der Reiz von S/W Aufnahmen ...

  • ... ist auf der einen Seite für mich "offensichtlich", auf der anderen Seite jedoch theoretisch nicht herleitbar: Wenn ich mir Musik vorstelle, z. B. ein gutes, realistisches "Abbild" eines Konzertes, von dem ein Großteil der Informationen (also vielleicht große Frequenzbereiche) dann jedoch entfernt würde, wäre es schwer vorstellbar, dass diese Musik dadurch an Eindruck GEWINNEN könnte. Rein vorsorglich: ein Vergleich mit mp3 scheidet aus, da dort ja Sachen entfernt werden, die man gerade NICHT wahrnimmt. Im Fotobereich staune ich diesbezüglich immer wieder: Ein Farbfoto reduziert um die Farben macht so oft so viel mehr her. Wie kann das überhaupt sein ?
    Interessant in diesem Zusammenhang finde ich auch meine Erinnerungen an Kindheitstage mit den Anfängen der Farbfotografie seitens meines Vaters. Diese ersten Farbbilder fand ich damals um ein vielfaches interessanter als die bis dahin ausschließlich gesehenen S/W Fotos - obwohl, wenn ich mir diese Aufnahmen heute betrachte, die Farben ziemlich schrecklich waren. Aber ich fand diese Bilder so viel "schöner", dass ich gebettelt habe, er möge doch trotz der höheren Preise für Farbfilm und Entwicklung bitte in Farbe knipsen.


    Ich find's erstaunlich.

  • Schau mal hier...um beim Musikvergleich zu bleiben: Chaconne
    Man braucht einfach nicht immer ein ganzes Orchester. S/W laesst die Farbdimension weg und erlaubt dadurch eine Reduktion der Wahrnehmung auf das Wesentliche. Ist ja aehnlich beim Bildaufbau. Zu viele Elemente wirken auch oft stoerend. Und mit S/W kann man halt ein weiteres Element los werden.

  • Nabend,


    ob s/w oder Farbe hängt für mich auch nicht zuletzt vom Motiv ab. Ein Sonnenuntergang mit herrlich weichen und warmen Farben gefällt mir i.d.R. in Farbe besser. Dagegen mag ich z.B. ein Motiv mit marodem Charme (z.B. Architektur, Autos, Fahrräder etc.) auch ganz gern in SW oder Sepia. Manchmal reicht aber auch eine mehr oder weniger starke Entsättigung, um einen zeitlos romantischen Effekt zu erzielen.


    C.

  • Mir geht es heute noch, wie dem kleinen blauen braunrotgrau von anno dazumal; lieber schlechte Farben, als gar keine. Ich kann kaum nachvollziehen, wie SW fahles Neonlicht besser ausdrücken können soll, als eben diese fahlen Farben bei fahlem Licht. Daß Dinge in sw stärker hervorgehoben werden können, weil Farbe im Bild auch ablenken kann und unsere Wahrnehmung arbeitet, wie sie eben arbeitet, will ich nicht bestreiten. Nur: Ich seh die Realität doch auch in Farbe. SW mag also eher ein Filter sein, um über die reale Wahrnehmung hinauszugehen - genau wie andere Farbfilter oder Effekte (Pseudo-HDR, Dragonizing, etc.). Und es ist ein sehr verlustreiches Filter (Farbinformationen), das die eigentliche Stimmung vor Ort nur allzu oft verändert und unkenntlich macht ... und mit welchem viel zu oft versucht wird, einem banalen Farbbild eine subtile Note zu verpassen. Kann alles auch mal passen und Spaß machen, stört aber eher, wenn man versucht etwas lebensecht abzubilden ... Ich bin SW jedenfalls ähnlich schnell überdrüssig geworden, wie HDR & Co.

    • Offizieller Beitrag

    Eigentlich ist es ganz einfach.
    s/w ist ein eigenes Medium. So wie Farbfotos oder 3D-Fotos oder Bleistiftskizzen oder Aquarelle oder Ölgemälde oder Plastiken oder... Das Medium s/w lässten die Farbe weg (logo). Farbe kannein wichtiges Gestaltungsmittel sein. Der Mensch reagiert stark auf Farbe. Genau deshalb kann Farbe auch stark ablenken, stark disharmonisch wirken, stören. Der Verzicht bedeutet also eine Konzentration. Ein Destillat. Prost! :cheers:

  • Zitat von "RitterRunkel"

    Und es ist ein sehr verlustreiches Filter (Farbinformationen), das die eigentliche Stimmung vor Ort nur allzu oft verändert und unkenntlich macht ... und mit welchem viel zu oft versucht wird, einem banalen Farbbild eine subtile Note zu verpassen.


    Es gibt sicherlich sehr hochwertige SW-Fotografien, aber bei vielen SW-Fotos habe ich irgendwie den Verdacht, dass man über diesen Weg versucht aus einem "schlechten Farbbild" durch Umwandlung in SW noch etwas rauszuholen :o_o:

  • Wenn man - wie bei der Digitalkamera - bei jedem Foto die Wahl hat, ob man es s/w, farbig oder in beiden Varianten umsetzt, spielt die Frage sicher eine größere Rolle. Wenn ich immer s/w Film benutze, stelle ich mir die Frage des "warum" einfach garnicht.


    Die zwei mehrfach getätigten Aussagen, dass die Farbinformation verloren geht, und dass ein s/w Bild dadurch "reduzierter" ist, kann ich nur bedingt teilen.
    Zum einen gehen die Farben nicht ganz verloren, sie werden in verschiedene Helligkeiten von Grau übersetzt. Die Grauwerte entstehen ja nicht nur aus der Luminanz. Genauso geht auch der Inhalt eines Satzes nicht verloren, nur weil er von einer in eine andere Sprache übersetzt wird, selbst wenn man nach der Übersetzung kein Wort mehr versteht (womit ich nicht sagen will, dass es den Betrachtern von s/w Fotos an Verständnis fehlt).


    Ich weiß, dass der Vergleich hinkt, weil das Zurückübersetzen von s/w in Farbe nur bedingt möglich ist, wobei auch beim Zurückübersetzen von einer Sprache in eine andere zwei Übersetzer auf andere Bedeutungen kommen können, ohne dass einer falsch liegt. Genauso wie man bei einem s/w Foto teilweise "aus Erfahrung" wissen muss, welche Farbe ein Objekt hat, muss man bei einer Sprache oft aus Erfahrung wissen, was der/diejenige damit sagen wollte.



    Zum anderen hab ich sehr viele Fotos gesehen, die in s/w "chaotischer" wirken als in Farbe. Farbe kann genauso gut ein sehr belebtes Motiv beruhigen, weil das Auge auf einem farbig herausstechenden Objekt hängenbleibt, das auf einem s/w Foto einfach untergegangen wäre. Also wenn ein Objekt nicht direkt im Mittelpunkt steht, aber durch eine "grelle" Farbe automatisch das Auge anzieht, kann das in s/w meistens nicht mehr umgesetzt werden.

  • Zitat von "kleiner_Hobbit"

    Es gibt sicherlich sehr hochwertige SW-Fotografien, aber bei vielen SW-Fotos habe ich irgendwie den Verdacht, dass man über diesen Weg versucht aus einem "schlechten Farbbild" durch Umwandlung in SW noch etwas rauszuholen :o_o:


    Ich sehe es umgekehrt. Wenn ein Bild in Farbe gut ist, ist es das in SW noch lange nicht.


    Gesendet mit Telefon

  • Gerade die Portraits älterer Menschen haben in SW auf mich immer eine ganz besondere Wirkung ... aber nicht nur diese.
    Allgemein gesagt ist für mich ein SW-Bild kein 'ärmeres', sondern ein 'anderes' Bild. Die Schwerpunkte sind anders.


    Leider ist das digitale SW oft genug dem mit Verstand und Können erzeugten analogen SW unterlegen - speziell was die Tonwertdifferenzierung in den dunkleren Bildbereichen angeht ... aber das ist eine andere Geschichte.


    VLG
    Stephan

  • Zitat von "Arie"

    Ich sehe es umgekehrt. Wenn ein Bild in Farbe gut ist, ist es das in SW noch lange nicht.


    Gesendet mit Telefon


    Mit "schlechtem Farbbild" ist denke ich eher das "unspektakuläre" Motiv, als die unpassende Farbgebung zu sehen.
    Da hilft es dann wirklich nicht, wenn dann als letzte Rettung ein unmotiviertes, graues Bild entseht.


    Manche Bilder "funktionieren" nur in Farbe wirklich gut, wenn die Aussage oder Stimmung mit Bestandteil ist.


    Doch ich finde eine passende s/w Umsetzung kann zusätzlich dazu führen ein Bild inhaltlich noch "genauer" bzw. überhaupt erst intensiv zu betrachten.
    Ein Allheilmittel stellt es auf keinen Fall dar, mit dem passenden Motiv ist mir der "Charme" des s/w (auch reduzierter Farben) jedoch oftmals lieber.
    Diesen "lauten" Bildern, welche nach perfektem Histogramm, mit der Brechstange aufgehellten Schatten und dem Dynamik Regler am Anschlag daherkommen, kann ich eher selten was abgewinnen.
    Entgegen jener Reizüberflutung, ist da für mein Empfinden weniger oft mehr - aber bleibt letztlich Geschmackssache.


    Was zählt ist wohl die richtige Umsetzung, egal ob Farbe oder nicht, passend zum Motiv...

  • Zitat von "le spationaute"

    Eigentlich ist es ganz einfach.
    s/w ist ein eigenes Medium. So wie Farbfotos oder 3D-Fotos oder Bleistiftskizzen oder Aquarelle oder Ölgemälde oder Plastiken oder... Das Medium s/w lässten die Farbe weg (logo). Farbe kannein wichtiges Gestaltungsmittel sein. Der Mensch reagiert stark auf Farbe. Genau deshalb kann Farbe auch stark ablenken, stark disharmonisch wirken, stören. Der Verzicht bedeutet also eine Konzentration. Ein Destillat. Prost! :cheers:


    Ich wollte zu dem Thema auch einen Beitrag verfassen - vor allem weil mir die SW-Fotografie und die Eigenentwicklung mit am meisten Spaß macht - aber nach dem Post hab ich nix mehr zu sagen. Kurz und bündig. Ich schließe mich voll und ganz an. :thumbup:

    • Offizieller Beitrag

    Kommt jetzt ein Bilder-Thread? :shock:;)


    OK. Ich habe noch eine Variante zum Thema. Ich bin ein großer Fan von Duoton-Bildern. Sie geben einem s/w wieder ein wenig Tonalität zurück und nehmen ihm die Strenge. Hier ist mein [Heimatfilm]* von letzter Woche:


    Einfamilienhaus



    *[Heimatfilm] ist mein 52-Wochen-Projekt 2013. Mehr hier.

  • Zitat von "aeirich"

    man muss auch nicht immer alles rationell begründen.


    nee, aber es hätte schon was ... (sofern du rational meinst)


    Zitat von "aeirich"

    hier ein shot von heute nachmittag, ich habs probiert und es hilft alles nichts, für mich geht das "nur" in SW :mrgreen:


    wie sähe es denn in Farbe aus ?