Wie wird man als Fotograf besser?
Keine Ahnung wie es anderen Fotofreunden geht, wenn Sie über sich und die Fotografie nachdenken. Mir geht es manchmal so, dass ich ein wenig Frust bekomme, und glaube, dass mir die Ideen ausgehen. Seltsam, passiert meist, wenn das Wetter nicht dazu einlädt, um mit der Kamera raus zu gehen. Angesichts der guten Bilder, die man dann in Galerien sieht, frage ich mich, warum ich sowas bisher nicht gemacht habe... Dann wird einem klar: Aber logisch, gute Bilder kann man nicht machen, wenn man am Rechner sitzt und sich nette Fotos ansieht, das kann höchstens Antrieb für neue Ideen geben. Die Praxis ist immer noch die Grundlage für gute Fotos - liest man ja öfter, man muss es sich aber immer wieder aus dem hinteren Zellen-Stübchen hervorkramen. Den inneren Schweinehund besiegen, der da sagt: „Ach, bleib mal heute in Ruhe zu Hause, die Arbeit war stressig genug, morgen ist auch noch ein Tag, dann aber...“ Kennt das einer von Euch?
Ich habe da einen langjährigen Kumpel. Er scheint ständig diesen Ideenfrust zu haben, aber anstatt seine Kamera zu schnappen und vor die Haustür zu gehen, hält er ständig Ausschau nach einem neuen Kameramodell und jammert mir dessen Vorzüge ins Ohr. Er hat in den vielen Jahren immer noch nicht begriffen, dass es der Mensch hinter der Kamera ist, der das Foto macht, und der Fotoapparat nur das Hilfsmittel dazu ist, ob nun als Kompakte oder DSLR. Aber er lernt auch nicht dazu. Nein, es musste schließlich eine 5D Mark II her, aber dann... Die Quintessenz ist, dass er jetzt zwar damit prahlen kann, er aber immer noch auf dem Niveau eines Familienvaters hängt, der ab und zu seine Lieben mit ner Knipse ablichtet (grob gesagt ). Kennt jemand solch einen Typen?
Das sollte nur eine kleine Einleitung sein, es geht ja eigentlich darum, wie man als Fotograf besser wird. Perfekt wird man ja nie... Wie sagte schon 1952 der Altmeister Henri Cartier-Bresson: „Noch immer bin ich Amateur, aber kein Dilettant mehr.“ Dieser Satz war für mich immer eine Beruhigung und gleichzeitig auch Ansporn, es immer besser machen zu wollen, aber ohne Stress, denn der ist der Feind jeglicher Kreativität. Und im Laufe der vielen Jahre wurden die Fotos tatsächlich besser. Das merkte ich an den Äußerungen von Kollegen und Freunden, denen ich die Bilder zeigte, und bei denen ich wusste, dass sie in ihrer Meinung ehrlich sind. In dem Zusammenhang ein Tipp: Zeige nur denen Deine Fotos, die sie auch sehen möchten, alles andere macht keinen Sinn! Das wäre in etwa das Gleiche wie ein „erzwungener“ Diavortrag bei einer Familienfeier .
Nun habe ich mich mal hingesetzt, um anderen, besonders neuen Fotousern ein paar Tipps und Anregungen zu geben, die natürlich nicht vollständig sind, aber wie ich denke, schon entscheidend.
1. Möglichst Stress beim Fotografieren vermeiden, schaue Dir in Ruhe die Umgebung an und wähle Dein Motiv mit Bedacht. Drücke nicht zu oft den Auslöser.
2. Weniger ist manchmal mehr, versuche Dich auch an Details
3. Halte Dir stets vor Augen, dass es das perfekte Foto nicht gibt, fotografiere, was Dir Spaß macht
4. Auch Profis machen Fehler, sie zeigen sie nur nicht
5. Deine Bilder sind Unikate - es gibt sie nur einmal auf der Welt
6. Weiche auch mal von bekannten Regeln ab (z.B. goldener Schnitt)
7. Ehrliche Meinungen und Kritiken sind wichtig, besonders von Gleichgesinnten
8. Nur die Praxis liefert die Bilder, die Theorie ist zwar hilfreich, aber grau
9. Versuche nicht, andere Stile zu kopieren, ausser, es ist mal ein Versuch daran
Und: Versuche nicht mit Gewalt Deinen „eigenen“ Stil zu finden, er stellt sich mit zunehmender Praxis schon von selbst ein.
Zum Schluss noch ein paar Ideen, wie man vielleicht besser werden kann. Manches ist sicher bekannt oder schon ausprobiert, aber es sind nur Anregungen... Natürlich setze ich dabei schon voraus, dass man seine Kamera beherrscht, also die Bedienanleitung schon mehr als 5 x studiert hat , sonst nützt das nichts. Ein Mensch, der nur vier Akkorde kann, wird auch nicht besser, wenn er sich eine Les Paul für 4000 € kauft, ohne Üben wird er nicht besser.
1. Suche nach interessanten Motiven in Deiner unmittelbare Umgebung
2. Mache mal eine Bildserie (Ausflug, ein Morgen in der Familie...)
3. Versuche Dich mal in Schlechtwetterfotografie („es gibt kein schlechtes Wetter, nur die unpassende Kleidung“)
4. Fotografiere mal Pfützen und Spiegelungen (auch abends)
5. Mache ein Poster Deines besten Fotos und hänge es Dir an die Wand
6. Mache ein Selbstporträt
7. Fotografiere mal ein heimliches Foto (aber Vorsicht )
8. Mache mal Model-Aufnahmen (wenn es der Geldbeutel zulässt)
9. Fotografiere mal nur in Schwarz/Weiß
10. Fotografiere eine Zeit lang mit einem Normalobjektiv
11. Mache mal ein Foto mit politischem Inhalt
12. Fotografiere ein Kunstobjekt (Statue, Ausstellungsstück, Denkmal))
13. Bilde Dich in der Fotografie weiter (Fachbuch, Video)
14. Fotografiere einen Tag lang einen Menschen
15. Beteilige dich an einem Foto-Wettbewerb
16. Fotografiere einmal nur abends
17. Reinige Deine Fotoausrüstung (sollte eigentlich selbstverständlich sein )
18. Lege Dir ein Notizbuch oder Kärtchen mit Ideen an
19. Fotografiere mal Kinder beim Spielen
20. Treffe Dich mit anderen Fotografen und fotografiere mit ihnen zusammen
21. Gestalte eine Magazin-Titelseite mit Photoshop oder ähnlichen Programmen
22. Mache mal eine nette oder witzige Montage
23. Gestalte doch mal eine Geburtstags- oder Weihnachtskarte
24. Fotografiere mal Action bei einer Sportveranstaltung
25. Fotografiere Dein Mittagessen für ein Kochbuch oder als Werbung
26. Mache Tieraufnahmen oder Makros
27. Versuche ein künstlerisches Porträt
28. Experimentiere mal mit Farben und Verfremdungen
29. Besuche eine Fotoausstellung
30. Fotografiere mal nur im Hochformat
31. Besuche einen Fotografen-Stammtisch
32. Mache eine Collage von den besten Bildern des letzten Monats, Jahr
33. Mache ein High-Key oder Low-Key-Bild
34. Versuche Dich an unbekannten Techniken (z. B. HDR)
35. Mache Langzeitbelichtungen mit Graufilter
36. Schalte einen Tag lang den Vorschaumonitor aus und benutze nur den Sucher
37. Tue mal so, als hättest Du nur einen Kleinbildfilm mit 36 Aufahmen dabei
39. Mache eine Foto-Jahres Kalender
40. Pflege Dein Bildarchiv regelmäßig
41. Mache einmal nur Fotos in Schräglage (wenn Du nüchtern bist, natürlich)
42. Versuche, ein Bild zu verkaufen
43. Mache einen Tag lang nur Streetfotos
44. Versuche, Unschärfen bewusst einzusetzen
45. Kopiere einen alten Meister
46. Gibt es noch Funktionen Deiner Kamera, die Du noch nie getestet hast? Probiere sie!
47. Schlechtes Wetter ist keine Ausrede, gehe in die Küche und wasch das Geschirr, kleiner Scherz - da gibt es viele Requisiten
für Stillleben
48. Stelle eine Szene aus einem Bild oder Foto nach, das Dir gefällt
49. Nehme an einem Fotokurs teil, der Dich interessiert
50. Habe Spaß am Fotografieren!
51. Lass die Kamera mal ein Wochenende lang zu Hause, und nimm dafür einen Notiz- oder Skizzenblock mit. Schreib in Stichworten auf, was Du erlebst, was Dich wirklich berührt hat, und was genau es ist, was Dich daran interessiert. Dann - und erst dann! - überlege, wie Du das am besten in einem Bild ausdrücken könntest.
weitere Tipps von Euch
Würde mich freuen, wenn von Euch noch mehr Vorschläge dazu kommen, damit man die Liste erweitern kann !
LG aus Berlin
Jörg