Die Unschärfe des Hintergrundes...

  • ... wird oft überbewertet. So auch der Titel eines aktuellen Videos zum Thema das ich gerade gesehen habe.


    Bokeh is overrated

    Eine schöne kompakte Übersicht zum Umgang mit Unschärfe, ihrer Wirkung und den Mitteln dazu.


    Der Kollege spricht mir aus der Seele. Es gibt wunderschöne Bilder, bei denen die Freistellung des Hauptmotives mit Hilfe von Unschärfe gut passt.
    Daß dies keineswegs vom Vorhandensein einer Optik mit einer riesengroßen
    Anfangsöffnung abhängig ist wird hier einmal mehr deutlich und plastisch gezeigt.


    Zu viel Unschärfe kann die Bildwirkung negativ beeinflussen. Es geht wie bei so vielen technischen
    Aspekten um das richtige Maß.

    Bilder


    Wir müssen alles erwarten. Auch das Gute.

    (Jo Schück, Aspekte)

    Einmal editiert, zuletzt von Axel ()

  • Es geht wie bei so vielen technischen
    Aspekten um das richtige Maß.

    ... und auch um (Seh)Gewohnheiten und "bewußtes Sehen". EIne dem menschlichen Sehen angenäherte Brennweite mit hoher "Anfangsöffnung" entspricht unserem Sehen doch schon ganz gut. Wir sehen lediglich einen kleinen Teil wirklich scharf, die Umgebung bleibt jedoch unscharf. Das aber ist etwas, das wir bewußt kaum wahrnehmen. Auf einem Foto dagegen wird auch diese unscharfe Umgebung vollständig wiedergegeben und kann zusammen mit dem scharf gestellten Motiv als Ganzes gesehen werden. Genau da sehe ich den Unterschied zum eigenen Sehen und genau da kommen für mich auch Sehgwohnheiten und das "bewußte Sehen" ins Spiel, denn genau daran orientiert man sich ja beim Betrachten von Bildern.


    Interessant wäre es doch auch, einer beliebigen Gruppe von Menschen Bilder zu zeigen, die mit einer plenoptischen Kamera (z.B. Lytro) aufgenommen wurden, so dass sie den bevorzugten Schärfebereich und dessen Ausdehnung selbst bestimmen könnten. Und ich wette, dass sich das im Laufe der Zeit verändern würde, weil man sich auch erstmal daran gewöhnen muß ...



    Mit liebem Gruß
    Frank

    Der Augenblick ist jenes Zweideutige, darin Zeit und Ewigkeit einander berühren. Kierkegaard

  • ... wird oft überbewertet.

    Bokeh oder Tiefen(un-)schärfe ist einfach ein Gestaltungsmittel unter vielen. Letztlich geht es immer darum, den Blick des Betrachters zu lenken, auf einzelne Bildteile oder entlang von Linien. Die meisten Menschen empfinden es als angenehm, wenn sie unbewusst merken, wohin sie gucken sollen und das Auge nicht orientierungslos im Bild umher irren muss.


    Ob man nun per Bokeh freistellt, per Kontrast, per Farbgebung, über die Beleuchtugssituation, oder indem man geschickt Formen und Linien komponiert, hängt vom Motiv ab, und vom persönlichen Stil des Fotografen / der Fotografin.


    Nicht jedes Bild braucht ein Mords-Bokeh, aber für manche Motive ist es halt ein sehr schönes Stilmittel. Überbewertung würde ich das nicht nennen, eher "bewusster Umgang".

  • Da kommen wieder die Sehgewohnheiten ins Spiel.


    Ich habe in den letzten Jahren zu viele Bilder gesehen, in denen offensichtlich knappe
    Schärfentiefe und "Bokeh" um jeden Preis eingesetzt wurden.
    In manchen wirkte der geringe Schärfebereich schlicht destruktiv, andere waren komplett
    belanglos.


    Spielereien mit Technik als Selbstzweck oder aufmerksame Gestaltung sehe ich hier als
    imaginären Untertitel.

    • Offizieller Beitrag

    Sympathischer Typ, undogmatischer Film. Danke.


    Ich reisse selten die Blende bis zum Anschlag auf, obwohl ich ohnehin 'nur' eine APS-C Kamera habe. Der Grund dafür ist in aller Regel, dass ich das Objekt meines Fotos optimal scharf haben will. Ich bin aber auch ganz und gar nicht frei davon, mich an Unschärfe und fein aber groß getupftem Licht im Hintergrund zu freuen. Wie immer kann man da wenig verallgemeinern.


    Sehgewohnheiten sind ein großes Ding. Damit beziehe ich mich ausdrücklich nicht auf das natürliche Sehen, denn das nimmt mit Sicherheit jeder anders wahr. Ich beziehe mich lieber auf die Bilder, mit denen wir tagtäglich konfrontiert werden. Viele (sehr viele) stammen aus Smartphones und sind einfach von vorn bis hinten scharf. Das kann ja nun zwei Folgen haben:


    a. Man gewöhnt sich dran, es ist im besten Sinne alltäglich. Bildwichtig sind andere Gestaltprinzipien.


    b. Unschärfe ist etwas Besonderes! Unschärfe ist ein Mittel zur Differenzierung von anderen Aufnahmen. Und diese Differenzierung kostet keine Mühe. Nur Geld.


    Ich mag Schärfeverläufe trotzdem, auch um Bildern Raum und Tiefe zu geben. Ich hab bei mir zu Hause eine Leinwand mit einem 1,80-m-Panorama aus dem Wald hängen. Aufgenommen als 90-Bilder-Brenitzer-Pano mit Blende 1.4. Das wird von unseren Gästen mit einiger Begeisterung kommentiert. Als 'geheimnisvoll'. Das war auch der Sinn der Sache. Ausserdem nehme ich Lichtstärke gerne zur Hilfe, wenn der Hintergrund unwichtig oder einfach Mist ist. Es bleibt offen. Ich würde nicht von 'Technik als Selbstzweck' reden. Und gleichzeitig habe ich null Zug zum Vollformat als 'Selektive-Schärfe-Generator'.

  • Mein Thema!

    Bokeh is overrated

    durchaus interessantes Ergebnis, aber natürlich habe ich dazu eine andere Meinung - Bokeh ist nicht alles, aber ohne Bokeh ist alles nichts. Hört sich streng an, ist es auch.
    An großzügigen Tagen bin ich immerhin bereit, das Wort Bokeh durch Unschärfe zu ersetzen. Dann ist aber auch gut.
    Und etwas konkreter zum Video: Wer waren denn die 52 Umfrageteilnehmer/wie wurden die ausgesucht? Weil eine Mehrheit von denen sich für ein 5.6er Foto entscheidet, statt für ein 1.2er, wird empfohlen, die Investition in lichtstarkes Glas zu überdenken, hm.
    Ich will's mal so ausdrücken - wenn man auf einer Kreuzfahrt 52 Reisenden je ein Stück von Ricky King (für die unter 50-jährigen, sowas:

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    ) und eines von Joe Satriani (für die über 60-jährigen, sowas:
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    ) vorspielen würde, würde die große Mehrheit das von Ricky King als das "bessere" wählen. Aber kann man deswegen tatsächlich jedem Gitarristen an's Herz legen, lieber in eine weiße Stratocaster zu investieren, als in eine schwarze? Jaja, es geht mit mir durch.
    Ich wollte damit nur sagen: 1.2 rockt - 5.6 nicht. Und es gefällt nun mal nicht jedem, wenn's rockt. Den Kreuzfahrern gefällt Schlager besser.


    P.S.:
    ich kenne tatsächlich beeindruckende Ausnahmen von meinem oben erwähnten Bokeh/Unschärfe-Leitsatz. Aus den Rockbereich, wohlgemerkt.

  • Ich würde in die weiße Strat investieren, weil die "schwarze Strat" ne Ibanez ist und die mag ich nicht :razz: ... (ja, ich weiß das mit der schwarzen Strat..)


    @ blaues braunrotgrau
    Joe Satriani | Vintage Guitar® magazine
    Wenn schon $$$ "investieren" $$$, dann in die 59' ES335 und nicht in ne Strat. Der Soundgeschmack wäre allerdings so subjektiv wie das Bokeh, obwohl ich sogar da meine Zweifel anmelden würde. Ich glaube, ich weiß schon, von was ich da rede (63' ES335 mit Mesa Boogie).


    Eine 1,2-er Linse kann man übrigens bei Bedarf auf 5,6 abblenden, aber eine 5,6-er kann ich nicht auf 1,2 "aufblenden". Und 9 runde Blendenlamellen sind halt doch angenehmer als 7 spitze. Der Begriff Bokeh bezieht nicht auf die maximal mögliche Unschärfe, sondern auf deren (subjektive) Anmutung.

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

    • Offizieller Beitrag

    Ich hab mal ein Video-Interview gesehen, das offenbar mit DSLR und Portrait-Brennweite gefilmt war. Im Prinzip waren nur die Augen des interviewten scharf. Und das über mehrere Minuten. War total anstrengend, weil man nicht wusste wo man sonst noch hingucken sollte die ganze Zeit.


    So ähnlich geht es mir auch manchmal bei Bildern, wenn der Schärfebereich zu klein ist. Ich mag es, den Blick durch ein Bild wandern zu lassen. Z.B. ein Portrait eines interessanten Gesichts: ist es nicht eigentlich bekloppt, nur die Augen scharf zu haben?

  • ist es nicht eigentlich bekloppt, nur die Augen scharf zu haben?

    Kommt auf die Augen an ...
    Nee, im Ernst, das sind doch nur Auswüchse. Natürlich gibt es die auch, quasi Free-Jazz ...
    Mir ist jedenfalls bei einem Großteil der Fotos, die ich wahrnehme, die Schärfentiefe zu hoch. Und bei einem 1.2er hat man halt Reserven, wenn das Motiv etwas weiter weg ist. Wenn man Makros machen will, braucht man das natürlich nicht.