Hallo zusammen,
nach meinem sehr positiven Bericht über das Canon 70-200 2.8 L IS II habe ich euch eine Geschichte über ein weniger erfreuliches Objektiv versprochen. Es soll um das Sigma 50 1.4 HSM für Canon-Anschluss gehen.
Ich habe mir das Objektiv als Ersatz für mein leider kaputt gegangenes Canon 50 1,4 gekauft.
Nach dem Auspacken ist mir gleich die wertige Verarbeitung des, für ein 50 mm recht großen und schweren, Objektivs aufgefallen. Eine Sonnenblende wird bei dem Objektiv auch gleich mitgeliefert. Das Äußere machte jedenfalls einen sehr guten Eindruck. Auch der Autofokus-Mechanismus sieht langlebig gebaut aus, da die Fokussierung im Inneren erfolgt und nicht wie beim Canon 50 1,4 ein Tubus vorne ausfährt. Beim Sigma wurde also die mechanisch robustere Variante gewählt.
Ich habe das Objektiv also gleich auf meine EOS 7D geschraubt und Bilder geschossen. Die Bildqualität des Objektivs ist extrem gut, soviel vorneweg. Das Objektiv hat so gut wie keine chromatischen Abberationen, die Schärfe war bis in die Ecken gut, in der Mitte sehr gut - und das schon bei Blende 1,4 auf einer 18 Megapixel-Kamera. Die Farbwidergabe ist neutral, die Kontraste ziemlich gut, schon bei offener Blende. Das Canon ist bei F1,4 deutlich weicher und hat mit vergleichsweise starken chromatischen Abberationen zu kämpfen. Das Bokeh des Sigmas hat schöne, kreisrunde Zerstreukreise und wirkt sehr homogen. Besonders hinsichtlich des Bokehs ist es dem Canon-Pendant überlegen. Das Objektiv könnte also ein perfektes Portrait-Objektiv an einer Crop-Kamera sein.
Damit kommen wir zur negativen Seite. Der Autofokus des Objektivs war bei mir vollkommen unbrauchbar. Im Nahbereich, ab der Naheinstellgrenze bis zu etwa fünf Meter Motivabstand, hatte das Objektiv einen extremen Frontfokus; d.h. die Schärfeebene lag erheblich vor dem anvisierten Objekt. Bei einem Objekt in 2 Meter Entfernung lag die Schärfeebene beispielsweise rund 30 cm vor dem eigentlichen Objekt. Damit war das Hauptmotiv natürlich bereits vollständig im Unschärfebereich. Der Autofokusfehler verringerte sich mit steigendem Motivabstand, was eine AF-Korrektur in der Kamera unmöglich machte, da der Fehler sich mit dem Motivabstand veränderte. Zudem reichte die Korrekturskala der Kamera nicht aus, um den Fehler herauszukorrigieren.
Natürlich kann so ein Fehler auch an der Kamera liegen, daher probierte ich das Objektiv an einer weiteren Kamera. Das Ergebnis war allerdings dasselbe.
Also habe ich das Objektiv erst mal zurückgeschickt und mir ein weiteres bestellt. Leider war beim zweiten Objektiv dasselbe Problem vorhanden. Also habe ich auch dieses zurückgeschickt.
Da ich die Suche nach einem funktionierenden Objektiv aber nicht aufgeben wollte, da mich die Bildqualität so begeistert hatte, versuchte ich es noch bei einem ortsansässigen Händler. Der hatte zwei von den Sigma-Objektiven da, die ich ebenfalls auf meiner EOS 7D ausprobierte. Und wieder derselbe Fehler. Daraufhin haben wir die Sigma-Objektive des Händlers noch auf einer EOS 7D und einer EOS 50D des Händlers ausprobiert und auch auf diesen beiden Kameras trat der Fehler auf. Zwei gegentestete Canon 50 1,4 funktionierten dagegen perfekt. Was soll man dazu sagen?
Letztlich habe ich mir dann ein defektes Sigma 50 1,4 gekauft und dieses sofort zu Sigma eingeschickt. Das Sigma kam nach knapp zwei Wochen von der Justage zurück. Da es auf sämtlichen Kameras dasselbe Fehlverhalten gezeigt hatte, habe ich es zunächst ohne Kamera eingeschickt.
Nach der Justage hatte es im Nahbereich immernoch einen deutlichen Frontfokus (wieder mehrere Kameras getestet). Ab ca. 3 bis 4 Metern Entfernung begann er sich zu relativieren und wurde bei großer Entfernung langsam zu einem Backfokus. Insgesamt hat das Objektiv also nur einen kleinen Entfernungsbereich, in dem es ohne manuelles Überdrehen des Autofokus oder ohne Feinjustage korrekt scharfstellt. Immerhin war jetzt die Korrekturskala in der Kamera ausreichend, um einen Korrekturwert einzugeben, der für normalen Portraitabstand funktioniert. Alles was drunter oder drüber lag, musste beim Fotografieren manuell nachgestellt werden.
Auf Nachfrage behauptete Sigma, dass dies an der Kamera liegt und ich die Kamera mit zur Justage einschicken soll. In diesem Fall könne man, so Sigma, das Objektiv in Abhängigkeit vom Motivabstand an die Kamera anpassen. Gesagt getan, ich habe das Objektiv also nochmals mit der Kamera zusammen eingeschickt. Statt das Objektiv nun endlich an die Kamera zu justieren, tauschte Sigma das Objektiv einfach gegen ein anderes aus, welches denselben Fehler aufwies.
Ich habe das Austauschobjektiv von Sigma zum Glück beim Fotohändler vor Ort zurückgeben können. Er räumte ein, dass er speziell bei Canon häufiger Probleme mit dem Objektiv habe und er verstehe nicht, warum Sigma das nicht in den Griff bekommt.
Ein halbes Jahr später wagte ich erneut einen Versuch, in der Hoffnung, dass Sigma das Problem zwischenzeitlich in den Griff bekommen hätte. Ich bestellte also wieder ein Sigma 50 1.4 und schraubte es auf meine Kamera. Trotz überarbeitetem Objektiv-Design (es hat nunmehr eine glatte statt einer angerauten Oberfläche) hat sich nichts an der unterirdischen AF-Performance gebessert. Daher ging auch dieses Objektiv wieder zurück zum Händler.
Einen Fehler an der Kamera kann ich nach wie vor ausschließen, da ich meine Kamera wegen des Sigmas sogar bei Canon zur Überprüfung hatte, um sicherzustellen, dass der AF der Kamera auch tatsächlich einwandfrei arbeitet. Dank CPS ging das bei Canon auch innerhalb von drei Tagen. Also kein größeres Problem. Außerdem habe ich ja immer an verschiedenen Canon-Kameras getestet.
Zusätzlich zum generellen Fehlfokus kommen weitere Probleme beim Fokussieren. Der AF-Motor scheint Probleme beim korrekten Anfahren der richtigen Position zu haben, denn der Fokus ist insgesamt sehr inkonsistent. Die Wiederholgenauigkeit ist schlecht; d.h. wenn man die Kamera aufs Stativ stellt und ein und dasselbe Motiv anfokussiert, liegt der Fokus manchmal genau auf dem Punkt, mindestens genauso oft aber auch davor oder dahinter. Eventuell hat dies mit dem sehr kurzen Fokussierweg zutun. Von der Naheinstellgrenze bis Unendlich braucht man gerade einmal etwa eine halbe Umdrehung. Das ist auch für manuelles Fokussieren viel zu wenig. Daher ist das Objektiv auch dafür nur bedingt geeignet. Das Canon 50 1.4 lässt sich deutlich feinfühliger fokussieren und dessen Wiederholgenauigkeit ist erheblich größer. Trotz des kürzeren Weges ist der AF des Sigma geringfügig langsamer als der des Canon 50 1.4.
In Bezug auf den AF des Sigma muss man ebenso den erheblichen Fokusshift ansprechen. Fokussiert wird bekanntlich immer bei Offenblende. Blendet man das Objektiv nun ab, z.B. auf F2.0 oder F2.8, verschiebt sich der Fokus deutlich nach hinten. So kann es sein, dass der AF bei F1.4 durchaus stimmt, aber durch Abblenden zum Backfokus wird. Das hat das Canon überhaupt nicht.
Beispielbilder Fokus:
Canon 50 1,4 bei F1.4 und 1/30 sec. an EOS 7D, ISO 100, auf den Tisch aufgelegt:
http://img823.imageshack.us/i/img4594in.jpg/
Sigma 50 1,4 bei F1.4 und 1/30 sec. an EOS 7D, ISO 100, ebenfalls auf den Tisch aufgelegt:
http://img28.imageshack.us/i/img4595w.jpg/
Beispielbilder Bokeh:
http://img3.imageshack.us/g/mg0763.jpg/
Fazit:
Wer sich dieses Objektiv kauft, muss zumindest damit rechnen, es auf jeden Fall sofort zum Service von Sigma schicken zu müssen. Die Wahrscheinlichkeit ein Brauchbares ab Werk zu bekommen, scheint nach meinen Erfahrungen eher gering zu sein. Auch die Justage war bei mir ja nicht besonders erfolgreich. Für Canon-Anschluss kann ich nur von dem Objektiv abraten, auch wenn die Bildqualität noch so gut ist. Das steinalte Canon ist die bessere Alternative, auch wenn das Bokeh und die Schärfe nicht ganz mit dem Sigma mithalten können. Daher habe ich seit längerem auch wieder das Canon 50 1.4.
Viele Grüße,
Tiger