Zeitgenössische Ortsentwicklung

  • Seit Jahren fotografiere ich nun die Dörfer und Städte meiner Umgebung. Und immer stelle ich fest, dass mich die "alten" Strukturen fotografisch am meisten anziehen: alte Häuser, Brunnen, Scheunen, Ortskerne, Kirchen, Friedhöfe, Wirtshausschilder usw. usf.. Immer nur das alte Zeugs. Was ich nicht hinbekomme, ist attraktive Fotos von den neueren Vierteln zu machen. Ja, ab und zu mal ein besonders gelungenes Einzelgebäude oder mal zwei Straßenzüge renoviertes Hafengebiet - grade in den Städten - aber ich frage mich immer, in welche der von unserer Generation gebauten Städte oder Stadtviertel werden in hundert Jahren die Touristen pilgern und sagen: "Wow - haben die damals schöne, lebenswerte und architektonisch interessante Städte gebaut!" ? Die normalen Dörfer und Kleinstädte, in denen wir leben - ich finde da kaum mal was Neues, was ich richtig spannend finde. Liegt das an mir, hab' ich einfach nur Tomaten auf den Augen?


    Könnt Ihr mir bitte Bilder von Euch mit einstellen, von den Neubau-Vierteln Eurer Heimatorte, wo es Euch gelingt, diese wirklich interessant und fotografisch ansprechend abzubilden? Ich wäre da für Anregungen echt dankbar.

    Das ist ein Blick auf unser Kuh-Dorf, der mir ganz gut gefällt. Aber 1.) weil der alte Kirchturm mitten drin steht (ohne den wär's eher fad) und 2.) sind diese farbigen Holzhäuser hierzulande die absolute Ausnahme, also keineswegs typisch für moderne Ortsentwicklung. Aber immerhin ...


    Also, wer hat etwas auf der Platte? Oder Lust, loszuziehen und das Heimat-Kaff schön zu fotografieren?

  • Hm, da geht es mir wie dir. Auch ich suche/bemerke eher die alten oder historischen Ansichten. Das Neue/Aktuelle ist vielleicht zu gewöhnlich um Aufmerksamkeit zu erregen. Wobei ich für eine Gegenüberstellung jetzt auch die gewöhnlichen Ansichten von vor wenigen Jahrzehnten zu schätzen wüsste.
    Wenn ich weiß, dass irgendwo eine Veränderung ansteht versuche ich den vorherigen Zustand zu dokumentieren.

  • So ganz ist mir dein Ansatz noch nicht klar, aber ich versuche mal mich ranzutasten.


    Zunächst sehe ich das als schwierig an, deine Idee in einer Großstadt umzusetzen. Die Straßen sind nicht immer breit, die Gebäude (gerade die Neubauten) sind groß, das wird schwierig - schon gar bei der Darstellung alt gegen/neben neu. Deswegen wildere ich zunächst mal in einer fremden Stadt, in Hamburg. Hinten sieht man alten Backstein (meines Wissens ein umgebautes altes Gebäude), vorne neuen Beton ...



    Das ist in der Hafen-City, die ja erst vor relativ kurzer Zeit entstanden ist. Den Nebel bitte ich zu entschuldigen - aber es ist halt Hamburg im November.

    Gruß
    Peter


    [ô]  PENTAX K-1 / PENTAX K-3 / PENTAX K-30 - Objektive siehe Profil

    Einmal editiert, zuletzt von ice-dragon ()

  • Zweiter Versuch: Bei mir um die Ecke, unser Park, der nach einer Vorgeschichte als Park eines privaten Besitzers vor gut 100 Jahren in seiner heutigen Form als öffentliche Grünanlage angelegt wurde. Die Bäume verdecken die umgebende alte Bebauung, die meist genauso alt ist wie der Park, an vielen Stellen. Aber an einer Stelle hilft auch kein ganzer Wald mehr ...



    Gruß
    Peter


    [ô]  PENTAX K-1 / PENTAX K-3 / PENTAX K-30 - Objektive siehe Profil

  • Dritter Versuch: Ein Blick über Berlin, vorne ein überwiegend historisch bebauter Bereich von Schöneberg, dahinter ein dunkler Klotz in Kreuzberg, das Postscheckamt Berlin West (später Postbank), dahinter die Wohnhochhaus-Bebauung an der Leipziger Straße im ehemaligen Berlin Ost und dahinter der Fernsehturm und das Hotelhochhaus am Alexanderplatz. wer genau hinsieht, entdeckt hinter den Hochhäusern an der Leipziger Straße rechts von dem Hotel und links von dem dunklen Klotz eine Turmspitze. Das ist die Spitze des Roten Rathauses, des Rathauses von Berlin. Dieser wichtige Bau hatte für seine Zeit natürlich einen repräsentativen Turm, der als Landmarke weit über die Stadtbebauung hinausragte. Heute hat dieser Turm Schwierigkeiten, sich gegen die Neubauten zu behaupten.



    So, nun bin ich mal gespannt, welcher der drei Versuche dem geplanten Thema am nächsten kommt. Eines ist sicher, zur HafenCity und zum Fernsehturm am Alex pilgern schon heute die Leute, um sich diese moderne Architektur anzusehen. Hohe Wohnhäuser dürften dagegen eher keine Anziehungspunkte sein, schon gar nicht für Touristen aus Fernost, sind doch dort die Städte weit aus mehr mit hohen Wohnhäusern zugepflastert. Und schön sind die meisten nun nicht gerade.

    Gruß
    Peter


    [ô]  PENTAX K-1 / PENTAX K-3 / PENTAX K-30 - Objektive siehe Profil

  • So ganz ist mir dein Ansatz noch nicht klar

    Dann erstmal danke für die Bereitschaft, sich trotzdem damit auseinanderzusetzen.


    Ich versuche es nochmal genauer zu beschreiben:


    Es geht mir um Beispiele von architektonisch gelungener Stadt- oder Dorfentwicklung in den letzten - sagen wir mal ruhig: 70 Jahren. Das enthält neben dem begrenzten Alter noch zwei Aspekte:


    a) nicht einzelne Gebäude (da gibt es natürlich das eine oder andere interessante Exemplar), sondern die moderne Gestaltung ganzer Straßenzüge, Plätze, Ensembles oder sogar Viertel.


    b) "Gelungen" - das ist natürlich ein wenig objektives Kriterium. Doch zumindest subjektiv können wir uns dem doch annähern: gelungen ist, was Ihr persönlich für gelungen haltet. Das kann optisch gelungen sein, oder auch, dass z.B. eine Struktur ganz besonders gut funktioniert, zum Treffpunkt für viele wird, etc.. Unter'm Strich immer mit der Frage im Hinterkopf: ist das etwas, was so bemerkenswert oder schön ist, dass es für meine Enkel und Urenkel eine Reise wert sein wird, um sich das anzuschauen.


    Die geschickte Verbindung von Neuem mit Altem kann dabei ein Aspekt sein - z.B. bei der Auffüllung von Baulücken, bei der behutsamen Moderniserung von Stadtkernen etc.. Aber es muss nicht sein, denn schließlich bauen wir ja seit Jahrzehnten wie blöd Neubauviertel auf die grünen Wiesen - ohne jede Anbindung an vorhandene Strukuren.


    Vor diesem Hintergrund kommt das Bild von der Hafen-City der Sache am nächsten. Es ist ein Ensemble, kein Einzelgebäude, es ist neu (i.S.v. nicht älter als 70 Jahre), und ob es gelungen ist, wollen wir ja im subjektiven Ermessen lassen.

  • Noch ein, zwei Beispiele aus dem Fundus:


    In Nürnberg hat man zwar im Wesentlichen die zerbombte Altstadt versucht zu replizieren, aber an ein paar Stellen ging das nicht, oder man wollte nicht - dort hat man versucht, ein Stück neues Stadtbild zu gestalten. Liegt aber schon wieder nahe am Einzelgebäude:


    Und in Oslo hat man - ähnlich wie in Hamburg - das alte, industrielle Hafengelände neu bebaut, mit Wohn-, Büro- und Gastronomieflächen (und einer Menge unsichtbarer Tiefgaragen!). Architektonisch m.E. einfallsreicher und auch gelungener als Hamburg, aber ob einem das gefällt, bleibt natürlich Geschmacksache. Ich finde es, grade im Winter, schon sehr spröde und kalt.


    Beides sind Großstadt-Ensembles. Noch mehr als die interssiert mich, was in kleinen Städten und Dörfern so geschaffen wird. Und ob man unseren ganz normalen Wohnorten und Wohnvierteln nicht doch mehr Reiz abgewinnen kann, als es mir scheint?

  • Was die Touristen und ihre Bewunderung betrifft, denke ich, dass ein Perspektivenwechsel nötig wäre und zwar schon heute. Beispiel Heidelberg:



    Voll von Touristen aus allen Herren Ländern, die sich die Altstadt, die alte Uni und das Schloss anschauen. Dies wird ihnen verkauft.


    Das hier ist auch Heidelberg:



    Ich würde wetten, dass mehr als 90% der Touristen das nicht mal sehen, geschweige denn wahrnehmen. Dies wird ihnen nämlich nicht verkauft.


    Und was die gelungenen Stadtentwicklungen betrifft, würde ich gerne an einen Beitrag von mir aus 2018 erinnern, wo es gerade um so ein Viertel ging:

    Vier Dinge in /\/\RHUS

  • Noch mehr als die interssiert mich, was in kleinen Städten und Dörfern so geschaffen wird.

    Da wirst du möglicherweise wenig Glück haben - alles was ich im Bereich Kleinstadt/Dorf in den letzten Jahren beobachten konnte, sind Freiflächen, von denen 5.000qm mit 20 Häusern bebaut werden. Da ist definitiv nicht's "Schönes" dabei. Aber, ich halte mal die Augen offen ;)

    Yakumo Mega-Image 34 - Konica Minolta Dimage A200 - Konica Minolta Dynax 5D - Canon PowerShot G3 X

  • Da wirst du möglicherweise wenig Glück haben - alles was ich im Bereich Kleinstadt/Dorf in den letzten Jahren beobachten konnte, sind Freiflächen, von denen 5.000qm mit 20 Häusern bebaut werden. Da ist definitiv nicht's "Schönes" dabei.

    Das trifft genau meinen Punkt. Und es geht Dir offenbar ähnlich wie mir. Ich weiß bloß nicht, ob das an meiner Sichtweise liegt, oder "den Tatsachen" entspricht. Anders gefragt: bin ich vielleicht einfach nur blind für die genialen Schöpfungen unserer Stadtplaner und Architekten?


    Aber, ich halte mal die Augen offen

    Ja, bitte! :daumenhoch:

  • Letzte 70 Jahre - d.h. also Nachkriegsbebauung.


    Passen tut dann auch mein Bild im 3. Versuch der Annäherung. Die Wohnbebauung mit Hochhäusern an der Leipziger Straße war eine moderne Gestaltung eines Straßenzuges. Kurz vor (aus Sicht meines gewählten Standpunkts für das Foto) den Wohnhochhäusern verlief die Berliner Mauer und quasi direkt davor auf Westberliner Territorium stand/steht das Verlagsgebäude des Axel-Springer-Konzerns. Die Bebauung wurde ausdrücklich mit Hochhäusern vorgenommen, um den Blick auf die Werbung und diverse Anzeigetafeln mit Nachrichten an dem Verlagsgebäude zu verstellen. Aus Sicht der DDR-Oberen war dies eine sehr gelungene und gefällige Stadtgestaltung, schon weil die Nachrichten extra so angezeigt wurden, dass man sie weit bis nach Ostberlin hinein lesen konnte, während man sie von Westberliner Seite nur bei einem Spaziergang entlang der Mauer entdeckt hat - hach, manchmal vermisse ich den Kalten Krieg und die Propagandaschlachten :mrgreen:

    Beides sind Großstadt-Ensembles. Noch mehr als die interssiert mich, was in kleinen Städten und Dörfern so geschaffen wird. Und ob man unseren ganz normalen Wohnorten und Wohnvierteln nicht doch mehr Reiz abgewinnen kann, als es mir scheint?

    In Dörfern? Vermutlich Einfamilienhaussiedlungen und vermutlich mit 50 Ansichten immer des gleichen Haustyps. So ist es jedenfalls im Speckgürtel rund um Berlin überall zu finden. Nach Mauerfall, als man endlich ins Grüne ziehen konnte, haben Firmen ganze Siedlungen mit Einheitsbauten zugepflastert und sie dann gewinnbringend an die Menschen gebracht.

    Das hier ist auch Heidelberg:

    Hey, so einen ähnlichen Gaul haben sie bei uns auch neben den neuen Hauptbahnhof gesetzt - Kunst am Bau, wenn offensichtlich auch Massenware :roll:

    Gruß
    Peter


    [ô]  PENTAX K-1 / PENTAX K-3 / PENTAX K-30 - Objektive siehe Profil

  • Anders gefragt: bin ich vielleicht einfach nur blind für die genialen Schöpfungen unserer Stadtplaner und Architekten?

    So, nun hast du noch geantwortet, während ich schrieb. Daher muss ich mich gleich noch einmal zu Wort melden und deine neue Frage mit einem klaren "JA" beantworten :pink:

    Gruß
    Peter


    [ô]  PENTAX K-1 / PENTAX K-3 / PENTAX K-30 - Objektive siehe Profil

  • Ist das nicht eventuell eine Frage des Zeitgeistes?


    Ich sehe auch überwiegend die älteren Gebäude lieber, als die neuen. Aber wie ging es Menschen in der Zeit um 1900? Och nee, schon wieder Jugendstil, könnten die gedacht haben. So hat bestimmt jede Zeit seinen Blick auf das Vorangegange.

    Heute pflastern die z.B. in Berlin jede Baulücke mit weißen Gebäuden zu. Egal was daneben steht. Einzeln findet man sie eigentlich noch ganz schick, aber ein paar Straßen weiter steht fast das gleiche Haus nochmal. Es sind aber unterschiedliche Bauherren. Im nächsten Bezirk wiederholt sich das ganze. Irgendwann denkt man, dass das sehr einfallslos ist. Ich kenne mindestens 20 solcher Gebäude.

  • Ich sehe auch überwiegend die älteren Gebäude lieber, als die neuen. Aber wie ging es Menschen in der Zeit um 1900? Och nee, schon wieder Jugendstil, könnten die gedacht haben. So hat bestimmt jede Zeit seinen Blick auf das Vorangegange.

    Nun haben unsere Altvorderen - gerade auf den Dörfern - ja nicht so sehr absichtlich und planvoll tolle Ortskerne zusammengeschustert, sondern sie haben a) zweckdienlich und b) manchmal auch angeberisch gebaut, dann aber (wie heute) ihren eigenen Palast oder ihre eigene Fassade. Sie haben auch fröhlich die Baustile gewechselt, sind Moden gefolgt, etc.. Und trotzdem ist das Ganze häufig zu ansehnlichen Arealen zusammen gewachsen.


    Also, wieso kriegen wir das heute nicht hin? Oder übersehe ich da etwas, und die üblichen Neubausiedlungen mit 100 EFH sind in Wirklichkeit die Schmuckstücke und Pilgerstätten von morgen?


    Und ehe das Ganze hier zu einer reinen Diskussion verkommt, zeigt bitte gerne viele Beispiele, wie Ihr das seht. :danke:

  • Das Motiv habe ich schon einmal gezeigt, aber das ist ein neueres Foto.

    Das macht nichts, aber darf ich mal offen fragen, ob Du dieses Beispiel für Stadtentwicklung und Architektur für besonders "gelungen" oder sehenswert hältst? Ich stelle die Frage ohne Ironie oder doppelten Boden - Geschmäcker sind verschieden, und vielleicht erkenne ja nur ich nicht die innere Schönheit solcher Ensembles?

  • So, nun hast du noch geantwortet, während ich schrieb. Daher muss ich mich gleich noch einmal zu Wort melden und deine neue Frage mit einem klaren "JA" beantworten

    Dann bitte, zeig doch noch ein paar mehr Beispiele gelungener Stadtentwicklung / Dorfentwicklung - ich suche nämlich nach Anregungen, und ver-suche auch, meinen blinden Fleck zu identifizieren.

  • Das ist ein total interessantes Thema und ich muss gestehen, dass ich es auch wie die Mehrheit hier mit den alten Bauten habe. Ganz unabhängig von diesem Thread, mit exakt entgegengesetzter Aufgabe, habe ich mir für diese Saison "Hofschaften" vorgenommen, wir haben hier in Solingen etliche davon.

    Wir selber wohnen auch in einem 120J Mehrfamilien-Altbau-"Block", bisschen Stuck, gemeinsame Wiese hinterm Haus, manche Mieter nennen es Villa Kunterbunt, weil wir bei der rückwärtigen Farbgestaltung entgegen dem Zeitgeist bunte Farben gewählt hatten:



    Ich wohne links oben, hinter der Fichte 😂


    Die ganzen neuen Siedlungen, ich habe immer das Gefühl, dass die mit Verfallsdatum geplant und gebaut wurden, die sind gefällig ohne schön zu sein, praktisch statt individuell, ich kann mich an wirklich kein Neubaugebiet erinnern, wo ich gesagt hätte "Oh ja schön, das ist was besonderes". Ich hab mir auf Sylt mal Kampen angeschaut, selbst das fand ich gefällig, aber so manches "einfache" Haus z.B. an der Mosel oder halt unsere Fachwerkhofschaften, die finde ich einfach viel schöner und lebendiger.
    Jetzt merke ich gerade, dass ich mich bislang auf reine Wohnbebauung bezogen habe und wenn ich weiter nachdenke, dann muss ich auch sagen, dass manche neueren Gebäude tatsächlich schön und stimmig in die Umgebung eingepasst oder auch Charakterbildend für ein Viertel finde. Das ist jetzt nichts, was ich normalerweise fotografiere, Architektur können andere viel besser, daher habe ich da auch spontan nichts parat, aber ich werde mich mal an diesen Thread erinnern, wenn ich nochmal an solchen Gebäuden vorbeikomme.


    Schöne Grüße

    Stefan

  • Dann bitte, zeig doch noch ein paar mehr Beispiele gelungener Stadtentwicklung / Dorfentwicklung - ich suche nämlich nach Anregungen, und ver-suche auch, meinen blinden Fleck zu identifizieren.

    Oha, ein Missverständnis. Ich erkenne die gelungene Stadtentwicklung ja selber nicht, du sprichst mir sozusagen aus dem Herzen. Wie soll ich Blinder dir als Blindenhund dienen?


    Ich habe schon mehrfach Ausführungen eines Spezialisten über mich ergehen lassen, sah die außerordentlichen Besonderheiten, die er pries, und verstand - nix ... So konnte ich deine Frage aus eigener Erfahrung rein akademisch exakt beantworten, helfen kann ich dir aber nicht. Ich werde aber trotzdem versuchen, hier immer wieder mal mit Bildern dazu beizutragen, unseren gemeinsamen Dilettantismus zu pflegen.

    Nun haben unsere Altvorderen - gerade auf den Dörfern - ja nicht so sehr absichtlich und planvoll tolle Ortskerne zusammengeschustert, sondern sie haben a) zweckdienlich und b) manchmal auch angeberisch gebaut, dann aber (wie heute) ihren eigenen Palast oder ihre eigene Fassade. Sie haben auch fröhlich die Baustile gewechselt, sind Moden gefolgt, etc.. Und trotzdem ist das Ganze häufig zu ansehnlichen Arealen zusammen gewachsen.


    Also, wieso kriegen wir das heute nicht hin? Oder übersehe ich da etwas, und die üblichen Neubausiedlungen mit 100 EFH sind in Wirklichkeit die Schmuckstücke und Pilgerstätten von morgen?

    Und auch hier ein klares "ja". Soviel konnte ich meinem oben erwähnten Spezialisten schon abringen, dass nämlich die uns heute so homogen erscheinenden Altstädte teilweise ziemlich zusammengeschustert sind und einem Experten vergangene Stilsünden massiv vor Augen führen. Wir als Laien erkennen viele dieser Stilbrüche nicht. Neue Gebäude fielen aber den damals lebenden Menschen oft genauso unangenehm als stillose Modernität auf wie uns heute das neue Bürohochhaus. Und z.B. Stuckaturen oder Säulen waren keine eigenen Fassadengestaltungen, die gab es schlicht "von der Stange". Viele Stuckelemente wurden vom Bauherrn aus einem Katalog ausgewählt und massenweise in Fabriken hergestellt. Natürlich wechselten die Motive je nach Mode alle zwei bis drei Jahre. Das fertige Produkt wurde angeliefert und an die Fassade geklatscht. Nur wenige Verzierungen sind tatsächlich individuell angefertigt worden.


    Den Unterschied zur heutigen Bauweise bilden allerdings Meilensteine in Architektur und Bauingenieurwesen. Beispiele sind Flachdächer, Wegfall von tragenden Wänden (und damit Variabilität der Raumzuschnitte) oder die Verwendung von Fertigelementen (Plattenbau). Ebenfalls hat sich das Material verbessert - Beton und Stahl statt Steinen und Holzbalken und bessere Glasmischungen (glattes großformatiges Glas konnte man früher nicht herstellen, Altbaufenster - so original erhalten - verzerren oft und sind eben relativ klein bzw. durch Fensterkreuze unterteilt).


    Dazu kommt ein sozialer Aspekt, Bauarbeiter werden heute im Verhältnis besser entlohnt, irgendwelcher überflüssige Tand kommt den Bauherrn somit teuer zu stehen, den spart er folglich oft einfach ein.

    Gruß
    Peter


    [ô]  PENTAX K-1 / PENTAX K-3 / PENTAX K-30 - Objektive siehe Profil