tun das in gleichem Maße!
    Dieses Forum leistet definitiv ganze Arbeit, was "Sehgewohnheiten" betrifft ... :daumenhoch:




    Liebe Grüße
    Frank

    Der Augenblick ist jenes Zweideutige, darin Zeit und Ewigkeit einander berühren. Kierkegaard

    Einmal editiert, zuletzt von Picturehunter ()

  • Sehgewohnheiten unterliegen zweifellos einer ganzen Reihe von Einflüssen ...

    ..ja, letztlich ist es durchaus vergleichbar wie die völlig subjektiven und individuellen "Gewohnheiten" anderer Sinneswahrnehmungen:


    … "Geschmacksgewohnheiten": das eigene Lieblingsgericht hat noch lange nichts mit "Haute Cuisine" zu tun :smile: .. oder auch


    … "Hörgewohnheiten": der "Lieblingssong" hat noch lange nichts mit muskalischer Virtuosität zu tun ;)


    Und das das Ganze dann sogar zu einer gewissen, nennen wir es mal "Erwartungshaltung", führen kann, haben wir hier gesehen:
    Was zum Henker ist denn hier passiert...

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

  • Ich habe in diesen Tagen selbst wieder viel mit unterschiedlichen Bildschirmdarstellungen zu tun.
    Dabei habe ich gerade über den Verlauf meiner eigenen Prägung von Sehgewohnheit nachgedacht und
    da spielt das Fernsehen eine ganz erhebliche Rolle.
    Nicht mehr heute aber schon über einen Zeitraum von > 50 Jahren von Schwarzweiss über die ersten Farbsendungen,
    häufig grisselig bzw. verrauscht.
    Das hat vor allem eins trainiert und das ist das Wahrnehmungsvermögen einer Bildaussage selbst unter Ausblendung
    systembedingter Störeinflüsse. Bis heute ist daraus eine gewisse Gleichgültigkeit oder Unempfindlichkeit gegenüber
    Erscheinungen wie Rauschen oder Unschärfe geblieben.


    Mit der Einführung von digitalen Übertragungstechniken und Flachbildschirmen wurde dann technisch ein Darstellungssystem
    umgedreht: wurden analog "ganze" Bilder von der Quelle bis zum Bildschirm transportiert gibt es nun Algorithmen die mit dem
    Ziel der Datenreduzierung z.B. Flächen als solche erkannten und - je nach Reduktionsgrad - am Ende auch mal einen Rasen
    in X*Y grün darstellen.


    Ich fand das damals fürchterlich und wollte mich lange nicht mit dieser Darstellungsart anfreunden. Jedes einfache Röhrenbild
    war mir lieber als die "künstliche" und empfunden flache Wiedergabe der neuen Technik. Davon ist was geblieben, ich reagiere
    unbewusst ablehnend auf "zu saubere" Bilder. Mein Wahrnehmungssystem argwöhnt bevor es zu einem konkreten Gedanken
    kommt.


    In der Analogfotoszene, in der ich parallel unterwegs bin, gibt es sogar Leute die bis heute alles "digitale" ablehnen weil sie
    damit nicht zurechtkommen. Da geht es dann um "digitalen look" oder eben "flache Bilder bei Digital". Um Beliebigkeit die
    sich im Bild niederschlägt etc.
    Das sollte jetzt aber nur der Illustration meines posts hier dienen. Insgesamt spielen solchen Themen gottseidank unter den
    filmbasierten Fotografen nur noch ab und zu mal eine Rolle, Die Mehrheit ist sowohl mit Film als auch mit Sensor vertraut und
    vertritt ganz sportliche Ansichten. Und ich meine daß hier wie da viel zu wenig auf Bilder geschaut und viel zu viel über
    Technik geredet wird ;)

  • ..., ich reagiere unbewusst ablehnend auf "zu saubere" Bilder.

    Das kann ich nachvollziehen. Der Trend der Betrachter geht nach meinen Beobachtung allerdings dazu, Bilder mit durchgehender Schärfe und sehr großer Detailgenauigkeit auch im Nebenbereich als besser anzusehen. In der Malerei kenne ich das u.a. von Jan Vermeer, der Szenen des täglichen Lebens abbildete und dabei noch die im HG an der Wand hängenden Gemälde bis ins kleinste ausführte. An anderer Stelle kann man das Flechtwerk eines Korbes, der eigentlich nur Beiwerk ist, auf das Feinste erkennen. Und bei einem Bild hat er sogar die von ihm dargestellte Szene in einem an der Wand hängenden Spiegel förmlich als Miniatur im Bild wiedergegeben. Selbst Unschärfebereiche (er hat wohl bereits fotografische Techniken - Camera obscura - genutzt) sind immer noch gut im Detail ausgearbeitet. Auch für mich ist das im ersten Moment faszinierend, im zweiten Moment sage ich mir aber auch, das ist schon unnatürlich - weil es halt nicht meinen Sehgewohnheiten entspricht.

    Gruß
    Peter


    [ô]  PENTAX K-1 / PENTAX K-3 / PENTAX K-30 - Objektive siehe Profil

  • Das was Du beschreibst Frank ist für mich ein Beispiel für neue Betätigungsfelder in der Fotografie.
    Muss man wollen und sich dafür interessieren. Für mich zur Zeit eher nicht so spannend obwohl ich
    beruflich aus dem technischen Multimediabereich komme. Oder vielleicht sogar weil. Zu viel neues
    in den letzten Jahren, Da möchte ich mich künstlerisch den für meine Generation vertrauteren
    Bildverfahren zuwenden.


    Neben mir hängt ein kleiner Van Gogh. Den sah ich im Schlafzimmer meiner Grosseltern immer vom Bett aus.
    Mein print ist zwar um Klassen besser als das (wie sich erst viel später herausstellte) gerahmte Mittelteil
    einer HörZu Programmzeitschrift :ugly: aber genau das ist eben mein Beispiel für eine Variante von
    nachhaltiger Bildwirkung.

  • bos hierhin habe ich mich jetzt durchgelesen ( ich werde den Rest des Threads aber auch noch lesen)
    Allerdings möchte ich hierzu meine Gedanken teilen:
    Ich glaube, dass Beschriebenen entspricht nicht unbedingt den Sehgewohnheiten sondern vielmehr einer Vorgabe von Regeln die mehr oder weniger ansprechende ( gefällige) Bilder entstehen lassen. Nur bei einem Punkt bin ich gewillt mich diesem ( fast immer) zu unterwerfen: die Möglichkeit so sauber zu arbeiten, dass ausgebrannte Stellen nicht vorkommen. ( Der Dynamikumfang der Kameras ist mittlerweile ja so gut, dass es dort ansich nur um korrekte Belichtung und sauberes Arbeiten geht, also ein rein technischer punkt) ...Wobei es eigentlich unnatürlich ist, dass nichts ausgebrannt oder auch abgesoffen ist! Das eigene Auge ist nicht in der Lage im Sonnenuntergang der Sonne noch Strukturen zu entlocken oder im dunklen Wald die Baumstruktur zu erkennen. Usw. Es gibt demnach schon viele Sehgewohnheiten die begrenzt sind und nicht änderbar sind ( nur per EBV)
    Alle anderen " Regeln" sind für mich persönlich nicht existent ( man schaue sich Bilder von haggard an, der gibt z.b. nicht immer etwas auf den goldenen Schnitt und macht trotzdem grandiose Bilder ) .
    Ich komme aus der people Fotografie und da gibt es nochmal ein paar Regeln mehr.....meiner Meinung gilt es, diese Regeln einfach mal zu brechen um Bilder entstehen zu lassen die eben nicht jeder ambitionierte Fotograf machen kann....
    Ich empfinde es mittlerweile als falsch die angesprochenen" früher grossartigen Bilder" heute auf jeden Fotostammtisch zu zerreissen.( Dies geschieht aber regelmäßig auf Ausstellungen/ Stammtischen, etc)...
    Ich hatte da ein schönes Schlüsselerlebnis auf einer Ausstellung einer Osnabrücker FB Gruppe im letzten Jahr. Hier werden jedes Jahr an die ? 50-60 Bilder von mehr oder weniger gut ausgerüstet en und ambitionierten Fotografen gezeigt und einem breiten Publikum zugänglich gemacht.
    Im letzten Jahr war ich zur Eröffnung mit meinem Mann und einigen Fotofreunden vor Ort und wir haben alle Bilder angesehen bzw. Dann auch besprochen/ analysiert?
    Irgendwann im Laufe des Abends hat mein ( Nichtfotografietender) Ehemann dann gemeint: " eure ständige Kritik und das nahezu krankhafte Suchen von " Bildfehlern" ist nervig und entbehrt auch jeder Vernunft, da die meisten der von euch angesprochenen Artefakte für den ( sehr wohl aufmerksamen) Betrachter nicht erkennbar sind oder ganz einfach nicht störend sind für die komplette Bildwirkung!...."
    Ich muss dazu sagen, dass mein Mann durchaus mit Techniken der Fotografie vertraut ist und auch Überstrahlungen , CA oder Tonwertabrisse erkennen kann.
    Mich hat die Aussage wieder etwas geerdet und zeigt natürlich auch, dass es durchaus sinnig ist, ( und keineswegs eine Flucht wie Picturehunter schrieb) die Bilder einem " entsprechendem" Publikum zugänglich zu machen....( Niemand würde es als Flucht betrachten einem Hundehalter keine Katzenklappe verkaufen zu wollen, einem Mann Damenröcke bewerten zu lassen, usw.)
    Ich bin jetzt vom eigentlichen Thema angekommen glaube ich , wollte nur sagen, dass o.g. Regeln weder zu einem ästhetischen Bildeindruck führen müssen noch in Stein gemeißelt sind.... Mit dem Seheindruck haben sie sowieso nicht zwangsläufig etwas zu tun ......so und nun lese ich weiter.....

  • Ich glaube, dass Beschriebenen entspricht nicht unbedingt den Sehgewohnheiten sondern vielmehr einer Vorgabe von Regeln die mehr oder weniger ansprechende ( gefällige) Bilder entstehen lassen.

    Hallo Hasibutz, ich hatte diese lockere Liste von "Regeln" ja auch nicht als verbindlich postuliert, sondern gerade um solche "typischen" Gewohnheitsregeln mal wieder kritisch zu hinterfragen. Ich hoffe, das ist aus meinem Beitrag soweit auch deutlich geworden.


    Insofern geht es mir ähnlich wie Deinem Mann: ich denke, wir ersticken manchmal Kreativität, weil wir an den Bildern anderer immer etwas auszusetzen haben, wobei sich die Kritik obendrein an solch starren Regeln orientiert. Man denke nur an Themen wie schiefe Horizonte oder die "saubere" Ausrichtung von Vertikalen. Hat zu Diazeiten kaum einen gejuckt - heute meint jeder Stammtischler, andere auf ein paar noch stürzende Linien hinweisen zu müssen.


    Regeln sind vergängliche Moden, selbst auferlegte Beschränkungen. Manche sind sinnvoll bzw. scheinen mir für MICH und HEUTE als hilfreich, andere sind nur dazu da, um gebrochen zu werden. :razz: