Das Bessere ist des Guten Feind - Canon 70-200 2.8 L IS II

  • Hallo zusammen,


    nachdem ich gerade den Aufruf gelesen habe, mal solle doch auch für seine Objektive Reviews verfassen, möchte ich dies hier an der Stelle einmal machen. Nach und nach liefere ich vielleicht auch noch Testberichte zu meinen anderen Objektiven. Bilder werde ich jetzt keine zeigen, denn meistens habe ich nichts, was ich einfach so veröffentlichen kann und darf.


    Nun, mein erster Beitrag handelt vom Canon 70-200 2.8 L IS II. Lange Zeit war ich glücklicher Besitzer der ersten Version. Das ist durchaus sehr gut gewesen, aber es hat immer so das letzte Quäntchen Schärfe gefehlt. Insbesondere an der 7D war die Leistungsgrenze der Version I überschritten. Vor allem bei höheren ISO-Werten in Verbindung mit F2.8 waren keine Bäume mehr auszureißen.
    Nun hatte ich mal ein bisschen Geld gespart und habe relativ spontan die Version I verkauft. Für einen Aufpreis von bitteren 600 € habe ich also die Version II erstanden. Ich gebe ehrlich zu, ich hatte ernsthafte Zweifel, ob ich noch ganz bei Trost bin. Aber ich konnte mich beruhigen, indem ich mir fest einredete, dass ich mit dem Objektiv nun sicherlich für die nächsten 10 Jahre glücklich sein würde.
    Jetzt habe ich es also seit rund zweieinhalb Monaten und die ersten Bilder sind im Kasten. Den ersten Einsatz hatte das Objektiv beim Schlittenfahren. Dass das Objektiv einen überragenden Autofokus hat, war mir eigentlich schon von der Version I klar. Eine Verbesserung war nicht spürbar, denn auch die Version I war bereits ein Knaller. Schlittenfotos mit Schlitten, die sich mit rund 30 km/h direkt frontal auf einen zubewegen, waren nicht das geringste Problem für das Objektiv. Jeder Schuss ein Treffer. Gerade in Verbindung mit der 7D hat das Objektiv im Serienbildmodus einfach jedes der 8 Bilder pro Sekunde festgenagelt. Ein besserer AF geht nicht.
    Kommen wir zur Abbildungsleistung. Bei gutem Licht war ja schon das alte 70-200er nicht von schlechten Eltern und konnte durchaus überzeugen. Das Neue ist bei gutem Licht bei F2.8 etwa so scharf wie das Alte bei F4.0. Damit ist die Schärfe eigentlich bei F2.8 schon fast nicht mehr steigerbar. Abblenden bringt nur geringfügig etwas und erst ab 150 mm. Ab 150 mm lässt die Schärfe bei F2.8 etwas nach. Ab F3.5 ist es auch am langen Ende kaum noch steigerbar. Auf jeden Fall ist das Objektiv das mit Abstand schärfste Zoomobjektiv, welches ich jemals benutzt habe. Einen Vergleich mit meinen Festbrennweiten braucht es nicht zu scheuen.
    Ein wichtiger Faktor bei Telebrennweiten ist immer das Bokeh. Das war auch bei der Version I recht gut. Etwa auf gleichem Niveau liegt auch die Version II. Eine sichtbare Verbesserung gab es nicht. Allerdings wozu auch? Die Zerstreukreise sind kreisrund, haben keine auffälligen Ränder und sind schön weich, sofern man nicht allzu viel Abstand zum Hintergrund hat. Ansonsten verschwimmt der Hintergrund naturgemäß teleobjektiv-like vollständig. Es ist also eingeschränkt portraittauglich, wenn man auf die Brennweite steht. Dennoch ziehe ich für Portraits eher das 85 1.8 vor. Das 70-200er ist eher mein Bühnen- und Sportobjektiv oder eben einfach für alle Fälle, in denen man ein Tele klassischerweise benötigt.
    Letztes Wochenende habe ich wieder ein Musical fotografiert. Das ging mit dem Neuen recht entspannt aus der letzten Reihe mit etwas erhöhter Sitzposition. Dank des guten Stabilisators sind Verschlusszeiten von 1/25 sec. bei 200 mm mit etwas Konzentration gut aus der Hand zu halten. Vier Blendenstufen sind also durchaus realistisch für den Stabi. Da das Musical verhältnismäßig gut ausgeleuchtet war, war ich meistens zwischen ISO 400 und 1600 unterwegs und habe dauerhaft mit F2.8 gearbeitet. Insbesondere bei den hohen ISO-Werten hat die Version II gegenüber der Version I ihre Stärken voll ausgespielt. Die Detailschärfe unter diesen Bedingungen war wirklich enorm. Die Bilder sind gigantisch geworden.
    Was gibt es noch zu sagen? - Ja, es ist ziemlich groß und schwer. Man muss sich überlegen, ob man es wirklich rumtragen will. Außerdem ist es leider ziemlich auffällig. Man zieht die Blicke magisch an. Das muss man aushalten können und ich empfinde es immer wieder als ein bisschen nervig. Und jeder fragt, was es gekostet hat, noch ehe er sich die Bilder anschauen möchte. Die Wahrheit sollte man nicht antworten, sonst halten einen sogar diejenigen für einen Bonzen, die selber eine dicke Karre fahren, bei der die Sonderausstattung den Preis des Objektivs bei Weitem übersteigt, oder die sich ansonsten eine Kreuzfahrt leisten.
    Insgesamt habe ich den Kauf trotzdem noch keine Minute bereut, auch wenn das Canon wirklich exorbitant teuer ist. Ob man es wirklich braucht, weiß ich nicht. Aber es ist verdammt geil und mir persönlich ist es mehr wert als ein großes Auto oder ein teurer Urlaub, denn man hat immer aufs Neue ewas davon.
    Wenn ich das nächste Mal einen Bericht über ein Objektiv verfassen werde, werde ich mal meinen größten Fehlkauf vorstellen...

  • Interessanter Erfahrungsbericht, der gefällt :thumbup: Schön, dass es User gibt, die sich die Mühe machen, sowas zu schreiben :danke:
    LG aus Berlin :winke:
    Jörg