Zeig/diskutiere Dein Street-Bild

  • Nun, für "mich" erfasst das Bild schon eine besondere Stimmung, die durch das gemeinsame Warten von sehr unterschiedlichen, fremden Personen entstanden ist. Als "ich" da auch gesessen bin, habe ich mir schon Fragen zu diesen Personen gestellt. Das Ambiente des Warteraums hat diese spezielle Stimmungslage verstärkt.


    Mglw. ist es mir aber nicht gelungen, diese Stimmung auf ein Bild zu bannen und einem außenstehenden Betrachter zu vermitteln :|

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

    • Offizieller Beitrag

    Ich bin Dir, Benjamin, dankbar für Deine Antwort hier und auch bei meinen paar Bildern. Sie führt ziemlich direkt in die Sinnfrage der Strassenfotografie. Entstanden ist die - soweit ich das überblicke - als dokumentarisches Genre. Und so verstehe ich sie auch für mich:


    Mir haben Strassenfotos immer subjektiv gefallen, ich konnte nur nie einen Ansatz für mich finden, warum ich selbst welche machen sollte. Anders ausgedrückt: meine eigenen wenigen Strassenfotos schienen mir immer sehr beliebig und unbedeutend. Das hat sich ein wenig verändert.


    Ich möchte nicht in Anspruch nehmen, dass meine Fotos nun bedeutender geworden sind. Aber sie bedeuten mir etwas. Warum? Ich habe vor einiger Zeit (ein paar Jahre) begonnen, nicht mehr in Bildern sondern in Serien und Reihen zu denken. Dabei spielt es keine große Rolle, ob es eine kleine Serie oder ein großes 'Projekt' ist. Entscheidend für mich ist, dass ich über einen gewissen Zeitraum einen Gedanken verfolge und mich daran versuche.


    Und da steckt auch schon die zweite wichtige Veränderung drin: 'für mich'. Fotografie erzählt immer mehrere Geschichten. Mindestens die der abgebildeten Dinge und Personen und die des Fotografen. Reisefotos erzählen nicht nur, wie es an einem anderen Ort aussieht sondern vor allem, dass ich dort war, wie es mir dort ging und was mir dort auffiel. Sie erzählen von mir.


    Das ist bei Strassenfotos auch so und aerichs Antwort bestätigt das. Meine Serie aus Turin, schief und verwackelt und schwarz und weiß (in ganzer Länge auf meinem Blog), erzählt, wie es mir in Turin ging. Und sie erzählt, wie Turin auf mich wirkte. Natürlich erzählt sie auch ganz direkt, wie Turin aussieht. Dort, wo ich meine Kamera hingehalten habe. Das alles wird diese Serie auch in zehn zwanzig Jahren noch in einer Weise erzählen, wie es (auch meine) sonstigen 'Postkarten' nicht tun.


    Die Menschen auf den Bildern, in all Ihrer persönlichen Würde, sind damit im besten und im positivsten Sinne 'Beiwerk' der Szenen. Sie ich bemühe mich oft, sie zusätzlich in eine Bewegungs- oder Fokusunschärfe zu bringen, manchmal schaffe ich es auch, sie anzusprechen und das Bild von ihnen 'absegenen' zu lassen. Zentral aber ist, dass ich sie nicht zum Zentrum meiner Aufnahmen mache. Das Zentrum meiner Aufnahmen ist mein eigener Blick. Ich bin es. Und das ist gut so. Für mich.


    Ob es sinnvoll ist, solche Aufnahmen dennoch öffentlich zu zeigen? Ja. Jedes fotografische und künstlerische Werk erzählt von seinem Autor. Selbst Stockfotos tun das. Die Frage, was man (von sich) öffentlich zeigt, ist also eine sehr grundsätzliche.

  • wie Stephan.


    P.S./Nachtrag:
    schau dir doch mal die "Interaktion" der drei wartenden Personen genau an, ihre Körperhaltung und ihr Tun. Natürlich ist da Spannung drin, und nicht wenig: Die eine Person mit dem Laptop in der Ecke, eine andere mit Kopfhörer und Handy, und die abweisende/abgewandte Körperhaltung der dritten Person, jeder in seiner Ecke, alle gemeinsam - jeder für sich, ganz anonym. Vielleicht kommt das nicht bei jedem Betrachter so an, o.k. :( , und mglw. ist das von mir auch nicht sonderlich gut "rübergebracht" und nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Vielleicht sehe ich das auch nur anders als andere. Vielleicht hat auch nicht jeder Lust, sich die notwendige Zeit zu nehmen, ok. Aber solche "Beobachtungen" finde "ich" ungeheuer spannend und voller Rückschlüsse letztlich auf das eigene Sozialverhalten und Dasein.


    Ich muss allerdings eingestehen, das das auch Teil meines Berufes ist und vielleicht bin da auch besonders sensibilisiert :???:

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

    Einmal editiert, zuletzt von aeirich ()

  • ...Stefan hat da im allerletzten Satz genau den Punkt gebracht, der gute Bilder von allem anderen unterschiedet:


    Zitat

    Jedes fotografische und künstlerische Werk erzählt von seinem Autor.


    Ich will das mal ergänzen, wie ich das für mich sehe. Die Streetfotografie ist Zeuge seiner Zeit und hält ungestellt und ungeschminkt fest, wie eine Epoche wirklich war. Damit Bilder aber diesem Anspruch genügen, braucht es einiges und es gibt verdammt wenig Fotografen, die das wirklich können oder konnten. Sie produzier(t)en Bilder bei welchen man inne hält und der Film ganz von allein vor dem inneren Auge weiter läuft.


    Stefan du sagst ja, dass die Bilder auch einen Teil dessen erzählen, was du erlebt hast. Die Frage ist dann halt, ob der Betrachter in der Lage ist, diesen Faden aufzugreifen. Beim Bild von Aeirich klappt das leider gar nicht. Aeirich, du hast auf Seite 1 ein Beispiel, wo dies aber funktioniert und das ist die verhüllte Frau vor dem Telefonladen, genauso wie die beiden Kellner vor dem Restaurant. Da kommt diese Bindung zustande. Bei dem Bild hier, kommt allerdings nix zustande, nur manchmal möchte man es selber so sehen.


    Der Ritter scheint da auch ein recht gutes Gespür für solche Bilder zu haben. Ich selber bin da kein Spezi für, wenn sind es Zufallstreffer... .

    • Offizieller Beitrag

    Ja keine halt, deswegen reagiert auch keiner. :P Junge Familie, womöglich im Urlaub, isst Eis in der Fussgängerzone. Gerade keine Lust, sich im Eiscafé hinzusetzen und das dreifache zu zahlen. Mutti hat eben noch bezahlt und kommt deswegen als letzte. Das hab ich hier jedes Wochenende. Ich bin dann der ganz rechts im Bild.


    Straßenfotografie. Dünnes Eis. Die Grenze zwischen Banalität und Anspruch ist fließend. Ich akzeptiere das absolut auch für meinen eigenen Fotos. Hier geh's mir aber wie all denen, die bislang nichts geschrieben hatten...


    :|:duck:

  • @ Franz & spationaute:
    danke euch für die Hinweise!
    Ich dachte, das wäre so verständlich: Kind im VG als Silhouette und Flugzeug gegenüber. Eine andere Bea macht mMn keinen Sinn, da das auch nicht besser erkennbar sein würde. :danke:

    lg, Achim

    (Von mir eingestellte Bilder dürfen grundsätzlich bearbeitet und bei DFT gezeigt werden.)

  • Das Bild Nr.1 von Manolo´s Dreierserie ist ein wirklich sehr gelungener Schuss.
    Selten regt mich persönlich ein Bild so sehr dazu an über dessen Wirkung bzw. Aussage nachzudenken
    wie dieses und genau deswegen finde ich es so klasse. :thumbup:

    Wenn die Klügeren immer nachgeben,

    regieren die Dummen die Welt


    VlG Udo

  • Zitat von "Franz"

    Das Bild funktioniert bei mir nicht, ich kann im Vordergrund fast nichts erkennen.


    aeirich: Geht mir genauso, sorry. Und der Angler ist irgendwie - hm ... banal, das Bild erzählt mir(!) nichts, zeigt mir(!) nichts Interessantes. Manchen Bildern fehlt einfach das Moment, warum man hingucken soll. Persönlich finde ich Deine "Verhüllte Dame vor dem Telefonladen" zwei bis drei Klassen besser. Aber das ist - wie immer - in höchstem Maße subjektiv. ;)


    Bully / manolo: Ja, der alte Mann, der einfach weggefegt wird - das hat schon was :thumbup:

  • "Grenzwertig ..."




    Street-Fotografie?


    Das Bild wurde in einer amerikanischen Metropole aufgenommen - welche, spielt keine Rolle. Da Fotografieren für mich selbst auch den Charakter einer persönlichen Notiz hat, mache ich gelegentlich Bilder von Szenen und Dingen, die mich beschäftigen oder berühren. Normalerweise stelle ich die nicht ins Netz, weil ich das - so wie die Wohnung dieses Mitmenschen - für grenzwertig halte. Nahe an der Grenze zum Voyeurismus. Außerdem: welchen Zweck verfolge ich mit so einer Veröffentlichung z.B. auf Flickr oder fc? Lob für das Foto einfahren? Über die Komposition diskutieren? "Likes" sammeln ...? Mich als sozialkritischen Gutmenschen ins Licht rücken? Ich weiß es nicht, und solange ich mir diese Frage nicht beantworten kann, bleiben die Bilder privat.


    Auf diesem Thread, auf diesem Forum, wage ich mal die Ausnahme. Bin gespannt, ob das Foto eine Reaktion hervor ruft, bin gespannt auf Eure (kritische) Meinung ...

  • Die Frage ist ja nicht nur, warum Du das Bild machst und zeigst, sondern auch, wie und warum es angesehen wird. Von letzterem hängt nicht unwesentlich ab, ob Deine Entscheidung richtig war. Ich neige bei sowas immer zu einem "Ja, zeigen!". Weil für mich das Problem "Ausblendung" heutzutage schwerer wiegt, als alle anderen möglichen Vorwürfe wie Schaulust oder Schadenfreude. Für mich sind solche Vorwürfe überhaupt kein Argument. Außerdem glaube ich, daß Schaulust nicht nur auf Schadenfreude beruht, sondern oft auf natürlicher Neugier. Wie sieht das aus, was man sonst nicht sieht und lebt. Ich halte es für ganz natürlich, bei nem Unfall ins "Gucken" zu verfallen. Man sollte es nicht, um niemanden zu behindern, und deshalb mach ich's auch nicht. Aber natürlich hab ich Schaulust ... auf alles, was ich sonst nicht sehe. Würde nicht alles ausgeblendet, wäre es normal(er) und würde manchmal weniger Probleme durch Neugier mit sich bringen ... und in einem Fall wie diesem hoffentlich auch das Bewußtsein und die Hilfsbereitschaft der Leute gleichermaßen stärken.

  • Zitat von "RitterRunkel"

    "Ja, zeigen!".


    Absolut; auch wenn es nur einen einzigen Menschen betrifft und die restlichen 6,999,999,999 in Wohlstand leben, ist es ein Missstand, der gezeigt werden muss. Solange die Abgebildeten nicht erkannt werden können, sehe ich keinen Voyeurismus. Ich sehe da nur eine Dokumentation, mit oder ohne künstlerischem Anspruch; in so einem Fall total irrelevant...