Kleine Runde Rajasthan

  • Hallo, obwohl wohl schon einige von Euch in Indien waren, gibt es noch keinen Reisebericht. Deshalb hier ein paar Eindrücke - obwohl ich die Anzahl derer, die Indien aufgrund des Berichts auf die Urlaubsliste setzen, eher klein einschätze. Die Tour ging von Delhi aus westwärts nach Mandawa, von dort über Pushkar und Jaipur nach Agra, und zurück nach Delhi. Viele weitere interessante Städte und Gegenden konnten wir in der Kürze der Zeit nicht besuchen, so z.B. Jaisalmer, Udaiphur, Jodphur oder die Gegend westlich von Delhi. Vielleicht ein andermal.


    Von Indien erwarten die meisten Nahaufnahmen von Jogis, Brahmanen oder anderweitig "typischen" Gesichtern. Das geht auch, da die Inder absolut nicht foto-scheu sind. Ich behalte diese Nah-Portraits aber bis auf wenigen Ausnahmen für mich, denn ich weiß nicht in jedem Fall, ob die Personen eine Veröffentlichung wirklich gut fänden. Deshalb hier ein paar eher konventionelle Bilder.


    Von Delhi ging es zunächst westwärts in Shekhawati, wo es auf den Straßen in den Kleinstädten überall mehr oder weniger laut und chaotisch durcheinander geht.



    Diese Region war einst durch Handel, Karawanen, Handwerk und auch Landwirtschaft (Gewürze) unermesslich reich. Wohlhabende Kaufleute errichteten sich prächtige Paläste, Städte wie Mandawa müssen einst ausgesehen haben wie Venedig. Leider ist der Putz längst ab, die Gegend verfällt gnadenlos, die Infrastruktur (Wasser, Strom, Kanalisation, Kommunikation, ...) spottet jeder Beschreibung. Teilweise sind es noch die alten Familien, denen diese Anwesen gehören, doch die haben sich längst moderne Häuser in den Speckgürteln der großen Städte gebaut (oder im Ausland) und lassen die alten Gemäuer verfallen. Wer will es ihnen verdenken - in dieser Region zu leben macht keinen Spaß mehr:



    Gelegentlich, bei Nacht und wenn die Dunkelheit die Wunden der Zeit verhüllt, scheint noch eine Erinnerung auf an die Märchen aus 1001 Nacht, Mogule und Maharadschas:



    Die Mehrheit der Bevölkerung aber lebt hier mehr schlecht als recht. Armut und Schmutz sind allgegenwärtig, und die Perspektiven für die meisten sind nur sehr begrenzt.



    Unsere nächste Etappe war dann schon Pushkar, ein Städtchen, dass Hindus und Moslems gleichermaßen heilig ist.



    Die Heiligkeit hindert die dort ansässigen Brahmanen jedoch nicht daran, Touristen erst einmal ein vermeintlich segensreiches Ritual zu verwickeln, in dessen Verlauf dann unvermeidlich die Frage nach einer freiwiligen "Donation" auftaucht. Das allein wäre ja noch fair - ich bin als Tourist bereit, die Erhaltung und Renovierung solcher Stätten mit zu unterstützen. Doch wehe, man offeriert einen Betrag, der dem Brahmanen als zu niedrig erscheint! Dann wird gnadenlos gepresst, lautstark gedroht, geschimpft usw.. Unter einer "Donation" stellt man sich was anderes vor ...


    Trotzdem ist Pushkar ein faszinierender Fleck Erde, und hat man sich sein Armbändchen einmal erkämpft, kann man dort tagelang auf Entdeckungstour gehen, oder sich durch die Gassen treiben lassen.


    Nächste Station war bereits Jaipur, eine etwas gesichtslose größere Stadt, in der man a) ganz gut Kunst und Handwerk shoppen kann und sich b) die einschlägigen Sehenswürdigkeiten ansehen sollte. Außer dem Stadtpalast und dem berühmten "Palast der Winde" hat uns besonders das 300 Jahre alte Observatorium beeindruckt. Die Mess-Geräte sind nicht nur unglaublich präzise gebaut (auf Bogensekunden genau), sondern auch als Skulpturen so ausgewogen, schnörkellos und schön in den Proportionen, dass sie auch auf einer Kunst-Ausstellung mit durchgehen würden. Die größte Sonnenuhr der Welt (unten) misst die Zeit auf 2 Sekunden genau!



    Das Amber Fort, 10 km nördlich von Jaipur, ist eine eindruckvolle Festungsanlage, in die ein riesiger alter Königspalast eingebettet ist. Oft angegriffen, aber niemals eingenommen, ist die Architektur des Palastes weitgehend unversehrt erhalten. Leider fehlt jegliches Interieur, Möbel, Teppiche, Kunstgegenständen, da die Engländer alles abtransportiert und verschachert haben, was nicht untrennbar mit dem Stein verbunden war.



    Wenige km südlich von Jaipur findet sich der ca. 300 Jahre alte Tempel von Galta, der um eine (seltene) Süsswasser-Quelle in einer Felsspalte herum gebaut wurde. Auch hier ist der Verfall leider allgegenwärtig, doch der Tempel ist "in Betrieb", es lebt eine kleine Gruppe von Mönchen hier, die auch sehr offen und bereit sind, einem den Tempel und die Hintergründe zu erläutern. Die meisten Touris kommen nur wegen der Affen hierher, doch die sind ehrlich gesagt eher eklig als putzig. Vor allem machen sie einen Mords-Dreck - und sauber macht hier kaum jemand.




    Die Jungs hier kamen mit ihren Familien, um in den heiligen Quellen ein heiliges Bad zu nehmen. Aber die Kids hatten es nicht so mit der Heiligkeit - für die war das vor allem mal die Gelegenheit zu plantschen. Sie posierten albern vor der Kamera herum, hatten einen Riesenspaß, und die Idee im Internet zu erscheinen, fanden sie einfach nur "cool":

  • Auf der Reise von Jaipur nach Agra machten wir den kleinen Umweg zum Chand Baori, das mit dem Wort „Brunnen“ nur unzureichend beschrieben ist. Es handelt sich um ein gigantisches, ca. 35 m tief reichendes Bauwerk, das sowohl Grundwasser erreicht als auch als Wasserspeicher diente, um ein paar hundert tausend Kubikmeter Wasser während des Monsuns aufzufangen und für die trockene Zeit verfügbar zu machen. 3.500 Stufen umringen den Brunnen, und im inneren der Brunnenpyramide liegt die Temperatur gut 5 Grad unter der Umgebungstemperatur. Das machte den Brunnen wohl zu einem beliebten Treffpunkt der umliegenden Bevölkerung.
    Das aufwändige Gebäude an der Frontseite weist Kanäle und Überlaufbecken auf, mit denen sich kaskadenartige Wasserspiele arrangieren ließen, was offenbar ab und zu zur Erfrischung und Unterhaltung des Hofstaats diente. Man steht heute, ca. 1200 Jahre nach der Erstellung, mit Bewunderung vor der Symmetrie und Präzision, mit der das Bauwerk ausgeführt wurde.



    In einem nahe gelegenen Dorf gerieten wir unverhofft in einen kleinen Hochzeits-Zug, bzw. in das den Frauen vorbehaltene Ritual. Singend und tanzend ziehen die Frauen durch das Dorf, zur neuen Heimat der Braut. Die erwartet auch heute noch ein ziemlich hartes, entbehrungsreiches Leben, weitgehend in Unterdrückung. Der Hochzeitsumzug ist vermutlich einer der letzten Momente, den die Frau ungetrübt und „in Freiheit“ genießen kann. Danach „gehört“ sie ihrem Mann und dessen Familie.



    Entlang des Weges beobachtet man in Rajasthan ausgedehnte Landwirtschaft. Die vermeintlichen "Hütten" sind in Wirklichkeit schnell errichtete Kornspeicher - nicht weit davon findet man dann aber meist eine richtige kleine Holzhütte, in der der Besitzer wochenlang nächtigt, damit ihm keiner sein Korn klaut.



    Wir verließen den Highway und fuhren ca. 200 km über Nebenstraßen (autsch, mein Kreuz!). Dabei bekamen wir einen zweiten Wirtschaftszweig zu Gesicht, der sich über weite Strecken hinzieht: Lehmgruben und Ziegelbrennereien - alles auf dem technischen Stand des 19. Jhdt., und mit Sicherheit kein leicht verdientes Geld:




    Die nächste Station der Reise war dann bereits Fatehpur Sikri, eine alte Königsstadt nahe Agra. Der Herrscher, der diese Anlage bauen lies, hatte die überaus moderne Idee, die verschiedenen Religionen in seinem Staatgebiet zu versöhnen und gleichberechtigt nebeneinander zu tolerieren. Eine fortschrittliche Idee, die sich bis heute leider weltweit nicht besonders gut durchgesetzt hat ... Dazu baute er nicht nur eine Beratungshalle, in der 4 Streben die 4 Religionen symbolisierten, sondern heiratete auch je eine Frau aus jeder dieser Religionen. So geht's auch ...



    Wir haben eine Weile überlegt, ob wir uns den "mainstream" antun, und mit Millionen anderer Touris zum Taj Mahal pilgern. Nun ja, wir haben es getan. :???: Wie die meisten vor uns, haben wir das nicht bereut, und das obwohl wir an diesem Tag den einzigen echten Regentag unserer Tour erwischt hatten. Agra selbst ist ein pott-hässliches, gesichtsloses Kaff, in dessen Mitte sich das Taj Mahal wie eine Vision aus einer besseren Welt erhebt.



    Doch als wir am Morgen im strömenden Regen durch das mächtige Süd-Tor traten, lag das Taj Mahal vor uns wie ein Traum. Ich habe eine gewisse Abneigung gegen alte Kitschbuden, aber dieses Gebäude ist so außergewöhnlich schön, dass einem kurz der Atem still steht. Auf einem Bild kommt das kaum rüber, aber ich denke, nur wenige erleben das völlig anders.



    Einen kleinen Vorteil hatten wir durch das miese Wetter: auf dem gesamten Gelände befanden sich anfangs mit uns vielleicht 50 weitere Personen. Ich habe mir sagen lassen, dass das in "besseren" Zeiten anders sein soll ...




    Wir verbrachten dann noch ein paar Tage bei Freunden, die in Delhi wohnen - wenn ich Zeit finde, lade ich noch ein Delhi Bilder hoch.

  • Delhi ist natürlich ein Moloch, ein Großraum von keiner-weiß-wieviel Millionen Menschen und einer völlig unzureichenden Infrastruktur. Man kann auf Delhi verschieden reagieren: a) man regt sich über den Verkehr, das Chaos und den Dreck auf und schaut, dass man möglichst schnell das International Terminal 3 des Flughafens erreicht. Oder b) man nimmt die Metro und anschließend so ein wuseliges Dreirad-Taxi und erkennt, dass Delhi jede Menge interessante Ecken zu bieten hat.


    Wer altes Gemäuer mag, ist am Qutab Munhir gut aufgehoben: Delhis erster Siedlungskern hat ungefähr den Charme des Forum Romanum - alles Ruinen, aber doch Zeugen einer großen Kultur. Unglaublich, was die damals schon in Stein gemeißelt haben, und mit welcher Präzision und statischen Kühnheit Gebäude ausgeführt wurden.




    Ebenfalls erlebenswert sind die vielen Märkte in Delhi. Z.B. das Nizamuddin Viertel um das Grab eines berühmten islamischen Heiligen ...



    ... oder auch die überdachten Märkte (frühe Vorläufer der Shopping malls), wo auf engstem Raum ein Maximum an Waren angeboten wird (wo ist die Nutella?):



    Wirklich bemerkenswert ist die Elektro-Installation in einigen Vierteln:



    Damit es funktioniert, werden entsprechende Schutzheilige und Elektrowächter bemüht:



    Und irgendwie funktioniert es ja auch, wenngleich mit häufigen Unterbrechungen: Delhi Power tools eben ...



    Wenn schon Delhi, dann natürlich auch mit einem Ausflug nach Old-Delhi



    Vom Turm der großen Moschee aus hat man einen großartigen Blick über die Dachlandschaft Delhis, sowie in das muntere Treiben in den Gassen:

  • Auch wenn ich Indien für die nächsten Reiseplanungen nicht mit bedenken möchte, sind das tolle Bilder, die du uns hier zeigst. :thumbup:

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

    Einmal editiert, zuletzt von aeirich ()