Die Panoramafreiheit ist in Gefahr

  • Erst mal Danke an Denis und die anderen hier, die das Thema überhaupt spitz bekommen haben und publik machen. Bis eben (SA, ca. 10:15h) haben ca. 35.000 Leute unterschrieben. Klingt nach viel, ist aber im Europa-Maßstab dann doch eher wenig. Egal, versuchen müssen wir es.


    Ich denke, der Hintergrund für diesen idiotischen Ansatz der EU-Bürokraten ist es, namentlich zwei Berufsgruppen ein billiges Zusatzeinkommen zu verschaffen: den Architekten und den Abmahn-Schweinen der Juristen-Zunft. Um die Künstler, die irgendwo einen Brunnen hingestellt haben, geht es vermutlich nur am Rande. Mich packt da mittlerweile die kalte Wut: das ursprünglich vernünftige Recht, andere daran zu hindern, mit meinem geistigen Eigentum fröhlich Geld zu verdienen, wurde durch einschlägige Kanzleien pervertiert und zur schnellen Einnahmequelle für Winkeladvokaten umfunktioniert.


    Und Architekten (sorry wenn sich unter Euch welche befinden sollten) betrachten ihre Bauwerke allen Ernstes als "Kunstwerke", statt als einen Raum, in dem Menschen leben und arbeiten wollen. Das führt dazu, dass vor Universitäten oder Bahnhöfen keine Fahrradständer aufgestellt werden dürfen, weil es das "Kunstwerk" beeinträchtigt. Diesen Leuten müsste man vielleicht schon im Studium mal ordentlich die Rübe waschen und ihnen erklären, was sie eigentlich sind: bezahlte Dienstleiser - und sonst gar nichts.

  • Und Architekten (sorry wenn sich unter Euch welche befinden sollten) betrachten ihre Bauwerke allen Ernstes als "Kunstwerke"

    Das geht soweit, dass wir gerade ein Gebäude aus den 1970er Jahren sanieren und die Hütte (Hochhaus mit 22 Etage) muss aussen genauso aussehen, wie vorher. Wir mussten die gesamte Fassade auswechseln. Wir hätten tatsächlich keine anders aussehende Fassade nutzen dürfen, solange es ein Hochhaus ist. Auch "Kunstwerke" im Gebäude dürften wir nicht entfernen. Schaden für den Steuerzahler ca. 12 Mio. €.


    Der Fehler passiert aber vorher. Ich würde als Bauherr einem Architekten so ein Recht nie einräumen. Der kann gern später mit dem Gebäude angeben, aber wie´s später nach 40 Jahren nach einer Totalsanierung aussieht, ist unsere Sache.


    Aber wir kommen vom Thema ab. Ich finde es katastrophal, womit sich von unseren Steuergeldern bezahlte Politiker, beschäftigen.
    Haben wir keine anderen Sorgen? Wir vernichten systematisch unseren Planeten, treiben Raubbau an unseren Sozialsystemen, lassen tausende im Mittelmeer ersaufen, haben wieder Krieg in Europa und "die" überlegen, wer was fotografieren darf.
    Wenn es nach mir gehen würde, wäre Lobbyismus ein Straftatbestand mit langen Haftstrafen.

    • Offizieller Beitrag


    Und Architekten (sorry wenn sich unter Euch welche befinden sollten) betrachten ihre Bauwerke allen Ernstes als "Kunstwerke", statt als einen Raum, in dem Menschen leben und arbeiten wollen. Das führt dazu, dass vor Universitäten oder Bahnhöfen keine Fahrradständer aufgestellt werden dürfen, weil es das "Kunstwerk" beeinträchtigt. Diesen Leuten müsste man vielleicht schon im Studium mal ordentlich die Rübe waschen und ihnen erklären, was sie eigentlich sind: bezahlte Dienstleiser - und sonst gar nichts.

    Architekten sind - rein von der Gesetzeslage her - keine Dienstleister. Wir arbeiten in Form von sogenannten Werkverträgen. Viele von uns wären gerne Dienstleister. Die sehr weitreichende Haftung für das eigene Tun und die Haftung für das was alle (!) anderen am Bau Beteiligten machen (oder nicht machen) entsteht nämlich genau aus diesem besonderen Recht, dem Werkvertragsrecht.


    Gleichzeitig ist es so, dass die meisten Kollegen, die ich kenne, ihre Arbeit nicht im engeren Sinne als Kunst verstehen. Der urheberrechtliche Schutz eines Werkes entsteht nicht aus dem Begriff der 'Kunst'. Ein Foto ist beispielsweise auch urheberrechtlich geschützt, ohne Kunst zu sein. Und jeder hier weiss, dass das bedeutet, dass man es nicht einfach verändern darf.


    Die Rechtsprechung ist in dieser Frage übrigens nicht einheitlich sondern sehr fallbezogen und differenziert. Veränderungssperren an bestehenden Gebäuden ergeben sich sehr sehr viel häufiger aus dem Wohnungseigentumsgesetz (das für bauliche Veränderungen an Wohngebäuden bis zu 100% Zustimmung aller Eigentümer fordert) und aus dem Denkmalschutz oder stadtplanerischen / baurechtlichen Gründen. Da wird gerne zu Unrecht auf die Kollegen geschimpft.


    Architekten werden (von wenigen Ausnahmen abgesehen) kein gesteigertes Interesse an einem urheberrechtlichen Schutz des Abbilds Ihrer Gebäude haben. Und sie werden an einer entsprechenden Regelung in der breiten Mehrheit nichts verdienen wollen. Das Problem ist vielmehr wieder die entstehende Rechtsunsicherheit. Ees könnte halt immer mal ein Kollege mit Geldnot oder mit Geltungsbedürfnis auf die Idee kommen, einen Abmahnfredel ins Boot zu holen, wenn das entsprechende Recht doch da ist. Das ist das selbe, was uns wegen des Rechtes am eigenen Bild noch blüht, je besser die Gesichtsrerkennung noch wird. Irgendwann wird man nach sich selbst googeln können. Dann wird auch hier abgemahnt werden. Wetten?


    Ich empfinde die Schelte auf meinen Berufsstand jedenfalls als mehr als 'haarscharf' daneben im Kontext dieser Petition. Es reicht völlig, sie einfach zu unterzeichnen, um die Rechtssicherheit zu bewahren, die wir in dieser Frage heute noch haben.

  • Stefan, vielen Dank erstmal für die ausführliche und sachliche Antwort. In den von mir genannten Beispielen (Uni, Bahnhof) habe ich leider selbst erfahren, dass es weder die Betreiber, die Mieter, die Nutzer oder sonstwer war, der sich einer sinnvollen Veränderung widersetzte, sondern in beiden Fällen die Architekten - und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, Fahrräder passten nicht zu ihrem Kunstwerk.


    Wenn Du sagst, dass dies eher Ausnahmen sind - gut, Du kennst Dich in Deinem Berufsstand sicher besser aus. Brauchen wir dann auch nicht weiter zu diskutieren.


    Der Grund warum ich das hier im Thread überhaupt erwähne, ist die Vermutung, dass hinter EU Gesetzesvorlagen in aller Regel ja Lobby- und Interessengruppen stehen. Ich frage mich also, wer könnte ein Interesse an so einer Einschränkung haben? Da fallen mir als potentielle Kandidaten ein: professionelle Bildverwerter (also Fotografen, Agenturen, Verlage, ...), sowie die Architekten und Künstler, die verhindern wollen, dass jemand mit "Ihrem" Kunstwerk Geld verdient - bzw. von diesem Geld einen Teil haben wollen. Und natürlich die Abmahn-Kanzleien, denen es völlig egal ist, was, wie oder warum - Hauptsache, sie können Abmahnschreiben in die Welt spammen, aber die halte ich eher für Trittbrettfahrer.


    Also: wer steckt hinter solch einem Ansatz, wem nützt so ein Gesetz? Und: für welche Argumente sind diese Interessengruppen empfänglich? Dass z.B. bei Wikipedia Fotos gelöscht werden müssten - wer müsste das gegen die eigenen Interessen abwägen?


    Ob wir übrigens heute eine leidliche Rechtssicherheit in dieser Angelegenheit haben, darf man auch hinterfragen: ich kann mich gut erinnern, dass z.B. der Verpackungs-Christo und diese Lady einen großen Teil ihrer Zeit darauf verwendeten zu verhindern, dass jemand ein Foto von ihrem Zeug veröffentlicht, ohne eine saftige Gebühr an sie zu entrichten. Was aber unterscheidet so einen Verpackungszauber in (heutiger) rechtlicher Hinsicht von einem Dorfbrunnen oder einer Skulptur? Wann ist ein Gegenstand so "öffentlich", dass die weitere Verwertung nicht mehr exklusiv in der Hand des Künstlers oder des Besitzers liegen sollte?

    • Offizieller Beitrag

    Wir sollten Urheberrechtsfragen rund um das Abbilden von Gebäuden ohnehin nicht mit denen um die Veränderung von Gebäuden vermischen. Hier geht es nur um ersteres und da wäre mir spontan kein Fall bekannt, in dem einArchitekt gegen eine Veröffentlichung vorgegangen wäre. Das sind nach meiner Wahrnehmung immer die Eigentümer (z.B. diese Schlösser- und Burgen-Geschichte) oder Künstler ( Beleuchtung Eiffelturm, Christo in Berlin).

    • Offizieller Beitrag

    Change.org macht erst mal gar nichts. Das ist nur eine Plattform. Du kannst ja einfach mal den Initiaor anfragen. Interessant wäre es. Ich hoffe / nehme an, dass das Ganze auch im gesetzlichen Sinne als Petition eingereicht wird.

  • Da die Yellow Press mittlerweile auf Seiten der Gegner der Gesetzesänderung ist, wird das Verbot nicht kommen. Deren Lobby ist größer als die der Architekten und Juristen. Wetten?

    Naja, es betrifft ja nicht nur die Yellow Press ... es betrifft jede Tageszeitung, jede Webseite mit tagesaktuellen Fotos, jeden Bildband, jeden Fotojournalisten, Wikipedia, usw. usw.


    Diejenigen die da formuliert haben und den ursprünglichen Vorschlag ins Gegenteil verkehrt haben, haben sicher keinerlei Ahnung, was für eine Tragweite ihr Entwurf eigentlich hat.

  • VG Bild-Kunst Sondernewsletter


    Ich möchte hier einen sehr objektiven und sachlichen Artikel zum Thema einstellen. Denn das Thema wird von vielen sehr emotional hochgeschraubt, aber wenn man den Artikel von VG-Bild gelesen hat, dann wird dort alles auf eine viel sachlichere Ebene gebracht und man versteht dann auch, was die Abgeordnete Julia Reda von den Piraten in Brüssel eigentlich erreichen will und warum das Thema so hochgekocht wird. Aber letztendlich, egal wie die Abstimmung ausgeht, wird sich für den Privatanwender gar nichts ändern und er kann fotografieren, was er will und auch ins Netz stellen.
    Vielleicht kann ich dazu beitragen, dass einige nach dem Lesen des Artikels, die ganze Angelegenheit etwas entspannter sehen und es der ganzen Aufregung gar nicht bedarf.

  • ...Tja, ich bin kommerziell. Mein Beruf besteht leider daraus, dass auch Gebäude oder Denkmäler im Weg sind, bei denen ich eine Erlaubnis einholen müsste.


    Dieses Gesetz darf nicht angekratzt werden, denn seine Einfachheit sogt dafür, dass erst gar keine Fragen aufkommen. Man kann nicht einfach Gesetze schaffen, die ohne Grund, komplette Berufszweige unmöglich machen. Vielleicht sollte ich den Architekten darauf verklagen, dass er bitte sein Gebäude abhängt, da ich das Nachbargebäude schießen möchte. Was ist das für ein Stumpfsinn? Juhu, im Hintergrund ist in Berlin oft der Fernsehturm mit drauf, hat der Betreiber keinen Bock drauf, soll ich dafür zahlen?...

  • @NO God
    Wenn Du Dir die Mühe gemacht hättest, den Artikel zu lesen, dann hättest Du folgendes feststellen können:


    1) Würde eine Umsetzung des Vorschlags die bestehenden Schrankenregelungen in Deutschland aufheben?



    Der Bericht des Rechtsausschusses verlangt nicht, dass die Mitgliedsstaaten
    ihre bestehenden Vorschriften ändern. Der Report hebt nur hervor, dass
    kommerzielle Nutzungen nicht ohne Zustimmung der Urheberrinnen und
    Urheber erfolgen sollen. Im Übrigen hat das EU-Parlament keine
    Gesetzgebungskompetenz. Gesetze initiieren kann nur die EU-Kommission
    und die interessiert sich für das Thema nicht.



    2) Werde ich meine Fotos/Videos etc. weiterhin in sozialen Medien teilen können?



    JA! Einerseits bleibt es in Deutschland bei der bestehenden Panoramafreiheit.


    3) Können Fotografen und Dokumentarfilmer ihre Fotos und Filme weiterhin nutzen?



    JA! In Deutschland bleibt es bei der Panoramafreiheit und in den Ländern,
    in denen die kommerzielle Nutzung einer Zustimmung der Urheberrinnen und
    Urheber bedarf, gibt es einfache Lizenzsysteme für diejenigen
    Nutzungen, die nicht ohnehin unter eine andere Ausnahme (Aktuelle
    Berichterstattung, unwesentliches Beiwerk, Zitatrecht) fallen.


    Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!