Kreuz und quer durch Norwegen

  • Toller Bericht und wunderbare Bilder :thumbup: ...Norwegen ist ein höchstinteressantes Land, leider bin ich ja diesbezüglich geographisch im Nachteil... :(

    Fuji X-A1 mit XC 16-50 3.5-5.6......Fuji X-A1 mit XC 50-230 4.5-6.7.....Panasonic DMC-FZ1000........Canon SX50 HS...Canon SX130 IS...Kodak C875

  • TEIL 5: OSLO


    So, nun also zu Oslo. Das größte Pfund, mit dem die Stadt wuchern kann, ist zweifellos die Lage, eingebettet zwischen Fjord und Fjell. Rund um Oslo ist Natur, Natur und nochmal Natur. Und die wird ganzjährig intensiv genutzt, für Freizeit und Sport. Die Stadt selbst ist nicht hässlich, aber das Stadtbild selbst ist etwas schroff und lieblos gebaut. Das war nicht immer so: Oslo hatte eine reichhaltige Architektur von repräsentativen Bürgerhäusern aus dem frühen 20. Jhdt.. Diese haben sogar den Krieg überlebt, nicht aber den Größenwahn „sozialistischer“ Stadtplanung in den 40-er bis 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts. Um beispielsweise dem scheußlichen, monumental verblockten neuen Rathaus Raum zu verschaffen, wurden ganze Straßenzüge gewachsenen Städtebaus geopfert. Und zwar nicht nur der Raum, auf dem dieses Monstrum nun steht, sondern auch alles, was davor und daneben stand – auf dass nichts den Blick auf den Stolz der Arbeiterschaft stören möge. Es hat nichts mit meiner persönlichen politischen Einstellung zu tun – aber die Bausünden, die man aus diesem Verständnis heraus begangen hat, sind ein städtebauliches Verbrechen (hier gemildert durch eine Bronzeplastik, aber die rettet es auch nicht wirklich).


    Nun, es ist, wie es ist – man darf also von der Hafeneinfahrt nach Oslo keinen Augenschmaus erwarten, obwohl sich die Norweger in den letzten Jahren Mühe gegeben haben, das eine oder andere mit mutiger, sehr eigenständiger Architektur neu zu gestalten.
    Dazu gehört insbesondere das ehemalige Werftgebiet der Akerbrügge direkt am Stadthafen. Ähnlich wie in Hamburg wurde hier ein modernes Wohn- und Geschäftsviertel geschaffen, das sich aber in Vielfalt, Originalität und Qualität der Architektur m.E. von Hamburg positiv abhebt (und: sie werden damit fertig …!). Für Fotografen jedenfalls ein Dorado, zumal man im Sommer locker bis Mitternacht genug Licht für aberhunderte von Motiven hat. Die nachfolgenden Bilder z.B. sind alle zwischen 22h und Mitternacht entstanden, ohne Stativ und aus der Hand:



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    Was man in Oslo alles ansehen und unternehmen kann, listet jeder übliche Reiseführer auf – das hier ist aber ein Fotoforum. Deshalb greife ich mal ganz „subjektiv“ eine handvoll Ecken und Möglichkeiten heraus, die ich Euch – im Falle des Falles – ans Herz legen würde. Neben der schon erwähnten Akerbrügge sind das: eine Fahrt mit der Linie 1 hinauf auf Oslos Hausberg, den Frognerseter, sowie den Rückweg zu Fuß über die Sognsvann, einen malerischen See in Norden der Stadt. Für einen nur kurzen Aufenthalt bietet sich ein Besuch des Vigelandparks mit seinen Stein- und Bronzeplastiken an, sowie ein Spaziergang hinunter am Akerselva, Oslos einzigen nennenswerten Bachlauf.


    Die Fahrt mit der T(unnel)-Bahn-Linie 1 zum Frognerseter bietet schon von der Streckenführung weit mehr als übliche, städtische Metrolinien. In zahlreichen Windungen und vielen Ausblicken (in Fahrrichtung links hinsetzen!) ächzen und quietschen - selbst die seit 2011 neuen - Züge 580 m den Berg hinauf. Unterwegs liegt die Station „Holmenkollen“ – für Skisprung-Fans sicher ein Muss – für andere eine Option, wenn man mehr Zeit hat. An der Endstation „Frognerseter“ empfiehlt es sich, auf der Terrasse des Frognerseter-Restaurants einen Kaffee oder ähnliches einzunehmen und die fantastische Aussicht über Stadt und Fjord zu genießen (für mehr als einen Kaffee reicht das Tagesbudget nicht, glaubt mir).
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    Wer auch nur leidlich gut zu Fuß ist, wandert anschließend auf gut ausgeschilderten Wanderwegen ca. 90 min. hinunter zur Sognsvann, dem Picknick-, Jogger-, Bade-, Grill-, Hund- und Freundinnen-Ausführ- sowie Skilanglauf-Tümpel der Osloten schlechthin.



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    Von dort fährt eine andere T-Bahnlinie komfortabel zurück in die Stadt.

  • Ein weiterer Stadtspaziergang nimmt seinen Ausgangspunkt an der T-Bahn-Station „Nydalen“. Dort angekommen, geht es einfach immer entlang eines kleinen Bachlaufs durch einen Teil des neu gebauten Universitätsviertels ...



    ... weiter auf den Spuren von Oslos früher Industrialisierung ...
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    ... vorbei an Künstler-Lofts, kleinen Ateliers und Restaurants zurück bis in den Stadtteil Tøyen, von wo aus man sich – richtig: mit einer weiteren T-Bahn – zurück ins Hotel befördern lässt.



    Man kann sogar bis zum neuen Opernhaus laufen, allerdings ist das letzte Stück Weg nicht mehr so reizvoll

  • Immer noch Teil 5: Oslo (Stadt):


    In allen Reiseführern wird der Frognerpark oder Vigelandpark als zentrale Sehenswürdigkeit der Stadt gepriesen. Nun ja, Vigeland war als Bildhauer sehr schaffensfreudig und hat über hundert Bronze- und Steinskulpturen in einem Park aufgestellt. Der erste Eindruck insbesondere der Steinfiguren erinnert allerdings ein wenig an Darstellungen im Umfeld des dritten Reichs: monumental-bombastische, muskulöse, edel und distanziert dreinschauende Übermenschen, die noch dazu bei -8 Grad Temperatur nackelig da herum sitzen:


    Die Werke sind ja nun auch einem ähnlichen Zeitgeist (nicht: politischem Geist!) entsprungen – war halt damals so eine Strömung in der Kunst. Man kann diese Figuren als Monumentalkitsch abtun – oder sich den Spaß gönnen, sie einfach unvoreingenommen zu betrachten. Anders als die Nationalsozialisten hat sich Vigeland die Menschen nämlich in allen denkbaren Lebenslagen vorgenommen – und darin besteht vielleicht sein eigentliches künstlerisches - und humanistisches! - Verdienst. Man findet nicht nur den welt-berühmten „Trotzkopf“, der Millionen von Eltern den Trost zu spenden vermag, dass es wohl vor 80 Jahren nicht wirklich einfacher war, Kinder zu erziehen:



    Darüber hinaus finden sich Figuren in lustigen, traurigen, fröhlichen und nachdenklichen Stimmungen – Einzel- und Familienszenen von der Geburt bis hin zu Alter und Tod. Ich kenne keine andere „Kunstsammlung“, die sich vergleichbar programmatisch auf Alltags-Szenen und Stationen eines ganz normalen Menschenlebens einlässt. Man muss den Stil nicht mögen. Wer jedoch die Dinge einfach nimmt, wie sie sind, kann mühelos einen kompletten Foto-Tag in diesem Park verbringen und seinen eigenen Blickwinkel auf die Skulpturen entwickeln. Versteht sich von selbst, dass die Besucher und ihre Reaktionen den Steinbildern als Fotomotive mindestens ebenbürtig sind. Langweilig wird das garantiert nicht.
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    Und die Norweger gehen mit solchen Exponaten unverkrampfter um als unsereins: wenn Kinder auf den Skulpturen herum klettern oder ein bisschen Spaß haben, hat damit niemand einen Stress, solange das nicht in Sachbeschädigung ausartet. Und die Steinskulpturen erwecken den Eindruck, als hielten sie was aus:


    Ähnliches gilt z.B. für das Opernhaus, dem meines Wissens einzigen Opernhaus der Welt, dem man buchstäblich „auf’s Dach steigen“ kann.


    Weitere, leidlich sehenswerte Ecken von Oslo sind: Schloss und Karl-Johann-Gate, das Fram-Museum, Nationalgalerie und Munch-Museum, eine Fahrt mit der Pendelfähre über die Inseln direkt vor Oslo, Hafengegend nebst Friedens-Nobelpreis-Pavillon, vielleicht noch eine Kneipen-Tour durch Grønalokka … na ja, das war’s dann aber auch. Jazz-Fans finden eine quicklebendige Szene und eine Reihe richtig cooler Jazz-Kneipen. Für weitere Warnungen und Hinweise lesen Sie bitte ihren Prospekt oder schlagen Sie ihren Reiseführer.


    Von Oslo aus hat man eine Reihe von Optionen, die nächste Etappe zu gestalten:


    1.) Man nimmt das wörtlich mit Norwegen und wählt den Weg nach Norden, über Lillehammer und das malerische Gudbrandal zu den Nationalparks Dovre und Rondane. Diese Route empfehle ich nachdrücklich allen, die eine Vorliebe für sub-arktische Landschaften haben. Die beiden Nationalparks sind sensationell schön – oder aber abweisende Mondlandschaften – wie man es halt sieht.


    2.) Die zweite Möglichkeit wendet sich nach Nordwesten und nimmt Kurs auf Norwegens Hochgebirge „Jotunheimen“ (Heimat der Riesen) und die spektakuläre Straße über das Sognefjell


    3.) Nach Westen gelangt man entweder mit dem Zug auf die Hardangervidda, von wo aus man zunächst mit der berühmten Flåm-Bahn hinunter zum Aurlandsfjord und weiter mit dem Schiff durch den Nærøyfjord reist. Dort mit dem Bus wieder rauf auf die Vidda, wo man den nächsten Zug nach Westen entert. Endstation dieser Tagestour ist dann meistens Bergen. Das ganze lässt sich auch als Pauschalpaket unter "Norway in an nutshell" buchen - und darauf kann man sich wirklich einlassen. Es wird einem etwas geboten für's Geld.


    4.) Über die Hardangervidda führt auch eine Autoroute – bei gutem Wetter ein Traum, bei schlechtem Wetter weniger traumhaft und bei Schneefall (Nov – Apr) ein Alptraum. Wenn es die Witterung erlaubt, gelangt man so zum nördlichen Ende des Hardanger-Fjords.


    5.) Und schließlich – für Freunde eher stillerer Landschaften – der Weg nach Westen durch die Telemark, über den Haukeliseter und von dort entweder zum Hardangerfjord oder weiter nach Stavanger.


    Ich schaffe demnächst erst mal Anschluss an die schon unter Teil 3 gewählte Route und fahre deshalb mit der letzten Option fort. Die anderen folgen dann später.

  • So, Freitag Abend und es regnet. Da kann ich doch gleich die nächste Etappe eintüten - die Admins mögen mir einen Wink geben, wenn ich aufhören soll, ihren Server zuzubeulen. Sonst geht das Spiel hier noch eine Weile weiter ...


    Teil 6: Durch die Telemark zum Haukeliseter


    Der Weg von Oslo nach Westen führt zunächst über Drammen nach Kongsberg. Bis dahin ist es nicht sonderlich spannend, geht aber via Autobahn und durch diverse Tunnels relativ fix. In Kongsberg beginnt die eigentliche Telemark. Diese Mittelgebirgslandschaft kann man sich ein wenig wie den Schwarzwald vorstellen – bzw. umgekehrt: die kahlen Höhenlagen des Schwarzwalds (Feldberg, Belchen, Herzogenhorn u.a.) kommen der Stimmung auf dem Fjell (korrekterweise heißt das eigentlich: im Fjell) am nächsten. Gleichwohl ist die Telemark im wesentlichen ein riesiges, von Wasserstraßen durchzogenes Waldgebiet, durch das man sogar mit dem Schiff fahren kann. Und ähnlich wie im Schwarzwald kann man Regentage nicht ganz ausschließen …




    Wandern, Angeln, Kanu fahren, Radeln – und dabei oft nass werden. Das sind so die Hauptaktivitäten in der Telemark.




    Man sollte meinen, dass hier wo „Ski“ und „Slalom“ erfunden wurden, ausgebaute Skigebiete zu finden sind. Das ist aber nicht der Fall. Die Norweger haben es eher mit Langlauf – die dafür gespurten Loipenkilometer gehen in die zehntausende. Aber „Slalom“ (eigentlich die Bezeichnung für Skifahren am Hang) gibt es hier kaum.





    Ca. 1h hinter Kongsberg wartet die Telemark mit einem Highlight auf: der größten Stabkirche Norwegens, die Heddal Stavkirke. Es ist aber nicht nur die schiere Größe dieser - ohne Nägel gebauten - Holzkonstruktion, was beeindruckt, sondern auch die Ausgewogenheit der Proportionen, die Gestaltung des Innenraums, die Schnitzereien an den Portalen. Kurz und gut: wer in der Nähe ist, sollte sich das ansehen - auch wenn er/sie Atheist ist.




    Wer Kuriositäten liebt, kann sich in Kongsberg nach Norden abzweigend den Umweg über Ryukan gönnen – das ist das Dorf, das im Winter 4 Monate keinen einzigen Sonnenstrahl abbekommt und sich nun von einer deutschen Firma riesige, nachführbare Spiegel auf den Berg hat montieren lassen, die im Winter zumindest den Marktplatz in ein Sonnenstudio verwandeln. Gleich nebenan bietet sich die Tagestour auf den Gaustadtoppen an, einen gigantischen Geröllhaufen, von dessen Gipfel man aber einen grandiosen Ausblick über fast ganz Südnorwegen hat (als wir nach 3 1/2 Std. elender Schnauferei oben ankamen, hatte es komplett zugezogen – Sauerei, das!).



    So gelangt man schließlich über Dalen zum Haukeliseter – dem „Tor“ zur Hardanger Gegend.

  • Teil 7: Oslo – Gudbrandalen – Rondane/Dovre


    Wählt man - anstelle der Telemark - die Route von Oslo nach Norden, kommt man zunächst in den Genuss von Norwegens einziger Autobahn. Bis zum Flughafen Gardermoen darf man dabei immerhin 100 km/h fahren. Danach geht es wieder auf die Landstraße, wo 80 km/h Höchstgeschwindigkeit gilt. Wir haben übrigens die Erfahrung gemacht, dass man seine Reisezeit sehr gut nach der Formel 66 km pro Stunde bestimmen kann – haut fast auf die Minute genau hin. Überholen ist an manchen Stellen möglich, aber völlig zwecklos – man hängt dann hinter dem nächsten Fahrzeug. Ist so, als wenn in einem Güterzug ein Waggon den anderen überholen würde. Also lässt man es, zockelt notfalls 8 Std. hinter dem gleichen Nummerschild her und spart dabei viel Geld – denn die Strafen für Geschwindigkeits-Delikte erreichen schnell dreistellige Beträge (in EURO!); da reichen schon 5 km/h zuviel (ich weiß wovon ich spreche: ich habe es nämlich 1x ausprobiert :x ).
    So gelangt man auf einer nicht hässlichen, aber mäßig spannenden Straße nach Lillehammer – wo es außer einem Hauch von Olympia auch nicht allzu viel zu sehen gibt. Aber dann wird es spannend. Die nächsten 150 km fährt man durch das breit angelegte Gudbrandal – herrliche Berg- und Fluss-Landschaften, jede bewusst eingelegte Pause ein kleines Highlight für sich.



  • Die Tages-Etappe durch das Gudbrandal führt einen in die Gegend von Otta und Dombås, wo sich der Eingang in die großen Nationalparks Rondane und Dovre befindet. Es gibt vom Fjell aus ein, zwei Punkte, von denen man auf die Straße blicken kann, die geradewegs weiter nach Trondheim führt. Darauf ziehen die WoMo's entlang wie eine große Karavane; nur wenige kommen kurz hinauf zum Smuksjoeseter oder anderen Einstiegspunkten der Nationalparks. Ich habe mich dann oft gefragt: wo wollen die eigentlich hin? Um nur daran vorbei zu fahren, ist diese Gegend viel zu schade, zumal man ihre Faszination nur erleben kann, wenn man sich zu Fuß auf den Weg macht. Wer es sich zeitlich leisten kann, sollte hier unbedingt ein paar Tage einplanen - wenn nicht einen ganzen Urlaub. Wenn ich Bilder aus dieser Ecke Freunden oder in der Öffentlichkeit zeige, stoße ich im Wesentlichen auf zwei Reaktionen: die einen können mit dieser sub-arktischen Mondlandschaft nichts anfangen und fragen, warum man sich das freiwillig antut. Die anderen sind schlichtweg begeistert. Ich kann nur sagen: diese Landschaft, die Weite, die Natur und das Licht dazu zu erleben, ist unbeschreiblich. Für mein Empfinden ist das ganz großes Kino (unabhängig davon, ob man es fotografiert). Schaltet einfach kurz auf Genießermodus um und lasst die Bilder auf Euch wirken. (Wer zur ersten Gruppe gehört - einfach den Tab schließen.)

  • Hey, das steigert sich immer noch :D !


    Die zuletzt geposteten Bilder entsprechen den von mir im Winter meist geliebten Landschaftsformen (z.B. im Rondane-Gebiet).
    Zwar gibt es um Weihnachten rum durch die tiefstehende Sonne besonders morgens und abends tolle Farben auf der Landschaft, aber das hier von Dir gezeigte weckt die Sehnsucht das Ganze mal in Farbe statt nur sonnen-koloriert zu sehen...


    Zu welcher (Jahres-)Zeit wart Ihr denn dort :?:

    Von mir eingestellte Bilder dürfen bearbeitet und bei dft gezeigt werden.

  • Zitat von "Belastungstester"


    Zu welcher (Jahres-)Zeit wart Ihr denn dort :?:


    Würde mich auch interessieren. Die Farben lassen auf Herbst/Winter schliessen, aber im dortigen Frühjahr (das in unseren Frühsommer fallen dürfte) sieht es sicher grüner aus.
    Farben und Licht sind spektakulär! :thumbup::danke:
    Vielen Dank nochmals für die Mühe, die Du Dir gemacht hast und für die exzellenten Bilder aus Norwegen. Habe Deinen Fred seeehr genossen. ;):D