Kreuz und quer durch Norwegen

  • Thread wurde "repariert" (Sept 2016)
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    Angeregt durch die tollen Reiseberichte hier, habe ich jetzt mal ein Wochenende investiert, um Euch einen Reisebericht durch Norwegen anzubieten. So etwas gibt es natürlich auch reichlich im Internet, besonders exotisch ist das Reiseziel auch nicht (mehr). Doch ich denke, ich kann a) einfach ein paar schöne Bilder mit Euch teilen und b) dem einen oder anderen, der an einen Norwegen-Trip denkt, vielleicht doch noch eine Anregung geben, wo es etwas Interessantes zu sehen gibt oder wie man seine Reiseroute optimieren kann.


    Viele Norwegenreisende machen ja die lange Tour mit dem WoMo bis zum Nordkap und zurück. Genau das werdet Ihr in diesem Reisebericht nicht finden, ich halte so eine Tourenplanung auch für etwas unglücklich, denn man verpasst doch vieles, was abseits der Haupt-Routen liegt. Unsere „Reise“ war auch insofern etwas ungewöhnlich, als wir dafür knapp 4 Jahre Zeit hatten – solange hatten wir nämlich das Glück, in Norwegen leben und arbeiten zu können. In dieser Zeit haben wir uns vieles angesehen, und „the best of“ stelle ich Euch hier einmal vor.



    Leider war ich anfangs noch mit einer Lumix LX2 unterwegs – seinerzeit keine schlechte Knipse, aber aus heutiger Sicht sieht man den Qualitätsunterschied natürlich doch sehr deutlich. Trotzdem will ich auf die Bilder nicht ganz verzichten – aber Pixelpeepen dürft Ihr da nicht. Ab 2009 war’s dann die 400D, später eine 550D.


    So, nun aber los zur ersten Etappe. Die meisten erreichen Norwegen ja auf 2 Routen: entweder über Dänemark mit der Schnellfähre nach Kristiansand in Südnorwegen, oder über Schweden dann östlich entlang des Oslofjords nach Oslo. Na ja, und wer es sich leistet, der reist per Fähre aus Kiel an – eine nicht ganz billige, aber fotomäßig sehr ergiebige Variante, denn man fährt früh morgens den malerischen Oslofjord hinauf. Dazu komme ich aber später noch einmal.



    Von Kristiansand gibt es im Wesentlichen 3 Varianten, den ersten Tag auf norwegischem Boden zu gestalten: entweder man fährt nach Oslo: daran ist nichts falsch, aber besonders spektakulär ist die Route über Drammen auch nicht. Oder man fährt die übliche WoMo-Rennstrecke die Westküste hinauf bis Stavanger: Hübsche Siedlungen mit vielen weißen Holzhäusern, sogar ein paar kleine Sandstrände (eine Rarität in Norwegen), und viele, viele, viele Wohnmobile. Alternativ kann man aber auch schnurstracks nach Norden fahren, über Evje und dann das Setesdal hinauf zum Haugeliseter. Diesen Abschnitt stelle ich Euch als erste Etappe einmal vor.


    Die Fahrt führt überwiegend entlang des Flusses Otra.


    Kaum einer der Flüsse in Norwegen ist oder war jemals wirklich schiffbar. Also gab es auch keinen Grund, sie zu begradigen oder in Betonwannen umzuleiten wie die meisten Gewässer in Deutschland. Die Otra fließt völlig ungezähmt ihr Tal herunter – kein spektakulärer Canyon, einfach nur ein schöner, wilder und naturbelassener Fluss:
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    Weiter geht es das Setesdal hinauf. Das Tal wurde erst sehr spät durch verlässliche Verkehrswege erschlossen, weshalb sich hier einiges an traditioneller Kultur und Architektur erhalten hat. Die Setesdaler haben übrigens unter Norwegern ungefähr den Ruf wie in Deutschland die Ostfriesen – und genau wie in Deutschland ist das Unfug.


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    Wem Kultur und altes Gemäuer zu langweilig ist: es gibt praktisch nichts an Freizeit-Aktivitäten, was hier nicht angeboten würde. Rafting, Canyoing, Klettern, Wandern, Schwimmen, Tauchen, Biken, Pilze sammeln oder Beeren, Elch-Safaries … die Liste ist endlos. Natürlich wird auf der Otra auch Rafting angeboten. Die Strecke ist moderat bis einfach, sie kann auch von Familien und Anfängern mit Guides durchfahren werden. Schwimmübungen bei der Einweisung und die Schwimmwesten sind aber nicht nur Folklore: so jedes vierte bis fünfte Boot kentert, und das Wasser ist ein paar Meter tief. Man treibt dann etwas ab und bekommt irgendwo wieder einen Fels zu fassen, wo einen die Guides aufpicken.



    Das Ganze ist ein sehr erfrischendes Erlebnis, denn die Otra wird bis in den frühen Sommer hinein von Schmelzwasser aus der Hardanger Vidda gespeist, das sich bis Evje auf kaum mehr als 15-17 Grad erwärmt. Da es draußen im Sommer aber locker 25-28 Grad haben kann, kann man das auch als willkommene Erfrischung einordnen.



    Man fährt das Setesdal entweder hoch bis zum --> Haukeliseter und von dort weiter in die --> Hardanger Gegend, oder aber man biegt vorher schon nach Westen ab und fährt in Richtung --> Lysefjord bis Stavanger. Die werde ich in jeweils eigenen Beiträgen vorstellen, sobald ich zwischendurch mal wieder einen Abend die Zeit finde.

    Einmal editiert, zuletzt von Subjektiv () aus folgendem Grund: Dieser (Uralt-) Thread wurde seinerzeit migriert, wobei die Bilder ans Ende des jeweiligen Beitrags verrutscht sind. Ich habe sie jetzt mal einen Versuch gestartet, den alten Thread zu reparieren.

  • Teil 2: LYSEFJORD UND PREIKESTOLEN


    Wie an vielen Stellen in Norwegen findet sich auch im Setesdal der eine oder andere Wasserfall rechts und links des Straße, der es lohnt eine kurze Pause einzulegen. Nicht alle davon haben einen Namen – es gibt einfach zu viele – und Eintritt wie in der Schweiz muss man hier nirgendwo bezahlen.



    Man verlässt die Straße durch das Setesdal bei Rysstad in Richtung Westen und fährt durch ein äußerst karges, aber reizvolles Trogtal rüber zum Lysefjord.


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    Bei Suleskard zweigt eine Straße ab hinunter zum Ost-Ende des Lysefjords. Dieses Sträßchen ist allerdings sehr abenteuerlich, für größere Fahrzeuge nicht befahrbar, und es führt auch nur bis ans Wasser. Am Lysefjord selbst entlang führt keine Straße, weshalb dieser Stichweg nur für Leute interessant ist, die einen Ausflug zum Kjerag planen: dort springen BASE-Jumper die über 1.000 m hohe Felskante hinunter zum Fjord. Ist allerdings sehr schwierig, ohne die entsprechende Berg- oder Flugausrüstung nahe genug ans Geschehen zu kommen, um brauchbare Fotos zu machen.
    Normal-Verbraucher fahren daher über Birkjedal / Forsand zur Mündung des Lysefjords. Lysefjord heißt übrigens soviel wie "Licht-Fjord", und an Sommertagen versteht man auch, wie es zu diesem Namen kam:

    Zu den beliebtesten Ausflügen am Lysefjord gehört der Preikestolen, eine ca. 800m hohe, senkrecht abfallende Felskanzel über dem Fjord. Hier kann man prächtig „Schock-Fotos“ für daheim gebliebene Mütter, Tanten und anderes besorgtes Personal schießen: ein paar Irre, die sich freiwillig direkt an die Kante stellen, finden sich eigentlich zu jeder Tageszeit, man braucht als Fotograf nicht lange zu warten:

    Einer hat sogar Handstand auf einem Hocker an der Kante gemacht und vom Verkauf der Bilder seinen Lebensunterhalt bestritten. Das ist dann aber doch einmal so richtig schief gegangen (woanders, nicht am Preikestolen), seitdem gibt es diese Performance leider nicht mehr und ein Nachfolger ist bislang nicht in Sicht. Freiwilliges Runterspringen ist übrigens wegen tückischer Fallwinde untersagt.


    Der Aufstieg ist aber völlig ungefährlich und wird von ganzen Bus-Ladungen in Turnschuhen bewältigt. Dauert etwa 2h und ist landschaftlich sehr reizvoll. Die kleinen Moor-Tümpel unterwegs heizen sich gut auf und eignen sich durchaus für eine kleine Bade-Einlage (vorzugsweise auf dem Rückweg):



    Das hier ist die Schluss-Traverse, und Ihr müsst zugeben: die kann nun wirklich auch Onkel Otto im Rollstuhl langfahren:

    Da der Aufstieg sowas von simpel ist, darf man an guten Tagen nicht erwarten, die Kanzel für sich zu haben. Von etwas weiter oben sieht das muntere Treiben so aus. Man beachte die Vielzahl der Möglichkeiten zum Umgang mit dem Abgrund: lässig wie vorne links, auf dem Bauch (meine bevorzugte Variante), oder in gebührendem Abstand:



    Der "Riss" quer über die Kanzel wurde übrigens von Geologen eingehend unter die Lupe genommen, mit dem Ergebnis, dass mit einem Absturz der ganzen Felskanzel zwar früher oder später zu rechnen ist, aber nicht so bald, dass daraus für heute Lebende eine Gefahr entstünde. Ist das nicht ungemein beruhigend?


    Diese (mir unbekannten) Mädels hier sitzen "auf Kante" und haben offensichtlich ihren Spaß dabei:



    Wem das zuviel Gewimmel ist, der sollte entweder früh morgens oder spät abends hochsteigen – im Sommer ist das kein Problem, da von 3h morgens bis 10h nachts mehr oder weniger gutes Licht herrscht.
    Ziel der Etappe ist --> Stavanger, die nächste Station in diesem Bericht.

  • Reiseberichte sind immer toll und Norwegen ganz besonders. Da war ich nämlich noch nicht, es rückt aber immer weiter nach oben auf meiner Liste :thumbup: Schöne Bilder zeigst du uns auch hier schon, das vom Rafting ist natürlich genau im richtigen Moment aufgenommen :o_o:


    Ich bin gespannt auf mehr!


    Chewy

  • Hallo ,



    mit deinem Reisebericht gießt du bei mir Öl ins Feuer! :thumbup: Das ist ganz großes Kino! Mein Alter und meine kleine Geldbörse machen mich "immun" für Reisepläne, wo nur Zeit keine Rolle spielt. Zu deinen Kamerabemerkungen kann ich nur sagen, daß es keine Rolle spielt, welche Kamera du mitnimmst. wichtig ist, daß der Fotograf damit umgehen kann. Ab der EOS 400D mit entsprechendem Zubehör bist du gut ausgestattet. "Leider" habe ich einen guten Bekannten, der seit Jahren die Sommermonate in Norwegen verbringt. Seine Bilder und Berichte haben mich mit einem "Virus" infiziert, obwohl er nur die Kamera "fotografieren läßt". Mache also bitte weiter mit deinen Bildberichten. Vielleicht lerne ich so Norwegen kennen?


    Gruß Martin, der auch für Südtirol zu haben ist.

  • Na, so viele positive Rückmeldungen motivieren doch, weiter zu machen :danke: Mal schauen, ob ich heute Abend noch einen Baustein zusammen kleben kann.


    @ Martin: dann lass ich die Rahmen mal weg. Mir geht's ja letztlich um die Info für Euch, wo es was zu sehen gibt. Aber wenn es Euch ohne Rahmen besser gefällt, kein Problem. Südtirol ist übrigens auch mal ein Projekt - da war ich jetzt 2 Jahre lang im Sommer ;)
    @ Belastungstester: Ja, Winter hat auch seinen Reiz. Alpin am liebsten in Hemsedal oder am Trysilfjell, und im März, wenn die Tage schon wieder schön lang werden. Nordisch geht ohnehin überall. Stechmücken gibt es im "unteren " Teil von Norwegen übrigens auch im Sommer erstaunlich wenige: Salzwasser (--> Fjorde) mögen sie nicht, Wind noch weniger. Aber in der Finnmark im Norden ist es heftiger.

  • Teil 3: STAVANGER


    Je nachdem welche Route man wählt, hat man die Möglichkeit am 2. oder 3. Tag der Reise über Stavanger zu fahren. Stavanger gehört zu meinen Lieblings-Städten in Norwegen (neben Bergen und Tromsø). Die Stadt hat einen kleinen Nachteil: sie liegt genau wie Bergen an der Westküste vor dem ersten Gebirgszug, was ihr so um die 250 Regentage im Jahr beschert (Ein Tipp für einen Regentag ist übrigens das Öl- und Gasmuseum. Interessant auch für Menschen, die diesem Treiben sehr skeptisch gegenüber stehen. Man bekommt einen nachhaltigen Eindruck, was da in der Nordsee eigentlich abläuft.). Wenn aber grade mal die Sonne scheint, geht es zu wie in der Wüste: Alles wird lebendig, noch während die letzten Tropfen fallen. Die Leute lassen keine Minute des Sommers ungenutzt, das Leben spielt sich bis spät in die Nacht auf der Straße ab – Schule, Büro und ähnliches können warten.


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    Dabei trifft es sich gut, dass Stavanger eine wunderschöne Altstadt hat, die eine der größten in sich geschlossenen Holzhaus-Siedlungen der Welt darstellt (ich denke mir, amerikanische Retorten-Siedlungen mit billigen Holzhäusern sind oft größer, aber die wurden wohl nicht als geschlossene Stadtbilder mitgezählt). Versteht sich am Rande, dass es in dieser Altstadt auch die eine oder andere nette Kneipe gibt.


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    Die Farben in manchen Teilen der Stadt sind wirklich quietschbunt, was hier aber einfach zum Lebensgefühl passt und stimmig ist.


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    Fast ein wenig grotesk wirken da die Kreuzfahrtschiffe, die sich dank des Tiefsee-Hafens bis buchstäblich vor die Haustüre wagen und die alten Häuschen wie Wolkenkratzer überragen.



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    Von Stavanger aus geht die Reise für die meisten weiter nach Norden, entweder die Diretissima nach --> Bergen, oder aber mit einem ausgedehnten Umweg über den --> Hardanger Fjord. Aber das werden noch eigene Kapitel in diesem Thread.

  • TEIL 4: Oslofjord und Oslo


    Ehe sich die virtuelle Reiserute weiter nach Norden bewegt, will ich noch den alternativen Zugang via Kiel – Oslo nachholen. Wer mit dem eigenen Fahrzeug anreist, nimmt entweder den „Hatscher“ über Schweden unters Gaspedal, oder gönnt sich die entspannte Anreise mit einer der großen Autofähren (was kein preiswertes Vergnügen ist!). Ob nun von Kiel oder Göteborg, beide Fährlinien durchkreuzen in den Morgenstunden den Oslofjord und erreichen gegen 10h morgens Oslo – eine ideale Einstimmung auf Norwegen. Man begibt sich gegen 20h auf die Fähre, genießt noch die Ausfahrt aus der Kieler Förde, nimmt noch ein Abendessen ein …


    … und legt sich dann nach einem mehr oder weniger ausführlichen Abendprogramm an Bord in die (zwangsweise gebuchte) Koje. Am nächsten Morgen erreicht die Fähre die südliche Mündung des Oslofjords. Unsere Fahrt fand Ende September statt – selbst da lohnte es sich noch, morgens um 7h auf Deck zu sein. Im Hochsommer gibt’s die guten Lichtverhältnisse halt schon um 5:30h …

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    Mit gedrosseltem Tempo und fast lautlos gleitet die Faehre durch den stillen Fjord



    Vorbei an Drøbak ...


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    ... und ca. 1h spaeter der Einlauf in Oslo

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  • die letzten Bilder haben eine starke "Saugwirkung"! :thumbup: Habe gerade noch "einen Griff" zum Festhalten gefunden.


    Gruß phoenix66, der hofft, daß ihm nicht sein Bekannter übern Weg läuft, wenn er sich nach Norwegen verabschiedet.